Speicherungen, die rein vorsorglich für die Zukunft getroffen werden, unterliegen besonderen Anforderungen.
Solche personenbezogenen Daten kann das BKA nicht aufgrund der gesetzlichen Generalklausel speichern, sondern es muss speziellere Vorgaben beachten (vgl. dazu auch 24. TB Nr. 7.4.4). Will es mehr als nur die sog.
Grunddaten speichern (insb. Name, Geburtsdatum, Tatzeit, Tatort und Tatvorwurf), muss es auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage eine sogenannte Negativprognose aufstellen. Gem. § 8 Absatz 2 BKAG muss es
prognostizieren können, wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Betroffenen oder sonstiger Erkenntnisse bestehe Grund zu der Annahme, dass in Zukunft Strafverfahren gegen den Beschuldigten
oder Tatverdächtigen zu führen seien. Daraus ergibt sich: Ein bloßer fortbestehender Verdacht genügt für die
Speicherung nicht. Das BKA hat für die Prognose keinen Ermessensspielraum. Deshalb ist sie datenschutzrechtlich und gerichtlich voll nachprüfbar.
Die Negativprognose und die ihr zugrunde liegenden Tatsachen müssen dokumentiert werden. Für die von mir
eingesehenen Kriminalakten fehlte jedoch eine solche Dokumentation. Die eingesehenen Kriminalakten enthalten keine Dokumentation darüber, auf welcher Rechtsgrundlage die jeweils verantwortliche Organisationseinheit die Speicherung gestützt hatte und aus welchen tatsächlichen Gründen diese erfolgte. Die Gründe für die
Speicherung konnten zwar im Gespräch mit Hilfe des Aktenrückhalts nachvollziehbar dargelegt werden. Die
fehlende Dokumentation erschwert aber gleichwohl die datenschutzrechtliche Bewertung. Unabhängig von den
geprüften Einzelfällen erhöht sie das Risiko, dass eine Kriminalakte aufgrund fehlerhafter rechtlicher Einschätzungen angelegt wird. Daher sehe ich strukturellen Verbesserungsbedarf.
Neben der Strafverfolgungsvorsorge existiert eine weitere Funktion von Kriminalakten: Unterstützende Ermittlungen des BKA beginnen regelmäßig damit, dass es Meldungen über Sachverhalte erhält, denen es als Zentral stelle des Bundes mit einer konkreten Sachbearbeitung nachgehen muss, ohne selbst die Ermittlungen zu führen.
Dies betrifft etwa Fälle, in denen eine ausländische Polizeibehörde über eine geplante Straftat berichtet oder
darum bittet, dass die Polizeibehörden des Bundes und der Länder sie bei konkreten Ermittlungen unterstützen.
Eine Speicherung muss das BKA in solchen Fällen in der Regel auf die Generalklausel des BKAG zur Daten speicherung stützen, um den Vorgang abarbeiten zu können (§ 7 Abs. 1 BKAG). Anfragen aus dem Ausland
sind oft wenig substantiiert. In diesem Fall bieten sie keinen Spielraum für längerfristige Speicherungen. Zudem
bietet die Generalklausel keine Grundlage für Speicherungen zur Strafverfolgungsvorsorge (vgl. 24. TB
Nr. 7.4.4). Deshalb muss das BKA in diesen Fällen kurze Prüffristen vergeben. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es darüber hinaus, Daten zu Personen, die selbst keinen Anlass für eine Speicherung gegeben
haben, nur mit größter Zurückhaltung zu speichern. Dies betrifft insbesondere Zeugen, Opfer, aber auch Kontakt- und Begleitpersonen, Hinweisgeber etc. Unzulässige Speicherungen habe ich in diesem Zusammenhang
aber nicht vorgefunden.
Im Ergebnis habe ich daher insbesondere zwei Verbesserungen gefordert: Aufgrund der verschiedenen Fallgestaltungen sollte das BKA zu jeder Kriminalakte zum einen dokumentieren, auf welcher Rechtsgrundlage sie
angelegt wird. Davon hängt letztlich ab, welche Voraussetzungen gelten. Für die Vorsorgespeicherung gelten
die strengeren inhaltlichen Vorgaben, für die Speicherung zur Einzelfallbearbeitung als Zentralstelle gelten kürzere Fristen. Ist die Rechtsgrundlage und der Zweck der Speicherung abgesteckt, so ist ggf. eine Negativprognose zu dokumentieren. Dazu sollte bereits in den Dateien „AN“ und „KAN“ technisch eine zwingende Eingabe
der Rechtsgrundlage und der Negativprognose vorgesehen sein, ohne die das Anlegen einer Akte nicht möglich
ist.
Eine Antwort des BKA zu meinem Bericht liegt noch nicht vor.
5.13.2 PIAV - Polizeilicher Informations- und Analyseverbund
Das BKA wird in seiner Funktion als Zentralstelle weiter gestärkt, seine polizeiliche Datenverarbeitung wächst.
Große Systeme führen zwangsläufig zu Fragen, die die Belastbarkeit der bisherigen rechtlichen Regelungen
ausreizen. Wie der geplante Polizeiliche Informations- und Analyseverbund (PIAV).

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BfDI 25. Tätigkeitsbericht 2013-2014

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