Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014

(A) der Verpackungsverordnung zur Eigenrücknahme und
zur sogenannten Branchenlösung als Schlupflöcher genutzt; vielleicht zum Teil um Geld zu sparen oder um
sich Wettbewerbsvorteile gegenüber unliebsamen Konkurrenten zu verschaffen. Die Folge ist: Das System
wurde destabilisiert.
Die Menge der bei den Dualen Systemen lizenzierten
Verkaufsverpackungen, für deren Abtransport und Entsorgung der Hersteller zahlt, hat als Folge davon abgenommen, die Menge der Verpackungen im gelben Sack
ist aber gleich geblieben. Diese Fehlentwicklung müssen
und werden wir aufhalten. Wir sollten die Errungenschaften, die uns die Verpackungsverordnung gebracht
hat, aber eben auch das große Engagement der Bürgerinnen und Bürger bei der Mülltrennung nicht aufs Spiel
setzen. Wir müssen die Glaubwürdigkeit des Systems
wiederherstellen. Denn es ist immer noch so, dass nur
eine vernünftige Mülltrennung hochwertige Recyclingergebnisse bringen kann.
Die Grünen haben einen Entschließungsantrag zu dieser sechsten Novelle eingebracht, in dem sie fordern,
dass die Recyclingziele für Verpackungsabfälle in der
Verpackungsverordnung auf das derzeit technisch Mögliche erhöht werden sollen. Das ist definitiv nicht unser
Ziel. Bei der Erhöhung der Recyclingquoten, die wir
auch wollen, müssen wir immer auch die ökologischen,
energetischen und finanziellen Auswirkungen mit abwägen. Vernünftige Recyclingquoten müssen sich am ökologisch und am ökonomisch Sinnvollen orientieren und
nicht nur am technisch Machbaren.
(B)

Auch die anstehende siebte Novelle wird sicher nicht
die letzte Überarbeitung des Systems sein. Denn das,
was wir als Nächstes brauchen, ist ein vernünftiges
Wertstoffgesetz. Wir wollen in Zukunft auch die Wertstoffe, die in den Muffinförmchen, Kleiderbügeln, Gummienten und Blumentöpfen stecken, die bisher in der
grauen Tonne landen, in einen Stoffkreislauf überführen,
um wertvolle Rohstoffe und Energie einzusparen.
Die sechste Novelle ist nun die Pflicht, die siebte ist
dringend erforderlich, aber die Kür, da bin ich sicher,
wird ein Wertstoffgesetz sein für mehr Ressourcenschutz
und für mehr Verbraucherfreundlichkeit.
Ralph Lenkert (DIE LINKE): Elf Duale Systeme,
also Betreiberfirmen, kümmern sich um die gelbe Tonne
für Verpackungen. Aber so wie es ist, funktioniert es
nicht.

Die elf Betreiber gingen 2013 davon aus, dass
1,1 Millionen Tonnen Verpackungen in den gelben
Tonnen und Säcken landen, denn darüber schlossen die
Betreiberfirmen Entsorgungsverträge ab. Tatsächlich kamen jedoch 2,4 Millionen Tonnen Verpackungen in den
gelben Tonnen zusammen.
Wie konnte denn das passieren? Ich schaue mal in unsere Runde. Frau Kollegin, haben Sie nicht neulich den
Plastikkleiderbügel, den Sie mit Ihrem neuen Mantel
kauften, in die gelbe Tonne geworfen? Ich kann Sie beruhigen, das war richtig, aber falsch war, dass Sie die

1889

fünf Plastikkleiderbügel von Ikea beim Aufräumen auch (C)
in der gelben Tonne entsorgten – die gehörten in den
Müll. Nur Kleiderbügel, die zusammen mit Kleidungsstücken gekauft wurden, sind Verpackungen – schreibt
die Verpackungsverordnung.
Ein zweites Beispiel:
Wie man weiß, essen viele von uns Männern unterwegs gern mal eine Currywurst – mit Pommes. Aber wohin dann mit der Plastikschale und dem Plastikbesteck?
Die Plastikschale darf in die gelbe Tonne, das Plastikbesteck jedoch nicht, das gehört in den Müll – schreibt
die Verpackungsverordnung.
Aber wenn Sie die Currywurst zu Hause braten und
dann in eine Plastikschale legen, um sie draußen zu essen, dann ist die Plastikschale auch keine Verpackung
und gehört in den Müll und auf keinen Fall in die gelbe
Tonne – schreibt die Verpackungsverordnung.
Haben Sie das Prinzip verstanden, oder wird Ihnen
unwohl? Das zweite wäre normal, nur Mülltrennerinnen
und Mülltrenner mit Diplom sehen noch bei diesen und
noch absurderen Regelungen durch. Ich erinnere an die
Begründung dieser Verpackungsverordnung: EU und
Bundesregierung wollen mehr Klarheit schaffen –
heraus kommt Chaos, aber das ist perfekt. Ich bedanke
mich auch für den zweckdienlichen Hinweis in dieser
Verordnung, dass ein Schiffscontainer keine Verpackung
ist und darum nicht in die gelbe Tonne gehört.
Das Problem liegt woanders. Auch diese Verpa(D)
ckungsverordnung lässt große Lücken. Ein Beispiel:
Ein Möbeldiscounter erklärt, dass er alle Verpackungen selbst einsammelt. Deshalb braucht er keinen
Entsorgungsvertrag mit einem der elf Betreiberfirmen
abzuschließen. Bei ausgelieferten Möbelstücken nehmen
die Monteure Folien, Schaumpolysterol und Luftpolster
mit. Aber die vielen Selbstabholer schaffen die Verpackungen einfach nicht zum Discounter, sondern werfen
alles in die gelbe Tonne. Wer bezahlt das dann? Der Discounter nicht, und die elf Betreiberfirmen streiten sich
dann um jeden Cent bis vor Gericht, und am Ende bleiben Kommunen und kleine Dienstleister auf den Kosten
sitzen. Dieses untaugliche System kann man aus Sicht
der Linken nicht verbessern, man muss es abschaffen.
Die Linke will, dass Verpackungen und Rohstoffe gut
erfasst werden, dass jeder das Sammelsystem auch verstehen kann, dass dieses System Verschwendung bei
Verpackungen bestraft und Recycling unterstützt, dass
Verbraucherinnen und Verbraucher stoffgleiche oder sogar identische Produkte über die gelbe Tonne entsorgen
können. Deshalb will die Linke eine Verpackungsverordnung, die funktioniert.
Erstens: Statt aufwendiger Lizenzierungen werden
Verpackungsabgaben eingeführt – das vermindert den
Betrug.
Zweitens: Statt Scheinwettbewerb zwischen Dualen
Systemen setzen wir auf kommunale Erfassungssysteme –
das spart Doppelstrukturen.

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