Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014

1839

Jan van Aken

(A) Bundeswehrsoldaten natürlich als Teil der kämpfenden
Truppe der Afrikanischen Union wahrgenommen, und
das erhöht die Gefährdung zusätzlich. Wie es dort für die
deutschen Soldaten ausreichend sicher sein soll, das
müssen Sie mir einmal erklären. Das müssen Sie aber
auch den Soldatinnen und Soldaten erklären, und erklären Sie es bitte auch einmal deren Familien.
(Henning Otte [CDU/CSU]: Nicht mal Beifall
von den Linken!)
Nicht nur wegen der schlechten Sicherheitslage lehnen wir diesen Einsatz ab, sondern auch, weil er politisch falsch ist. Sie, Frau von der Leyen, wissen es, Sie
alle wissen es, ich weiß es. Die jetzige somalische Regierung hat trotz Beteiligung der verschiedenen Clans
und regionalen Strukturen überhaupt keinen Rückhalt in
der Bevölkerung. Das ist auch kein Wunder, denn sie ist
erstens nicht gewählt und zweitens überhaupt nicht als
Regierung erkennbar. Sie kümmert sich in keinster
Weise um die Bevölkerung, in keinster Weise um die Sicherung der Grundbedürfnisse, um die Nahrungsmittelversorgung, um die Gesundheitsversorgung. Das Einzige, womit diese Regierung sich beschäftigt – und Sie
unterstützen sie dabei –, ist, sich selbst zu schützen; aber
die Menschen im Land schützt sie nicht. Die Sicherheitskräfte, die Sie jetzt in Mogadischu ausbilden, werden
ausschließlich dafür eingesetzt, den Regierungssitz zu
schützen, sonst gar nichts – wenn die Soldaten nicht
mittlerweile längst desertiert sind.
Vor allem hat diese sogenannte Regierung – da kommen wir zur entscheidenden politischen Frage, zu der
(B) Sie leider wenig gesagt haben – nichts, aber auch gar
nichts unternommen, um eine Verhandlungslösung mit
dem mächtigsten Gegner dort, al-Schabab, auf den Weg
zu bringen. Das erste Ziel von Verhandlungen wäre eine
Waffenruhe. Aber entsprechende Verhandlungen werden
nicht nur von der Regierung in Mogadischu abgelehnt,
sondern auch von all ihren internationalen Unterstützern.
Da heißt es ganz lapidar: Mit Terroristen verhandelt man
nicht.
Vor vier Jahren habe ich an dieser Stelle gesagt, dass
man in Afghanistan mit al-Qaida verhandeln muss. Da
bin ich von Ihnen ausgelacht worden. Zwei Jahre später
haben Sie diese Meinung selbst vertreten. Das war gut.
Aber jetzt müssen Sie auch in Bezug auf Somalia zur
Kenntnis nehmen: Sie werden in diesem Land nur dann
Frieden erreichen, wenn Sie mit dem Hauptgegner, alSchabab, verhandeln. Solange Sie das nicht tun, werden
Sie den dortigen Krieg nicht beenden können.
(Beifall bei der LINKEN – Henning Otte
[CDU/CSU]: Sie werden uns nicht überzeugen!)
Sie wissen, dass Ihre Strategie gescheitert ist.
(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Ihre Argumentation schon lange!)
Die einzige Möglichkeit, den Bürgerkrieg zu beenden,
liegt in einem Dialog und in Verhandlungen, nicht in
Waffengewalt.
(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt komme ich zum letzten Punkt.

(C)

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)
Ich finde es wirklich erschütternd, dass Sie gar nichts
dazu sagen, Frau von der Leyen.
Vor gut einem Jahr wurde das Waffenembargo gegen
Somalia gelockert mit dem Argument, die Regierung
müsse sich besser bewaffnen, um sich schützen zu können. Nun ist veröffentlicht worden, dass es einen Bericht
an den Sanktionsausschuss der Vereinten Nationen gibt,
in dem auf vielen Seiten detailliert dargelegt wird, dass
die sogenannte Regierung in Mogadischu daran beteiligt
ist, die Waffen, die jetzt neu ins Land kommen, weiterzuleiten, unter anderem an al-Schabab. Vor kurzem
wurde die Lockerung des Waffenembargos noch einmal
verlängert. Das heißt, Sie – nicht Deutschland, aber andere Länder – unterstützen eine Regierung, beliefern sie
mit Waffen, und diese Waffen werden über die Clanstrukturen direkt an al-Schabab weitergegeben. Angesichts des Berichtes an den Sanktionsausschuss der Vereinten Nationen fragen wir Sie: Was tun Sie damit? Die
Antwort ist: Die Bundesregierung kennt diesen Bericht
gar nicht. – Sie nehmen ihn nicht zur Kenntnis; Sie wollen ihn nicht sehen. Das ist der Skandal: Sie unterstützen
eine Waffenschieberbande, die sich Regierung nennt,
und befeuern damit noch den militärischen, gewalttätigen Konflikt in Somalia.
(Beifall bei der LINKEN – Henning Otte
[CDU/CSU]: Erschreckend!)
Ich fasse zusammen: Erstens. Sie riskieren das Leben
von Bundeswehrsoldaten, indem Sie sie mitten in ein (D)
hochgefährliches Mogadischu schicken.
(Henning Otte [CDU/CSU]: Sie begrüßen sie
nicht mal!)
Zweitens. Sie unterstützen damit eine Bürgerkriegspartei, die sich am Waffenhandel bereichert. Drittens. Sie
und auch die Regierung in Mogadischu setzen sich nicht
für Verhandlungen für eine Friedenslösung ein. Ich
finde, das sind drei sehr gute Gründe, diesen Auslandseinsatz abzulehnen.
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland
überhaupt keine Waffen mehr exportieren sollte.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsident Johannes Singhammer:

Für die Bundesregierung erteile ich nun Herrn Staatsminister Michael Roth das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Gäste auf der Besuchertribüne! Schon seit Wochen wird die öffentliche Debatte in Deutschland bezüglich der Afrikapolitik nur von einer Frage bestimmt:
Werden deutsche Soldatinnen und Soldaten zum Einsatz
kommen, um die politischen Krisen in Zentralafrika,

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