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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
Dr. Herlind Gundelach
(A) Die Folgen würden dann aber nicht nur die Braunkohle
betreffen, sondern auch andere Grund- und Rohstoffe
wie Magnesium, Kies, Kaolin und Kalk, auf die unsere
Wirtschaft in hohem Maße angewiesen ist.
Ich möchte an dieser Stelle anmerken: Deutschland
hat völlig zu Unrecht den Ruf, ein rohstoffarmes Land
zu sein; denn drei Viertel unserer benötigten Rohstoffe
fördern wir im eigenen Land. Wir brauchen sie beispielsweise für die Wirtschaftszweige Bau und Verkehr, für
die chemische Industrie und auch für die Landwirtschaft.
Die Konsequenzen einer Unterbindung der heimischen
Rohstoffförderung wären folglich höchst problematisch.
Und vor allem besteht hierzu kein Anlass; denn es gibt
keinen Bedarf für eine Änderung des Bergrechts. Zumindest kann ich im Gegensatz zu Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann haben Sie das Urteil aber nicht
gelesen!)
keinen derartigen Auftrag aus dem von Ihnen angeführten Urteil des Bundesverfassungsgerichts ableiten.
(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie ist das
denn mit Fracking? Wollen Sie da auch nichts
machen?)
– Auf den Punkt kommen wir vielleicht noch zu einem
späteren Zeitpunkt. – Meines Erachtens versuchen Sie
das Urteil so umzudeuten, wie es Ihnen passt. Sie nutzen
es für ein Sammelsurium von zusätzlichen Forderungen.
(B)
Ich möchte deswegen noch einmal etwas genauer auf
dieses Urteil und vor allem auf die ihm zugrundeliegende Klage eingehen. Konkret geht es ja um den
Braunkohletagebau Garzweiler II im Rheinischen
Braunkohlerevier in Köln;
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Der ist nicht in Köln! Der ist bei Köln!)
es ist übrigens der zweitgrößte Tagebau in Europa. Die
dort geförderte Braunkohle ist die Basis für 6 Prozent
der heimischen Stromproduktion.
Bergbau ist standortgebunden und kann daher nicht
beliebig verschoben werden. Das wissen Sie selber. Deshalb ist es manchmal notwendig, das Gemeinwohl über
das Schicksal Einzelner zu stellen. In diesem Fall bedeutete das, dass die Anwohner für die Förderung umgesiedelt werden mussten und dafür finanziell entschädigt
wurden. Ich kenne diese Gegend relativ gut; denn ich
habe dort 40 Jahre gelebt. Deswegen weiß ich aus Erfahrung, dass diejenigen, die umgesiedelt wurden, mit der
Umsiedlung in der Regel sehr zufrieden waren, weil sie
sich nämlich deutlich verbessert haben.
trag. Zum weiteren Verständnis möchte ich noch hinzu- (C)
fügen, dass dieser Fall bereits 2006 vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelt worden war. Dem Kläger
war damals eingeräumt worden, dass bereits bei der Vorhabenzulassung eine Gesamtabwägung aller öffentlichen
und privaten Belange erforderlich sei, die für und gegen
das Vorhaben sprechen, und nicht erst bei der Enteignung. Insoweit, denke ich, war das etwas, was ihm
durchaus entgegenkam.
Mit diesem Urteil wurde dem damaligen Kläger – und
seitdem grundsätzlich allen Bergbaubetroffenen in
Deutschland – Rechtsschutz bereits zum Zeitpunkt der
Vorhabenzulassung gewährt. Somit werden seit 2006 die
Interessen von Anwohnern und Grundstückseigentümern frühzeitig und stärker berücksichtigt als vorher.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wieso mahnt dann das Gericht
eine Neufassung des Gesetzes an?)
Aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts in
2006 wurde der Fall neu eröffnet mit dem Ziel, einen
neuen Rahmenplan aufzustellen. In diesem Verfahren
kam man allerdings – unter Abwägung aller Gründe –
zum gleichen Ergebnis, nämlich dass der Kläger zum
Wohle der Allgemeinheit umgesiedelt werden müsse.
Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich festhalten,
dass ich die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auf rechtzeitige Beteiligung uneingeschränkt gutheiße; denn alles andere ist nicht mehr zeitgemäß. In
Deutschland können und dürfen wir keine Großprojekte
mehr – sei es der Ausbau der Stromnetze, sei es der Bau
(D)
von Flughäfen, Bahnhöfen oder Straßen – ohne weitreichende Information und Beteiligung der Bevölkerung
durchsetzen.
Aufgrund meiner Erfahrung kann ich sagen, dass man
durch umfassende Aufklärung und Information sehr viel
erreichen kann. Folglich bin ich ganz klar für eine fundierte Öffentlichkeitsbeteiligung. Ich denke, darin sind
wir uns wieder einig. In Ihrem Antrag fordern Sie aber
Dinge, die zu einem großen Teil bereits geregelt sind.
Ich möchte auf das Urteil zurückkommen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil explizit die
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von
2006 aufgegriffen und bestätigt; denn wie schon gesagt:
Schon seit 2006 müssen die Interessen der betroffenen
Grundstückseigentümer bereits bei der Rahmenbetriebsplanzulassung im Wege einer umfassenden Gesamtabwägung über § 48 Abs. 2 Satz 1 Bergbaugesetz berücksichtigt werden.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit der Braunkohleplanung?
Da muss auch was geändert werden!)
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da kann ich Ihnen aber was anderes berichten, Kollegin!)
– Nein. Es wird nach den Gepflogenheiten genauso zugelassen, die sowohl im Gesetz als auch im Richterrecht
geregelt worden sind.
Gegen Garzweiler II hatte nun ein Grundstückseigentümer gemeinsam mit dem BUND geklagt und war damit bis vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Auf
der Entscheidung des Gerichts basiert nun auch Ihr An-
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie das Urteil mal! – Annalena
Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Einstufiges Verfahren!)