Drucksache 19/26103
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Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
deutschen Soldatinnen und Soldaten bei. So werden einflussreiche Personen in den Einsatzländern erfahrungsgemäß – auch über ihren Zuständigkeitsbereich hinaus – über sicherheitsrelevante Ereignisse informiert, wenn sich
Betroffene davon Hilfe und Unterstützung erhoffen. Besonders nützlich ist die Erhebung von internen Kommunikationsverkehren von Militär und Sicherheitsbehörden. Lagerelevante Informationen werden regelmäßig sehr
zeitnah an Vorgesetzte weitergegeben. Im Gegensatz zu offiziellen Mitteilungen, in denen Gefahren häufig verharmlost und die eigenen Erfolge in den Vordergrund gestellt werden, erlauben die durch strategische Aufklärungsmaßnahmen gewonnenen Informationen einen weitgehend unverfälschten Einblick in die tatsächliche Einsatzbereitschaft und die Leistungsfähigkeit der Sicherheitskräfte sowie deren Operationsführung bzw. Vorgehen.
Strategische Aufklärungsmaßnahmen sind häufig die Hauptinformationsquelle zum Schutz deutscher Soldatinnen
und Soldaten im Auslandseinsatz. Zu deren Schutz ist vor allem auch die Gewinnung von Erkenntnissen zu Techniken, Taktiken und Vorgehensweisen militanter Gruppierungen, die auch gegen die Einsatzkräfte der Bundeswehr agieren, erforderlich. Die Sicherstellung des Schutzes der Soldatinnen und Soldaten im Rahmen der sogenannten Force Protection durch Gewinnung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse über das jeweilige Einsatzland
ist eine der wesentlichen Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes. Ein weiterer Aspekt zum Schutz von Leib
und Leben der im Auslandseinsatz befindlichen Soldaten und Soldatinnen ist auch die Aufklärung der Fähigkeiten, Leistungs- und Einsatzbereitschaft der Sanitätsdienste fremder Streitkräfte. Dieser Faktor ist für die Sicherheits- und Bedrohungslage im Einsatzgebiet maßgeblich. Hier steht zum einen die eigene medizinische Versorgung im Vordergrund. Zum anderen gehört aber auch die wehrmedizinische Forschung staatlicher und nichtstaatlicher Akteure in Russland und in China zu den Zielen von Aufklärungsmaßnahmen der strategischen Fernmeldeaufklärung.
Auch der Schutz von Auslandseinsätzen anderer deutscher Behörden, zum Beispiel zum Schutz polizeilicher
Einsätze im Ausland, ist eine wesentliche Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes und diesem auch mit Mitteln
der strategischen Ausland-Fernmeldeaufklärung gestattet. Ferner übermittelt der Bundesnachrichtendienst sicherheitsrelevante Erkenntnisse zur Unterstützung der deutschen Entwicklungshilfe im Ausland, die in der Regel nur
aufgrund einer Vereinbarung mit dem Einsatzland erfolgen kann. Entsprechende Einsätze finden häufig weitab
der Hauptstädte in Gebieten mit besonderen Sicherheitsrisiken statt. Auch hier liefern oftmals allein die durch die
strategischen Aufklärungsmaßnahmen gewonnenen Erkenntnisse ein wirklich zutreffendes und hinreichend aktuelles Bild der Sicherheitslage vor Ort, das erforderlich ist, um deutsche Entwicklungshelfer keinen unnötigen
Gefahren auszusetzen bzw. notfalls sogar Evakuierungen zu ermöglichen.
Buchstabe b
Krisenhafte Entwicklungen im Ausland können rasch zu einer Destabilisierung von Ländern oder sogar ganzen
Regionen führen, weshalb sie von besonderer Relevanz für die Auftragserfüllung des Bundesnachrichtendienstes
sind. Das internationale System verändert sich kontinuierlich. Multipolarität und geopolitische Machtverschiebungen sind u. a. das Resultat aus dem wachsenden politischen, wirtschaftlichen und militärischen Einfluss von
Schlüsselstaaten. Die damit einhergehenden dynamischen Prozesse sind hinsichtlich der Sicherheitsinteressen
Deutschlands und seiner Verbündeten insbesondere vor dem Hintergrund ihrer langfristigen Folgewirkungen mit
krisenhaftem Entwicklungspotential, wechselseitigen Verstärkungen und Interdependenzen ein besonderes Aufklärungsziel.
Der Bundesnachrichtendienst gewinnt durch strategische Aufklärungsmaßnahmen Erkenntnisse über sich zum
Teil schnell zuspitzende politische Spannungen, beispielsweise aufgrund strategischer Absichten einer dominierenden militanten Opposition, über soziale Unruhen und/oder bewaffnete Auseinandersetzungen, die zu einer
Änderung der politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder militärischen (Kräfte-)Verhältnisse führen
können und daher zur Gefahr für deutsche oder europäische Einrichtungen, Staatsbürger sowie Interessen werden.
Weiterhin kann der Bundesnachrichtendienst durch strategische Aufklärungsmaßnahmen Erkenntnisse über potentiell grenzüberschreitende Entwicklungen (Chemieunfälle, Krankheitsausbrüche etc.) erlangen, deren Existenz
oder Ausmaß nationale Regierungen unter Umständen nicht oder nur zögerlich einräumen. Dies kann auch zivile
oder militärische Auseinandersetzungen zwischen zwei Staaten betreffen. Nur in Kenntnis solcher Lagen kann
die Bundesregierung rechtzeitig Maßnahmen zum Schutz deutscher Staatsbürger im Ausland bzw. – je nach
Reichweite des Ereignisses – der Bevölkerung in Deutschland ergreifen (z. B. Warn- und Reisehinweise, Evakuierungen oder Ausgabe von Medikamenten).