Nach meiner Auffassung war eine solche Gesprächsaufzeichnung nur bei Rufnummern möglich, bei denen der
Anrufer bzw. die Anruferin fest mit der Aufzeichnung rechnen muss (16. TB Nr. 10.4.1). Diese Auffassung ist
im Hinblick auf Polizeibehörden des Bundes zu präzisieren, auch im Lichte der zwischenzeitlich ergangenen
Rechtsprechung. Denn mit einer Gesprächsaufzeichnung können Anrufer nur bei Notrufnummern fest rechnen.
Dazu zählen aber die Telefonanschlüsse des BKA als Zentralstelle der Polizeibehörden nicht. Daher ist eine zumindest schlüssige Einwilligung der jeweiligen Anruferin bzw. des jeweiligen Anrufers notwendig. Dafür muss
er bzw. sie über die Aufzeichnung informiert sein, z. B. durch eine Bandansage und dann die Gelegenheit haben, zu reagieren. Daran ändert nach meiner Einschätzung die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
nichts. Dieses hat in der Entscheidung zum Abgleich von Fahrzeugkennzeichen entschieden, dass nur dann kein
Grundrechtseingriff vorliegt, wenn Daten unmittelbar nach der Erfassung technisch spurlos, anonym und ohne
die Möglichkeit, einen Personenbezug herzustellen, ausgesondert werden (Urteil vom 11. März 2008, Az.
1 BvR 2074/05). Hier ist der Personenbezug jedoch während des Gesprächs möglich.
Das BKA hat mir zwischenzeitlich mitgeteilt, dass es meine Rechtsauffassung nicht teilt. Die Kenntnisnahme
der nur temporär aufgezeichneten Daten sei technisch ausgeschlossen, weshalb nach der oben genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kein Grundrechtseingriff vorliege. Zudem könne die Zwischenspeicherung hilfsweise auf die Generalklausel in § 32 des BKAG gestützt werden, wonach die Speicherung zur Dokumentation behördlichen Handelns zulässig sei.
Hier bin ich nach wie vor anderer Meinung, weil derartige Aufzeichnungen nicht auf eine allgemeine Rechts grundlage gestützt werden können, die die Dokumentation behördlichen Handelns zum Gegenstand hat.
Schließlich wird hier das gesprochene Wort von Bürgerinnen und Bürgern aufgezeichnet.
Da es an einer bereichsspezifischen gesetzlichen Regelung für die Aufzeichnung von beim BKA eingehenden
Telefongesprächen mangelt, halte ich eine gesetzgeberische Entscheidung für geboten.
5.13.8 Unglaublich - aber wahr! Demonstranten als gewaltbereite Extremisten erfasst
Wie schnell man zu Unrecht in Dateien der Sicherheitsbehörden geraten kann - und warum eine effiziente Datenschutzkontrolle unerlässlich ist.
Seit dem Jahr 2006 dürfen Nachrichtendienste und Polizeibehörden auf der Grundlage des Gemeinsame-Dateien-Gesetzes vom 22. Dezember 2006 - neben der Antiterrordatei (vgl. Nr. 5.2) - auch für bestimmte Projekte gemeinsame Dateien führen.
Gegenstand meiner Kontrolle war eine gemeinsame Projektdatei des BfV und des BKA, die vom BfV geführt
wurde. In ihr sollten ausschließlich gewaltbereite extremistische Personen gespeichert sein.
Dabei musste ich schwerwiegende Rechtsverstöße feststellen. Denn das BfV hatte eine Vielzahl von Personen
gespeichert, die bei einer Anti-Atomkraft-Demonstration lediglich ihr Grundrecht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit ausgeübt hatten. Dies ist rechtswidrig - selbst wenn bei einer derartigen Demonstration einzelne
Personen gewaltbereit gewesen sein sollten. So hat das BfV dann auch im Nachgang zu meiner Kontrolle ausdrücklich eingeräumt, in den von mir festgestellten Fällen hätten die Betroffenen nicht gespeichert werden dürfen. Daher habe man deren Daten bis zum Abschluss meiner Kontrolle sowohl in dieser Projektdatei als auch in
einer weiteren, zentralen Datei der Nachrichtendienste des Bundes und der Länder gesperrt. Nach Abschluss des
Verfahrens werde man diese Daten löschen. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Die Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten durch einen Nachrichtendienst sind schwerwiegende
Grundrechtseingriffe - mit potentiell weit reichenden Folgen für die Betroffenen. Sie sind nur zulässig, wenn
tatsächliche Anhaltspunkte beispielweise dafür bestehen, dass der Betroffene gegen die freiheitlich demokrati -

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BfDI 25. Tätigkeitsbericht 2013-2014

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