Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014

1851

Mahmut Özdemir (Duisburg)

(A)

(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]:
Und die Diätenerhöhung?)
bevor wir nicht vorher die unbedingt notwendigen Entlastungen durchgeführt haben.
Ergänzt werden müssen diese Aspekte zusätzlich um
eine Verwaltungsmodernisierung: Zentrale und dezentrale Personalsteuerung, ausgewogene Altersstrukturen
und gewinnbringender Personaleinsatz nach Bedarf
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Und das
alles ohne Geld!)
müssen diesen Bereich attraktiv machen. Das heißt auch,
dass sich die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und
Pflege in einem gerechten Bezahlsystem widerspiegeln
muss.
Die Flexibilität der Tätigkeiten im öffentlichen Dienst
mit Teil- und Vollzeitmodellen und anderen Handlungsmöglichkeiten ist mit Geld überhaupt nicht aufzuwiegen.
Schon jetzt, in seinem derzeitigen Aufgabenprofil, ist
der öffentliche Dienst ein Garant für die Wahrung und
Umsetzung unserer Staats-, Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Gerade deshalb wenden sich die Beschäftigten im öffentlichen Dienst mit einer großen Hingabe auch ihrem Recht auf Mitbestimmung zu.

Diese Art der Mitbestimmung ist für die Sozialdemokraten das Leistungsmerkmal des öffentlichen Dienstes,
das wir schützen und wahren wollen; denn sowohl der
Staat als Arbeitgeber als auch die Untergebenen als Arbeitnehmer sind vereint in dem Streben nach Funktions(B) fähigkeit der öffentlichen Daseinsvorsorge. In diesem
gemeinsamen Ziel verbunden wünsche ich den wahren
Handelnden, die nicht hier im Bundestag sitzen, sondern
am Verhandlungstisch, Besonnenheit, gegenseitige
Wertschätzung, aber auch harte Verhandlungen, damit
die Beschäftigten wieder zurück an ihre Arbeit kehren
können.
Damit danke ich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche allen verhandelnden Kolleginnen und Kollegen in
Potsdam von hier aus ein herzliches Glückauf.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vizepräsident Johannes Singhammer:

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Alois Karl, CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Alois Karl (CDU/CSU):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Heute ist, Herr Präsident, Frühlingsbeginn. Ich habe heute meine Stimme fast verloren, nicht
wegen des Antrags der Linken, sondern wegen grippaler
Einflüsse. Bevor es mir gänzlich die Stimme verschlägt,
Herr Präsident, möchte ich gleich das Ergebnis vorwegnehmen: Wir als CDU/CSU und auch unser Koalitionspartner lehnen den Antrag der Linken ab.
(Beifall bei der CDU/CSU)

Damit komme ich zum Inhalt. In wenigen Wochen (C)
begehen wir einen Geburtstag: Am 23. Mai 1949, also
vor 65 Jahren, ist das Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland in Kraft getreten, mit vielen Freiheitsrechten, unter anderem in Art. 9 Abs. 3 mit dem Recht auf
Koalitionsfreiheit. Das umfasst aber nicht nur das Recht,
eine arbeitsrechtliche Koalition zu begründen, sondern
auch die Betätigungsfreiheit. Die Tarifvertragsparteien
haben davon in den letzten 65 Jahren in außerordentlich
ernster und korrekter Weise Gebrauch gemacht und haben die tariflichen Belange sinnvoll geregelt. Die Tarifvertragsparteien waren immer frei in ihrer Betätigung,
frei von staatlichen Einflüssen, frei von staatlicher Bevormundung und frei in der Gestaltung ihrer Vertragsangelegenheiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sehe in
dem Antrag der Linken – das ist vorhin schon kurz angesprochen worden – das Gegenteil. In diesem soll es auf
eine Reglementierung hinauslaufen.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]:
Nein, auf mehr Geld!)
Das ist für mich völlig indiskutabel. Dazu werden Sie
von uns niemals eine Zustimmung erhalten. Das geht an
der Verfassungswirklichkeit und dem Grundgedanken
der Verfassung vollends vorbei.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es handelt sich dabei meines Erachtens um eine völlig nutzlose Andienerei, um eine plumpe Kumpanei mit
den Tarifvertragsparteien. Aber ich glaube, dass die Gewerkschaften das gar nicht wollen und gar nicht brau- (D)
chen. Im Gegenteil: Unsere Gewerkschaften sind stark.
Sie entscheiden nach eigenem Ermessen, ohne Einflussnahme des Deutschen Bundestages. Bedenken Sie einmal, wie das Gegenteil wirken würde: Was wäre los,
wenn wir im nächsten Jahr beschließen würden: „Die
Bundesregierung wird aufgefordert, keine der gewerkschaftlichen Forderungen zu akzeptieren“? Das wäre genauso wenig bindend wie das, was Sie jetzt fordern.
Meine Damen und Herren, es finden Tarifverhandlungen statt. Es geht um die Löhne und Gehälter von 2 Millionen Beschäftigten von etwa 10 000 Arbeitgebern im
öffentlichen Dienst. Es werden Volumina von 6 Milliarden Euro und schließlich von 8,6 Milliarden Euro verhandelt. Ein Tarifvertrag ist ein Vertrag. Ein Vertrag
sieht Verbindlichkeiten in jegliche Richtung vor. Jemand
muss diese 8,6 Milliarden Euro bezahlen. Das sind zunächst einmal die Verhandlungspartner. Das sind neben
dem Bund die Kommunen. Aber Kommune ist nicht
gleich Kommune; Stadt ist nicht gleich Stadt. Die Stadt
München kann das möglicherweise bezahlen.
(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Neumarkt!)
– Neumarkt zum Beispiel könnte das bezahlen; da hast
du recht. Das könnte ich jetzt gut ausführen. Sollte dazu
eine Zwischenfrage gestellt werden, dann führe ich das
gerne näher aus.
Auch der Speckgürtel um München herum könnte das
bezahlen, das Ruhrgebiet allerdings nicht. Die Zahlen
spiegeln nicht immer die vollständige Wahrheit wider.

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