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7.4
Zeugnisverweigerungsrechte bei
heimlichen Ermittlungsmaßnahmen
Die uneinheitlichen und unvollkommenen Regelungen der
Strafprozessordnung müssen durch ein stimmiges Gesamtkonzept ersetzt werden.
Die Bundesregierung hatte bereits im Jahr 2001 angekündigt, den „Schutz von Zeugnisverweigerungsberechtigten
bei heimlichen Ermittlungsmaßnahmen in einem stimmigen Gesamtkonzept“ zu regeln (Bundestagsdrucksache
14/7008 S. 8). Diese umfassende Neuregelung steht leider bis heute aus, obwohl die in Auftrag gegebenen Gutachten inzwischen vorliegen.
Die Neuregelung darf nicht auf die lange Bank geschoben
werden. Denn bisher sind die Zeugnisverweigerungsrechte bei den Ermittlungsmaßnahmen der Strafprozessordnung uneinheitlich und unvollkommen geregelt. So
sind die Zeugnisverweigerungsrechte bei einigen Überwachungsmaßnahmen überhaupt nicht berücksichtigt, obwohl diese teilweise tief in die Rechte der Betroffenen
eingreifen. Dies gilt z. B. für Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen nach §§ 100a, 100b StPO, bei denen auf eventuell bestehende Zeugnisverweigerungsrechte überwachter Personen nach dem Wortlaut des
Gesetzes keinerlei Rücksicht genommen werden muss.
Bei der Verbindungsdatenabfrage nach den §§ 100g,
100h StPO sind nur bestimmte Berufsgeheimnisträger geschützt; schon deren Berufshelfer (§ 53a StPO) sind ungeschützt, ebenso wie zeugnisverweigerungsberechtigte
Angehörige. Andererseits gibt es aber auch Bereiche, in
denen ein umfassender Schutz durch Beweiserhebungsund Beweisverwertungsverbote gewährt wird, so etwa
hinsichtlich der Zeugnisverweigerungsrechte sämtlicher
Berufsgeheimnisträger bei der akustischen Wohnraumüberwachung nach §§ 100c Abs. 1 Nr. 3, 100d Abs. 3
StPO (vgl. Nr. 7.1.2). Bereits diese Beispiele zeigen, wie
dringend ein „stimmiges Gesamtkonzept“ ist. Ich hoffe
deshalb, dass dieses Vorhaben in nächster Zukunft angegangen wird und werde darauf hinwirken, dass dabei
– unter Berücksichtigung auch der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur akustischen
Wohnraumüberwachung (vgl. Nr. 7.1.1) – für alle Zeugnisverweigerungsberechtigten, also Familienangehörige
nach § 52 StPO sowie Berufsgeheimnisträger und deren
Berufshelfer nach §§ 53, 53a StPO ein möglichst hohes
Schutzniveau erreicht wird.
Weiterführende Hinweise: vgl. vor allem das im Auftrag
des BMJ erstellte und von diesem in Zusammenarbeit mit
Wolter/Schenke herausgegebene Gutachten „Zeugnisverweigerungsrechte bei (verdeckten) Ermittlungsmaßnahmen“ vom September 2002)
7.5
Heimliche Bildaufnahmen
(§ 201a Strafgesetzbuch)
Der neue Straftatbestand des § 201a StGB schützt den
Einzelnen weitgehend vor heimlichen Bildaufnahmen in
seinem Privatbereich.
Mit Gesetz vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 2012) ist der
neue Straftatbestand der Verletzung des höchstpersön-
lichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen in das
Strafgesetzbuch eingefügt worden (§ 201a). Mit dieser
Vorschrift kam der Gesetzgeber einer auch von mir erhobenen Forderung zur Schließung einer Strafbarkeitslücke
nach. Anders als beim vertraulich gesprochenen Wort
(§ 201 StGB) war der Einzelne vor unbefugten Bildaufnahmen bisher nicht ausreichend strafrechtlich geschützt
(vgl. 19. TB Nr. 8.1).
Die gesetzliche Regelung stellt einen Kompromiss dar
und enthält deshalb Einschränkungen des Schutzbereiches in räumlicher Hinsicht. Nicht jedes Herstellen, Übertragen, Gebrauchen oder Zugänglichmachen einer Bildaufnahme, das den höchstpersönlichen Lebensbereich
einer Person verletzt, ist unter Strafe gestellt, sondern nur
dann, wenn Personen sich innerhalb einer Wohnung oder
einem gegen Einblick besonders geschützten Raum aufhalten. Dabei muss es sich laut Begründung zum Gesetzentwurf nicht notwendig um einen umschlossenen Raum
im Sinne des § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB handeln, sondern
der Schutz kann sich z. B. auch aus einer dichten Hecke
oder Mauer ergeben. Befinden sich Personen in der Öffentlichkeit, bleiben die beschriebenen Handlungen nach
wie vor straffrei. Dies bedeutet, dass etwa die Herstellung
einer Bildaufnahme von einer Person, die sich in einer
Umkleidekabine aufhält, strafbar ist, während z. B. reißerische Aufnahmen von Unfallorten und Unfallopfern weiterhin straflos bleiben.
7.6
Jugendstrafvollzugsrecht – in einem
Gesetz zusammengefasst
Das BMJ hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der den
Jugendstrafvollzug erstmals zusammenfassend regelt.
Der Jugendstrafvollzug ist bisher in verschiedenen Gesetzen geregelt. So sind beispielsweise die Grundsätze und
einige organisatorische Bestimmungen im Jugendgerichtsgesetz und das Arbeitsentgelt, die Ausbildungsbeihilfe sowie der unmittelbare Zwang im Strafvollzugsgesetz (StVollzG) enthalten. Das BMJ hat nun einen
Gesetzentwurf zur Regelung des Jugendstrafvollzuges
(GJVollz-E) vorgelegt, in dem die Rechte und Pflichten
der jungen Gefangenen sowie die Eingriffsbefugnisse und
Leistungspflichten der Vollzugsbehörden zusammengefasst sind.
Grundsätzlich begrüße ich diesen Entwurf, allerdings erscheinen mir insbesondere drei Regelungen bedenklich:
§ 37 Abs. 4 GJVollz-E sieht vor, dass die Vollzugsbehörde im Rahmen der Einbeziehung fachbezogener außervollzuglicher Einrichtungen und Organisationen nach
§ 7 GJVollz-E personenbezogene Daten der Gefangenen
grundsätzlich nur mit deren Einwilligung übermitteln
darf. Eine Datenübermittlung ohne Einwilligung der Gefangenen soll aber auch zulässig sein, wenn die Vollzugskonferenz deren Erforderlichkeit festgestellt hat. Auch
wenn die Übermittlung personenbezogener Daten der
jungen Gefangenen an Jugendämter, Schulen, Einrichtungen für berufliche Bildung etc. sachgerecht sein mag,
halte ich den Kreis der nach § 7 GJVollz-E einzubeziehenden außervollzuglichen Einrichtungen und Organisationen, die als Datenempfänger in Betracht kommen, sehr
BfD
20. Tätigkeitsbericht
2003–2004