Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014

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Bettina Müller

(A)

Der Antrag der Grünen geht insofern in die richtige
Richtung, als eine langfristige Neuordnung der Berufshaftpflicht für die Gesundheitsberufe gefordert wird.
Aber über diese Überlegungen besteht ohnehin Konsens
zwischen allen Akteuren.
(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Ach?)
Wir müssen jedoch auch die langfristigen Perspektiven für die Geburtshilfe sehr viel mehr in den Fokus rücken. Mit Blick auf die Trends und Herausforderungen
in der Gesundheitsversorgung ist die Haftpflicht letztlich
nur ein Thema unter vielen, wenn auch ein drängendes.
Der Blick auf andere wichtige Fragestellungen darf hierdurch jedoch nicht verstellt werden.
Die Geburtshilfe in der Fläche, im unterversorgten
ländlichen Raum, muss auch bei weiter sinkenden Geburtenzahlen sichergestellt sein. Das gilt für Geburten
im Krankenhaus ebenso wie für Hausgeburten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der LINKEN)
Die Geburtshilfe ist aber auch hier nur Teil einer Debatte
um künftige Versorgungsstrukturen und damit Teil eines
ohnehin notwendigen Gesamtkonzeptes.

Die hohe Anzahl der Entbindungen durch Beleghebammen ist ein Beispiel, wie Krankenhäuser schon jetzt
mit Sparzwängen umgehen: Geburtsstationen werden abgebaut, Leistungen werden outgesourct und an Belegheb(B) ammen abgegeben. Natürlich garantieren Beleghebammen
das Wahlrecht der Frauen, sich – völlig zu Recht – eine
Hebamme ihres Vertrauens auszusuchen. Aber mir als Sozialdemokratin wäre es natürlich schon lieber, diese Hebammen hätten dann eine ordentlich bezahlte Festanstellung
und eine vom Krankenhaus bezahlte Haftpflichtversicherung und kein prekäres, freiberufliches Arbeitsverhältnis,
mit dem sie kaum über die Runden kommen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Erich
Irlstorfer [CDU/CSU])
Im Rahmen der ärztlichen Versorgung beginnt ja gerade eine kritische Diskussion über die Freiberuflichkeit.
Warum sollten wir dann ausgerechnet bei Hebammen
den umgekehrten Weg einschlagen? Natürlich müssen
wir zunächst für die freiberuflichen Hebammen in der
ambulanten Versorgung nach einer nachhaltigen Lösung
suchen. Sie müssen in künftige demografiefeste Versorgungsstrukturen eingebunden und auskömmlich vergütet
werden.
Die notwendige Lösung der Haftpflichtproblematik,
liebe Kolleginnen und Kollegen, kann allerdings nur der
Startschuss für eine weiter gehende Debatte sein. Damit
wird sich die SPD in den nächsten drei Jahren intensiv
beschäftigen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

(C)

Vielen Dank, Frau Kollegin Müller. – Nächster Redner in der Debatte ist Erich Irlstorfer – ich hoffe, ich
habe es einigermaßen bayerisch ausgesprochen – für die
CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Erich Irlstorfer (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir besprechen heute einen Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen zur aktuellen Debatte über Hebammen. Das heutige Thema ist seit Wochen Gegenstand
breiter gesellschaftlicher Diskussionen.
In den vergangenen Jahren sind die Kosten für die
Haftpflichtversicherung der Hebammen drastisch gestiegen. Sie haben sich in zehn Jahren nahezu verzehnfacht.
Die Prämien liegen aktuell bei 4 000 bis 5 000 Euro pro
Jahr. Angestellte Hebammen sowie solche, die keine Geburtshilfe leisten, sind von den Kostensteigerungen nicht
betroffen.
Grund für die Kostensteigerungen sind die hohen
Summen, die inzwischen vor Gerichten für Geburtsschäden erstritten werden. Anders als von einigen angenommen – das möchte ich in dieser Diskussion betonen –,
hat sich die Höhe der Haftpflichtprämien nicht aufgrund
einer Zunahme von Hebammenfehlern erhöht. Dank des
medizinischen Fortschritts können Menschen mit Behinderungen in der Folge solcher Fehler mit ihren Beeinträchtigungen deutlich länger als früher leben. Daher
sind die Schadensersatzsummen deutlich angestiegen.
(D)
Als Union haben wir die Situation der Hebammen
auch weiterhin im Blick. Die zuvor schon mehrfach angesprochene Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Hebammenverbände wurde einberufen, um sämtliche
wichtigen Aspekte der Hebammenversorgung näher
zu untersuchen. Zur Klärung der Problematik ist auch
– ich glaube, das ist wichtig – der Gesamtverband der
Deutschen Versicherungswirtschaft mit einbezogen
worden. Der Abschlussbericht dieser Arbeitsgruppe
befindet sich gerade in der Abstimmung mit den Hebammenverbänden und wird demnächst veröffentlicht;
der Herr Minister hat es gesagt.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist aus
meiner Sicht wichtig, diese Debatte auf Grundlage von
Daten und Fakten zu führen. Fakt ist eine Explosion der
Haftpflichtprämien für – nach Angaben des Deutschen
Hebammenverbandes �� etwa 3 500 freiberufliche Hebammen sowie der Ausstieg der Nürnberger Versicherung
aus der Hebammenversicherung. Dies könnte nicht nur
zu einer Bedrohung dieses Berufsstandes, sondern damit
auch zu Versorgungsproblemen in der Geburtshilfe führen.
Richtig ist aber auch: Wenn immer weniger freiberufliche Hebammen Geburtshilfe anbieten können, wird in
Zukunft das Recht auf Wahlfreiheit des Geburtsortes
nicht mehr gewährleistet sein.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

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