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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
Alois Karl
(A) Natürlich ist es so, dass die Städte und Gemeinden in
Deutschland Verbindlichkeiten von etwa 130 Milliarden
Euro haben, dass sie Kassenkredite von mehr als 50 Milliarden Euro haben und dass viele finanziell am Krückstock gehen. Viele Städte und Gemeinden sind Dauergast unter dem finanzpolitischen Sauerstoffzelt. Die
können das nicht oder kaum bewältigen.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Das hat aber Gründe, oder?)
Denen können wir doch keine Vorgaben machen, wie die
Höhe von tarifvertraglichen Abschlüssen aussehen soll.
Die Gemeinden werden sich das auch nicht gefallen
lassen, was Sie hier vorschlagen. In der Bayerischen
Verfassung und in allen anderen Länderverfassungen
steht, dass die Gemeinden ursprüngliche Gebietskörperschaften sind. Noch vor dem Staat, noch vor den Ländern gab es die Gemeinden. Die lassen sich nicht ans
Gängelband nehmen, von Ihnen leiten und irgendwohin
dirigieren. Sie möchten ihre ureigenen Interessen selber
vertreten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben
einen außerordentlich kommunalfreundlichen Haushalt
vorgelegt und werden dies fortführen. Wir werden in den
zehn Jahren von 2010 bis 2020 etwa 80 Milliarden Euro
direkt oder indirekt in die Gemeinden fließen lassen: für
die Kosten der Grundsicherung, die Kosten der Unterbringung und für die Eingliederung der Behinderten. Wir
haben uns in den nächsten vier Jahren des Haushaltens
eine freie Finanzspanne geschaffen. Von den vorgesehe(B) nen 23 Milliarden Euro werden wir 12,5 Milliarden Euro
für die Gemeinden ausgeben; eine unglaublich kommunalfreundliche Seite, die die Große Koalition damit an
den Tag legt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vizepräsident Johannes Singhammer:
Herr Kollege Karl, gestatten Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Hajduk?
Alois Karl (CDU/CSU):
Ja, sehr gerne.
Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Kollege, Sie haben gerade eine
Zahl in den Raum gestellt. Von den 23 Milliarden Euro
würden 12 Milliarden Euro an die Gemeinden fließen.
Alois Karl (CDU/CSU):
12,5 Milliarden.
Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich möchte Sie mit den Zahlen konfrontieren, die mir
Ihr haushaltspolitischer Sprecher gestern im Haushaltsausschuss auf meine Frage hin genannt hat. Es gibt ja
eine Auseinandersetzung um die Frage: Warum fließt eigentlich im Jahr 2014 noch keine Milliarde an die Kommunen? Da hat er uns vorgerechnet, 23 Milliarden Euro
stünden im Koalitionsvertrag, davon seien 20 Milliarden
Euro sehr klar durch bestimmte Maßnahmen belegt und (C)
3 Milliarden Euro würden für die Kommunen bleiben.
Das seien nicht 4 Milliarden Euro, und deswegen sei erst
in den Jahren 2015, 2016 und 2017 jeweils 1 Milliarde
Euro für die Kommunen da. Ist es nicht das Ergebnis einer sehr weiten Interpretation, die anderen maßnahmenbezogenen Mittel jetzt so auf die Gemeinden herunterzurechnen, dass Sie auf die Zahl 12 Milliarden Euro
kommen? Ist das nicht vielleicht auch eine sehr starke
Verschleierung gegenüber der Öffentlichkeit?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der LINKEN)
Alois Karl (CDU/CSU):
Liebe Frau Kollegin Hajduk, entschuldigen Sie bitte:
Ich hatte schon gestern den Verdacht, dass Sie die Antwort, die man Ihnen gegeben hat, nicht ganz verstanden
haben.
(Heiterkeit)
Es ist in der Tat so, dass wir einen Spielraum von
23 Milliarden Euro haben. Heruntergerechnet bedeutet
dies – danach haben Sie schon gestern gefragt –, dass in
den Jahren 2015, 2016 und 2017, sozusagen im Vorgriff
auf die Wiedereingliederung, jeweils 1 Milliarde Euro
gezahlt wird, ab dem Jahr 2018 dann 5 Milliarden Euro,
und zwar in der weiteren Abfolge permanent, laufend.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Das darf dann wieder die nächste
Regierung machen, ja?)
Damit ergibt sich, wenn man andere Punkte hinzunimmt,
eine Summe von insgesamt 12,5 Milliarden Euro. 3 Milliarden Euro und zweimal 5 Milliarden Euro ergeben
13 Milliarden Euro. –
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Welche 5 Milliarden denn überhaupt?)
Ich muss mich korrigieren: Es sind eigentlich nicht
12,5 Milliarden Euro, sondern 13 Milliarden Euro. Wir
können das gerne noch einmal im Haushaltsausschuss
vertiefen; dazu haben wir noch reichlich Gelegenheit.
Trotzdem vielen Dank für die Frage.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen das mit
der Mathematik noch lernen!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Gegensatz zu den Antragstellern habe ich persönlich, haben die
Fraktionen von CDU/CSU und SPD Vertrauen in die
Verhandlungsführer bei den Tarifverhandlungen. Ich
vertraue darauf, dass sich die Arbeitgeber und die Gewerkschaften mit Maß und Respekt begegnen. Wir wissen, was wir an einem guten öffentlichen Dienst haben.
Wir wissen, dass die Leute im öffentlichen Dienst in der
Tat Geld brauchen. Aber ich sage auch: Die Tatsache,
dass wir die Inflationsrate in den letzten Jahren sehr gering gehalten haben – um 1 Prozent herum –, ist eine außerordentliche, hervorragende soziale Leistung, gerade
im Hinblick darauf, dass dadurch insbesondere die
(D)