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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. M��rz 2014

Christina Kampmann

(A)

ein Asylrecht, das mindestens die Möglichkeit impliziert, dass ein Flüchtling wirklich jemand sein
könnte, der vor etwas geflohen ist.
Das, was sich gerade in und um Syrien abspielt, ist
ohne Zweifel die größte humanitäre Katastrophe dieses
Jahrhunderts. Was einst mit einem friedlichen Protest begann, endet heute in unermesslicher Not. Es ist unsere
politische und menschliche Pflicht, Verantwortung für
die Menschen in Syrien zu übernehmen und uns, ganz
im Sinne von Carolin Emcke, das Bewusstsein dafür zu
bewahren, dass ein Flüchtling ein Mensch ist, „der vor
etwas geflohen ist“. Wenn wir von Syrien reden, dann
geht es dabei um nichts Geringeres als um das eigene
Leben.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin
Andrea Lindholz das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg.
Daniela Kolbe [SPD])
Andrea Lindholz (CDU/CSU):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Die Geschehnisse in der Ukraine und auf
der Krim überschatten die humanitäre Katastrophe in
Syrien. In den deutschen Medien findet der Bürgerkrieg
(B) in Syrien zurzeit kaum noch statt.
(Zuruf von der CDU/CSU: Traurig!)
Doch die Situation in Syrien ist unverändert katastrophal. Hunderttausende Tote hat der Bürgerkrieg gefordert, darunter auch 14 UN-Mitarbeiter und 32 Helfer des
arabischen Roten Halbmondes. Über 40 Prozent der syrischen Krankenhäuser sind nicht mehr funktionsfähig.
Der syrische Staat zerfällt mehr und mehr.
Das Assad-Regime ist heute nur noch eine von insgesamt vier großen Konfliktparteien in Syrien, die sich gegenseitig brutal bekämpfen und die Bevölkerung ins
Elend stürzen. Wir haben es gehört: 9,3 Millionen Syrer
befinden sich auf der Flucht und brauchen dringend humanitäre Hilfe. Wir haben die moralische und humanitäre Verpflichtung, diesen Menschen zu helfen, und genau das tut Deutschland längst wie kaum ein anderes
Land.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Seit 2012 hat die Bundesregierung – wir haben es heute
Abend schon gehört – 483 Millionen Euro für die syrische Flüchtlingshilfe bereitgestellt.
Neben den Hilfskräften gilt auch den Mitarbeitern der
deutschen Botschaften und Konsulate unser Dank; denn
sie alle arbeiten unter schwierigsten Bedingungen und
schaffen die Grundlage für die Asylverfahren, über die
wir heute sprechen. Auch hier hat die Bundesregierung
reagiert und zusätzliches Personal bereitgestellt.

Das große Engagement der Bundesregierung macht (C)
sich auch im Asylbereich bemerkbar. Seit 2011 sind rund
30 000 Syrer nach Deutschland gekommen. Über
1 500 syrische Asylanträge pro Monat werden in
Deutschland registriert. Seit Jahren gilt ein Stopp für die
Abschiebung nach Syrien.
Deutschland bietet im Rahmen von Bundesprogrammen 10 000 Syrern Schutz. Die anderen EU-Staaten stellen bisher zusammen ein Kontingent von gerade einmal
3 900 Plätzen bereit. Wir nehmen also bereits zwei Drittel aller syrischen Flüchtlinge auf. Angesichts dieser
Zahlen wirkt es absurd, wenn die Linke in ihrem Antrag
der Bundesregierung eine „Abschottungspolitik“ vorwirft; das Gegenteil ist der Fall.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Zahl der Asylanträge in Deutschland steigt seit
Jahren, allein im letzten Jahr stieg sie um 70 Prozent.
Deutschland alleine kann diese Flüchtlingskrise nicht lösen.
(Zuruf der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])
Angesichts von 9,3 Millionen syrischen Flüchtlingen
kann deutsches Asyl, Frau Kollegin, nur in begrenztem
Umfang eine Lösung sein. Der tatsächliche Bedarf an
Asyl wird nie zu decken sein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Ansatz der Bundesregierung, den Fokus daher vor
allem auf die Hilfe vor Ort zu richten, die wir weitaus
besser leisten können als die relativ aufwendige Hilfe in
(D)
Deutschland, ist daher richtig.
Letztendlich muss in der Syrien-Krise der gleiche
Grundsatz gelten wie in der Euro-Krise: Deutschland
geht gerne mit gutem Beispiel voran, Deutschland ist solidarisch und hilft, aber auch Deutschlands Stärke ist begrenzt. Es kann nicht sein, dass Deutschland als einziger
EU-Staat substanzielle Verantwortung für die syrischen
Flüchtlinge übernimmt. Während wir 10 000 Flüchtlinge
aufnehmen, nehmen andere europäische Länder zwischen 400 und 500 Syrer auf. Allein 2013 hat das BAMF
127 000 Asylanträge bearbeitet, Tendenz steigend. In
diesem Bereich werden wir mehr Personal zur Verfügung stellen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir brauchen dringend ein gemeinsames europäisches Aufnahmeprogramm. Die Bundesregierung fordert das schon lange. Die Kommission muss endlich aktiv werden und eine Geberkonferenz für Syrien auf EUEbene einberufen. Unsere europäischen Nachbarn müssen mehr Verantwortung für die Opfer dieses schrecklichen Bürgerkrieges übernehmen.
In meinen Augen haben die Anträge der Grünen und
der Linken ihren wesentlichen Zweck erfüllt. Sie haben
Syrien zurück auf unsere Tagesordnung gebracht, und
das begrüße ich ausdrücklich.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Über die Verbesserung der laufenden Aufnahmeverfahren und eine weitere Aufstockung des deutschen

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