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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
Dr. Alexander S. Neu
(A) Die kuriose Situation, die ich gerade geschildert habe,
sehr geehrte Damen und Herren, muss dem Bürger und
der Bürgerin deutlich gemacht werden. Daher fordert die
Linke die Sicherstellung der Transparenz, der Kontrolle
und des Entscheidungsmonopols des Deutschen Bundestages bei Auslandseinsätzen.
Gerade wurde ein weiterer Punkt angesprochen: die
Zweidrittelmehrheit, die wir bei Entscheidungen des
Deutschen Bundestages über Auslandseinsätze einfordern. Es kann nicht sein, dass die Entscheidung über
Krieg und Frieden, über Leben und Tod von 30, 40 anwesenden MdBs getroffen wird.
(Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Hallo? Das
ist immer eine namentliche Abstimmung! –
Michael Brand [CDU/CSU]: Das ist doch
schon wieder gelogen! Das ist doch unwahr!)
Es müsste so sein, dass mindestens zwei Drittel der Mitglieder des Deutschen Bundestages anwesend sein und
so die Verantwortung für ihr Tun und Handeln übernehmen müssten.
(B)
müssten dann in den Kampfeinsatz bzw. in den Aus- (C)
landseinsatz.
(Henning Otte [CDU/CSU]: Sie machen eine
Mitlachstrategie!)
Warum? Weil das souveräne Entscheidungsrecht der
Bundesregierung und des Bundestages ausgehebelt und
nach Brüssel verlegt worden ist – und das ausgerechnet
durch die hier anwesenden Parlamentarier.
(Michael Brand [CDU/CSU]: So ein dummes
Zeug!)
Die Entscheidung über Krieg und Frieden, die Entscheidung über Leben und Tod hinge somit von EU- und
NATO-Technokraten ab. Das kann doch nicht Ihr Ernst
sein. Das wollen Sie nicht wirklich.
(Beifall bei der LINKEN – Henning Otte
[CDU/CSU]: Das glauben Sie auch nicht wirklich, was Sie da sagen! – Michael Brand
[CDU/CSU]: Das arrogante Lächeln sagt doch
alles!)
(Michael Brand (CDU/CSU): Das ist doch
eine Diffamierung! Das ist doch unwahr! –
Manfred Grund (CDU/CSU): Wollen Sie sich
korrigieren? Sie haben noch die Möglichkeit!
Nennen Sie doch mal konkrete Zahlen! –
Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Über welche Einsätze wurde hier denn nicht in namentlicher Abstimmung abgestimmt? – Henning
Otte (CDU/CSU): Das war sachlich falsch!)
Die Linke widersetzt sich diesem Abbau des Parlamentsvorbehaltes und fordert stattdessen seine Ausweitung. Ich habe bei meiner letzten Rede schon einige Lücken aufgezählt. Ich wiederhole sie gerne noch einmal.
Nun zum konkreten Problem. Als angebliches Problem deklarieren Sie, das Parlamentsbeteiligungsgesetz
stelle eine Behinderung der Arbeit der integrierten Stäbe
und integrierten Verbände dar. Genannt werden
AWACS-Flugzeuge, Luftbetankung, Lufttransport,
NATO-Hauptquartiere, Führungsstäbe etc. etc. Was
steckt dahinter? Integrierte Stäbe oder integrierte Verbände sind multinational zusammengesetzt. Das heißt,
Franzosen, Deutsche, Briten, Amerikaner etc. arbeiten in
diesen Formationen zusammen.
(Michael Brand [CDU/CSU]: Sie werfen was
durcheinander!)
Die erste Lücke betrifft die Unterrichtungspraxis bezüglich der Einsätze der Spezialkräfte. Es kann nicht
sein, dass von den 631 Abgeordneten gerade einmal 17
darüber informiert werden – halbherzig informiert werden –, ob die SEK M oder die KSK im Einsatz ist.
(D)
Die zweite Lücke ist mir heute Morgen noch einmal
deutlich geworden, als unsere Kanzlerin gesprochen hat.
Es ist das, was man unter die Merkel-Doktrin zu fassen
versteht:
(Lachen des Abg. Manfred Grund [CDU/
CSU])
Wenn nun der Parlamentsvorbehalt zugunsten integrierter Stäbe oder integrierter Verbände eingeschränkt
werden würde, geschähe Folgendes: Wenn die USA,
Frankreich oder Großbritannien mal wieder der Auffassung sind, die Welt vor irgendwelchen Schurken retten
und einen Kampf führen zu müssen,
Ausbildungsmission und Rüstungsexport als strategische
Instrumente neben Kampfeinsätzen einzusetzen. Warum
also keinen Parlamentsvorbehalt für Rüstungsexporte?
Das gilt es anzudenken.
(Michael Brand [CDU/CSU]: Ach, du liebe
Güte! Was für ein Niveau!)
Die dritte Lücke betrifft die Sicherstellung, dass keine
unbemannten Waffensysteme, also Drohnen, zum
Einsatz kommen. Es gibt einen bekannten Spruch der
Friedensbewegung, der hier auf ironische Weise wiederbelebt wird: Stell Dir vor, es ist Krieg, und niemand geht
hin. – Damals ahnte noch keiner, dass es einmal so perverse Mordinstrumente wie Killerdrohnen geben würde.
Um Krieg führen zu können, muss man nicht mehr in
das Einsatzgebiet gehen. Man kann das auch bequem
von zu Hause aus mit dem Joystick handhaben.
die Bundesregierung aber ausnahmsweise nicht mitmachen möchte – siehe den Fall Libyen –, geriete es so,
dass die Bundesregierung unter erheblichem Druck der
USA, Frankreichs oder Großbritanniens stünde, diesen
Einsatz im NATO-Rat oder im Ministerrat der Europäischen Union nicht durch ein Veto zu blockieren. Was
wäre die Konsequenz? Die Konsequenz wäre ein Mitmachautomatismus. Genau das wollen Sie. Die Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten in den integrierten Stäben
und den integrierten Verbänden von EU und NATO
(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das Richtige ist
nicht neu, Herr Neu!)
(Michael Brand [CDU/CSU]: Wie reden Sie
denn über Soldaten?)