Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
– 59 –
unter Berufung auf § 6 Satz 2 i. V. m. § 7 Abs. 2 IFG
gänzlich abgelehnt werden.
– Schutz der Durchführung laufender Gerichtsverfahren
Nach § 3 Nr. 1 lit. g IFG können solche Informationen
geheim gehalten werden, deren Bekanntwerden nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens haben kann. Diese Regelung schützt auch schiedsrichterliche Verfahren im
Sinne des § 173 VwGO i. V. m. §§ 1025 ff. ZPO. Zumindest ein solches Verfahren war zum maßgeblichen
Zeitpunkt zwischen dem Bund und dem Toll CollectKonsortium anhängig; ob auch ein zweites Schiedsverfahren bereits das schutzwürdige Stadium eines
„laufenden“ Verfahrens erreicht hatte, ist zwischen
dem BMVBS und mir streitig geblieben.
Zwischen dem BMVBS und mir bestand insoweit Einigkeit, dass die Norm des § 3 Nr. 1 lit. g IFG neben
dem ordnungsgemäßen Ablauf gerichtlicher Verfahren
auch die Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit
der Rechtspflegeorgane schützt und diese schon dadurch Schaden nehmen können, dass die Öffentlichkeit oder einzelne, am Verfahrensausgang interessierte
Personen mit Hilfe der erlangten Informationen Druck
auf die Entscheidungsträger ausüben. Die Erwägungen des BMVBS, dass die Möglichkeit eines solchen
Drucks vorliegend deshalb bestand, weil die Auslegung des Betreibervertrages bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung über Streitgegenstände mit einem
Streitwert in Milliardenhöhe mitentscheidend sein
werde und ein öffentliches Bekanntwerden seines Inhaltes dazu führen könnte, dass versucht würde, auf
das Schiedsgericht Einfluss in Richtung einer bestimmten Auslegung einzelner Bestimmungen zu nehmen, konnte ich nachvollziehen.
Im Grundsatz stand auch außer Streit, dass nach § 3
Nr. 1 lit. g IFG nicht der Vertrag in Gänze, sondern lediglich die im schiedsgerichtlichen Verfahren entscheidungserheblichen Vertragsklauseln geheim gehalten werden können. Allerdings war das BMVBS
der Auffassung, dass dies vorliegend nicht dazu führe,
dass über die Vertraulichkeitsklausel und die Schiedsklausel hinaus weitere Vertragsteile zugänglich gemacht werden könnten, da derzeit nicht bestimmt werden könne, welche Bestandteile der Vereinbarungen
für die Entscheidung des laufenden Schiedsverfahrens
entscheidend sein würden. Demgegenüber erschien es
mir aber durchaus möglich, weitere nicht entscheidungserhebliche Vertragsregelungen zu bestimmen.
Dies sind nach meiner Auffassung all jene Regelungen, die als solche im Verfahren außer Streit stehen.
Darauf, ob diese von den Parteien in ihren Schriftsätzen oder schließlich vom Schiedsgericht bei seiner
Entscheidung zur Auslegung der streitigen Normen
herangezogen werden, kann es meines Erachtens entgegen der Ansicht des BMVBS nicht ankommen.
Denn bei einer von den Schriftsätzen losgelösten Veröffentlichung der vertraglichen Regelungen wird gar
nicht erkennbar, ob und inwieweit einzelne Bestimmungen in dem konkreten Verfahren mittelbar eine
Rolle spielen, insbesondere unter welchem Aspekt
und zugunsten welcher Partei sie herangezogen werden. Auch der Einwand des BMVBS, es sei nicht absehbar, welche Vertragsnormen Außenstehende ohne
Kenntnis der Rechtsauffassungen von Parteien und Gericht in ihren Zielen dienlicher Weise auslegen und an
das Schiedsgericht herantragen würden, verfing aus
meiner Sicht nicht. Ich vermag eine hinreichend konkrete Gefahr einer Beeinflussung des Schiedsgerichts
durch außen stehende Dritte dann nicht zu erkennen,
wenn diesen weder die unmittelbar streitigen Vertragsnormen noch die Schriftsätze der Parteien bekannt sind.
Hilfsweise habe ich das BMVBS darauf hingewiesen,
dass der Gefahr eines öffentlichen Drucks auf das
Schiedsgericht ggf. dadurch begegnet werden könnte,
dass die Art des Informationszugangs auf Einsichtnahme beschränkt, also keine Kopie des Vertrags herausgegeben wird. Hiergegen wandte das BMVBS ein,
dass dem Antragsteller aber nach § 7 Abs. 4 Satz 1
IFG im Fall der Einsichtnahme das Recht zustünde,
Ablichtungen der Vertragsunterlagen fertigen zu lassen oder Notizen zu machen. Ich bin allerdings der
Auffassung, dass nach Sinn und Zweck des IFG diese
Rechte eingeschränkt werden können, wenn anderenfalls der Informationszugang gänzlich versagt würde.
Als Reaktion auf meine Beanstandung hat das BMVBS
mitgeteilt, dass zumindest noch einzelne weitere – wenn
auch wenige – Vertragsbestimmungen als für die Schiedsverfahren nicht erheblich zu qualifizieren seien, und angedeutet, diese nach einer erneuten Beteiligung von Toll
Collect nach § 8 IFG ggf. zugänglich zu machen. Hinsichtlich der Grundsatzfragen bleibt aber die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Klage des Abgeordneten abzuwarten.
4.12.2 Informationen über Lkw-Mautdaten
Eine Behörde kann den Informationszugang verwehren,
wenn die Zusammenstellung der Daten einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand nach sich ziehen
würde.
Anfang des Jahres 2007 beantragte ein Petent Einsicht in
Datensätze der Lkw-Maut beim Bundesamt für Güterverkehr (BAG). Er begehrte Zugang zu den Daten aller
mautpflichtigen Nutzfahrzeuge, die in den Jahren 2005
und 2006 über die On-Board-Unit systemseitig auf einer
mautpflichtigen Strecke angemeldet wurden. Die Daten
sollten zudem noch detaillierte Informationen zu Anzahl
der Achsen, Namen der BAB-Anschlussstellen für Auffahrt und Abfahrt und Länge der zurückgelegten Strecke
enthalten.
Das BAG wandte sich als zuständige Behörde an mich
und bat in dieser Angelegenheit um eine rechtliche Bewertung aus Sicht des IFG. Im Besonderen wies die Behörde darauf hin, dass die gewünschten Informationen
1. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit