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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014

Dr. Roy Kühne

(A)

Wenn wir aber über Qualität und Qualitätssicherung
reden, brauchen wir Daten. Ich fordere alle beteiligten
Seiten auf, die Datenlage zügig zu verbessern. Wir brauchen dies, damit die Argumentationsgrundlage für Diskussionen in der Zukunft geschaffen ist. Ich möchte eine
Diskussion aufgrund von Fakten führen.
Wie Herr Minister Gröhe bereits angesprochen hat,
wird der erste Bericht der Arbeitsgruppe im Verlauf des
Aprils erwartet. Ich erwarte von der Arbeitsgruppe ganz
konkrete Vorschläge, und ich glaube, die werden wir
auch bekommen. Ausgehend von dieser Grundlage müssen dann weiter gehende Diskussionen geführt werden.
Ich betone mit Blick auf die Interessen der Hebammen:
Wir brauchen eine sehr zeitnahe Umsetzung von konkreten Maßnahmen, damit den Hebammen in Deutschland
ein ganz klares Signal gesendet wird.
Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, dass in
diesem Haus bei diesem Thema Einigkeit zu zwei Punkten herrscht:
Erstens. Die ambulante Versorgung durch Hebammen
in Deutschland soll flächendeckend erhalten werden.
Zweitens. Es geht – das ist für mich als Vater und
auch für die Damen und Herren, die oben auf der Tribüne sitzen, sehr wichtig – um die Gesundheit von Mutter und Kind. Das sollten wir bei dieser ganzen Diskussion nicht vergessen.

(B)

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Elisabeth Scharfenberg
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben
das nicht vergessen!)
Auch die Koalition weiß um die Dringlichkeit dieser
Maßnahmen. Gerade deshalb müssen diese Maßnahmen
rechtlich abgesichert und nachhaltig sein. Keinem ist mit
einem überhasteten Antrag geholfen, der fordert, diese
gesamtgesellschaftliche Aufgabe mit Schnellschüssen
abzuhandeln.
(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Vier Stufen! Die sind nicht überhastet! Das ist kein Schnellschuss!)
Wir brauchen harte Fakten. Warten Sie also bitte den Bericht der Arbeitsgruppe ab, damit wir tragfähige langfristige Lösungen finden – im Interesse von werdenden
Müttern und Vätern.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Herr Kollege Kühne. – Das Wort hat
Bettina Müller für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Bettina Müller (SPD):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Protestaktionen der Hebammen wegen der Berufshaftpflicht begleiten uns nun schon einige Jahre. Wir er-

leben heute nicht die erste Debatte in dieser Sache, und (C)
nicht zum ersten Mal solidarisieren sich die Mitbürgerinnen und Mitbürger berechtigterweise mit dem Anliegen
der Berufsverbände. Die Empörung ist verständlich. Der
drohende Ausstieg des letzten Versicherers zwingt zum
Handeln, und es wird auch gehandelt. Der Minister und
Karl Lauterbach haben geschildert, dass alle Beteiligten
ressortübergreifend an Lösungsmöglichkeiten arbeiten.
SPD und Union haben das im Koalitionsvertrag vereinbart. Der Bundesrat hat eine Entschließung verabschiedet. Heute liegt uns ein Antrag der Grünen vor. Das
ist ein wichtiges Signal an die Hebammen: Es wird bereits intensiv und gemeinsam nach Lösungen gesucht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mir ist es aber auch wichtig, heute noch eine andere
Botschaft auszusenden, nämlich die, dass in Deutschland
die Geburtshilfe insgesamt nicht in Gefahr ist. Weder
steht ein Berufszweig vor dem Aus, noch werden
Schwangere alleingelassen. Auch das Wahlrecht wollen
wir nicht zur Disposition stellen. So emotional das
Thema auch ist, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wir alle sollten uns um eine Versachlichung der Debatte bemühen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Zur sachlichen Darstellung gehört, dass in Deutschland fast alle Geburten, nämlich 98 Prozent, in einem
Krankenhaus erfolgen. Nur etwa 2 Prozent der Frauen
entscheiden sich für eine außerklinische Geburt, zu (D)
Hause oder in einem Geburtshaus.
(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Wenn wir noch ein bisschen abwarten, sind es 100 Prozent!)
Um diese Geburten kümmern sich bundesweit circa
3 500 freiberufliche von insgesamt 21 000 Hebammen.
Die Zahlen des IGES von 2012 zeigen: Im Krankenhaus werden etwa 20 Prozent der Geburten von Freiberuflichen betreut, die dort als Beleghebammen arbeiten.
Viele Beleghebammen begleiten zusätzlich auch Hausgeburten und kommen mit den Zuschlägen der Kassen
für die Prämien gerade so über die Runden; das ist schon
dargestellt worden. Existenzbedrohend ist die Situation
natürlich für die Hebammen, die ausschließlich im außerklinischen Bereich arbeiten.
Es steht also nicht die gesamte Geburtshilfe infrage,
meine sehr verehrten Damen und Herren, sondern es
geht um ein Problem der Berufshaftpflicht für einen Teil
der Hebammen und bei einem kleinen Teil der Geburten.
Aber ganz klar ist: Dieses Problem muss dringend gelöst
werden. Die Hebammen sollen sich nicht länger von einer Vereinbarung mit den Krankenkassen zur anderen
hangeln müssen. Auch die Versicherungswirtschaft darf
sich nicht aus der Verantwortung stehlen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)

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