Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
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Drucksache 19/26103
in Einklang mit dem sogenannten Auftragsprofil der Bundesregierung (APB), welches das Bundeskanzleramt im
Einvernehmen mit den zuständigen Bundesministerien festlegt, und anderen Weisungen des Bundeskanzleramtes,
die den gesetzlichen Auftrag des Bundesnachrichtendienstes konkretisieren, stehen. Durch das APB legt die Bundesregierung die Prioritäten fest, anhand derer der Bundesnachrichtendienst gemäß seinem gesetzlichen Auftrag
Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland zu beschaffen
hat.
Zu Absatz 4
Absatz 4 konkretisiert die Früherkennung von aus dem Ausland drohenden Gefahren von internationaler Bedeutung nach Absatz 1 Nummer 2. Strategische Aufklärungsmaßnahmen nach Absatz 1 Nummer 2 sind nur zulässig,
wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen des Absatzes 3 tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass durch
sie Erkenntnisse über aus dem Ausland drohende Gefahren von internationaler Bedeutung gewonnen werden
können. Satz 2 definiert den Gefahrenbegriff im nachrichtendienstlichen Sinne. Über den polizeilichen Gefahrenbegriff hinaus umfasst dieser gerade auch die Früherkennung von Entwicklungen im Ausland, die sich negativ
auf die Stellung der Bundesrepublik Deutschland in der Staatengemeinschaft auswirken können. Dies kann beispielsweise bei politischen krisenhaften Entwicklungen im Ausland der Fall sein, von denen die Bundesrepublik
Deutschland betroffen ist. Eine krisenhafte Entwicklung in diesem Sinne wäre zum Beispiel die Zuspitzung einer
politischen Krise in der Peripherie Europas oder das Aufflammen bewaffneter Konflikte zwischen den Anrainerstaaten einer wichtigen maritimen Handelsroute. Eine Gefahr von internationaler Bedeutung in diesem Sinne liegt
vor, wenn sie einen Bezug zu den in Nummer 1 aufgezählten Phänomenbereichen aufweist oder die in Nummer 2
genannten Rechtsgüter bedroht. Ein solcher Bezug kann sich auch mittelbar daraus ergeben, dass Informationen
mittels der strategischen Fernmeldeaufklärung beschafft werden müssen, um hierdurch in die Lage versetzt zu
werden, die Früherkennung der jeweiligen Gefahr durchzuführen. Beispielhaft kann hier die Aufklärung einer im
terroristischen Umfeld befindlichen Person genannt werden, um auf diese Weise Erkenntnisse zu erlangen, die
eine Anbahnung als nachrichtendienstliche Quelle ermöglichen.
Nummer 1
Gefahren müssen im Einklang mit den von der Bundesregierung vorgegebenen Aufklärungsaufträgen des Bundesnachrichtendienstes einen Bezug zu den nachfolgend genannten Phänomenbereichen aufweisen, um eine strategische Aufklärungsmaßnahme begründen zu können.
Buchstabe a
Unter die Landes- und Bündnisverteidigung fallen einerseits nationale Verteidigungsinteressen der Bundesrepublik Deutschland und andererseits Bündnisverpflichtungen in internationalen Bündnissen, an denen die Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist, darunter insbesondere die der NATO.
Strategische Aufklärungsmaßnahmen im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung kommen unter anderem
bei sich entwickelnden Gefährdungen der territorialen Integrität Deutschlands sowie eines Bündnispartners, bei
zwischenstaatlichen Konflikten, bei fragiler Staatlichkeit und schlechter Regierungsführung, bei weltweiter Aufrüstung, bei Gefährdung der Informations-, Kommunikations-, Transport- und Handelslinien, der Sicherheit der
Rohstoff- und Energieversorgung sowie bei der Abwehr von Gefahren aus dem Cyber- und Informationsraum
zum Tragen. Auch Aufklärungsmaßnahmen fremder Staaten und insbesondere von deren Nachrichtendiensten,
die ihrerseits die Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer internationalen Bündnispartner aufzuklären versuchen, um anhand der gewonnenen Erkenntnisse Strategien zur Schwächung und bzw. oder Umgehung
der vorgenannten Verteidigungsinteressen entwickeln zu können, sind Bestandteil entsprechender strategischer
Aufklärungsmaßnahmen.
Eine vergleichbare Interessenlage liegt bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr oder verbündeter Streitkräfte im
Ausland vor, z. B. bei humanitären Einsätzen. Die Bundeswehr ist an einer Vielzahl von Auslandseinsätzen beteiligt und leistet damit einen wertvollen Beitrag zur weltweiten Sicherheit und Stabilität. Der Bundesnachrichtendienst ist als einziger Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland auch zuständig für die militärische Auslandsaufklärung. Durch strategische Aufklärungsmaßnahmen kann er beispielsweise Erkenntnisse
unmittelbar zur Sicherheitslage und zu einer besonderen, situativ verschärften Gefährdung der gesundheitlichen
Versorgung vor Ort und der Peripherie des Einsatzlandes gewinnen und trägt damit zur Sicherheit der eingesetzten