Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
1815
Britta Haßelmann
(A)
Es gibt keinen Grund dafür. Sie wissen genauso gut
wie ich, wie Monika Lazar, wie viele andere von uns, die
mit anderen Leuten zusammen in Dresden auf der Straße
gestanden haben,
(Katja Kipping [DIE LINKE]: Das habe ich
gesagt!)
dass es wichtig ist, Zivilcourage zu zeigen. Sie machen
aber wieder den Fehler, zu verwechseln, dass es hier um
ein Verfahren in einer Immunitätssache geht und nicht
darum, zu beurteilen, ob man Nazis in Deutschland
Raum gibt oder nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
bei der CDU/CSU und der SPD)
Es gibt über 200 Ermittlungsverfahren, über 200 Menschen mussten sich der Justiz gegenüber verantworten.
(Zuruf von der LINKEN)
Woher leiten Sie eigentlich das Recht ab, dass zwei von
Ihnen, zwei von uns aus dem Deutschen Bundestag, sich
durch Nichtaufhebung ihrer Immunität einem solchen
Verfahren entziehen können sollen?
(Katja Kipping [DIE LINKE]: Es geht nicht
um uns! Es geht um die politische Symbolik
dahinter! – Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]:
Damit würden Sie den anderen helfen! – Weitere Zurufe von der LINKEN)
(B)
Zivilcourage bedeutet nicht, dass wir ein Privileg gegenüber anderen Bürgerinnen und Bürgern haben, wenn
es um Ermittlungen geht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
bei der CDU/CSU und der SPD)
Wann verstehen Sie das? Ich habe es einfach satt, wenn
Zivilcourage wie eine Monstranz vor uns hergetragen
wird. Ich schätze wahnsinnig viele Leute, die sich engagieren, die dafür auch Sachen in Kauf nehmen, die verdammt schwer auszuhalten sind; aber nichts rechtfertigt,
wenn man als Abgeordneter glaubt, anders behandelt
werden zu können
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Jawohl!)
als jede Bürgerin und jeder Bürger in diesem Land.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
bei der CDU/CSU und der SPD)
Ich muss dann auch mit diesen Folgen rechnen und kann
doch, verdammt noch mal, dann nicht darauf hoffen,
dass, weil ich den Status einer Abgeordneten habe, das,
was für andere gilt, für mich nicht gilt. Das finde ich
wirklich problematisch an der Frage. Das ist ein Fall aus
der 17. Wahlperiode. Ich will mich in der Sache dazu gar
nicht äußern;
(Katja Kipping [DIE LINKE]: Sie haben auch
noch schlampig gearbeitet!)
das ist hier nicht der Ort dafür. Sie wissen, dass das ein
internes Verfahren ist. Ich bin neu in diesem Ausschuss.
Ich habe extra Akteneinsicht genommen. Ich kann nicht
verstehen, wieso Sie einem solchen Verfahren an der
Stelle widersprechen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
bei der CDU/CSU und der SPD)
(C)
Vizepräsidentin Claudia Roth:
Danke, Frau Kollegin.
Zur Erklärung: In diesem Verfahren sind keine Zwischenbemerkungen bzw. Zwischenfragen möglich. Deswegen konnte ich der Bitte von Christian Ströbele nicht
entsprechen.
Aber der Kollege Dr. Gysi hat, wenn er will – das ist
mir gerade angekündigt worden –, nach § 31 Abs. 1 der
Geschäftsordnung die Möglichkeit, eine Erklärung zur
Abstimmung abzugeben.
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ganz
kurz: Im Fall André Hahn, den die gleiche Angelegenheit betrifft, haben SPD und Grüne im Sächsischen
Landtag gegen die Aufhebung der Immunität gestimmt.
(Beifall bei der LINKEN)
Jetzt sage ich etwas zu Ihrem Argument, weil es mich
ärgert, wenn Sie sagen, es geht um Privilegien für zwei
Leute im Unterschied zu anderen. Ganz im Gegenteil,
wenn der Bundestag in diesem Falle sagte: „Wir heben
die Immunität nicht auf“, hätten wir allen anderen geholfen. Das wäre entscheidend gewesen.
Danke.
(Beifall bei der LINKEN – Jürgen Trittin
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und das von
einem Rechtsanwalt!)
Vizepräsidentin Claudia Roth:
Es gibt jetzt eine ganze Reihe von persönlichen Erklärungen, die nach unseren Regeln zu gewähren sind.
Dürfte ich einmal ganz kurz die Parlamentarischen Geschäftsführer zu mir bitten?
(Die Parlamentarischen Geschäftsführer begeben sich zum Präsidium – Hubert Hüppe
[CDU/CSU]: Die Erklärungen können ja
schriftlich eingereicht werden!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, das ist ein
hochemotionales Thema; aber die Parlamentarischen
Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer haben sich
darauf geeinigt, vorzuschlagen, dass diejenigen, die sich
jetzt noch für eine Erklärung zur Abstimmung gemeldet
haben, diese Erklärung bitte schriftlich einbringen,
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Nein!)
weil wir sonst eine riesenlange Debatte bekommen und
ich nicht weiß, wo ich anfangen und wo ich aufhören
soll. Ich bitte, das anzunehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
(D)