schutzrechtliche Verbesserungen mit sich bringen, führt angesichts dieser Kritikpunkte nicht zu einer anderen
Beurteilung insgesamt.
Die Strafprozessordnung erlaubt eine öffentliche Fahndung schon bei dem Verdacht einer „Straftat von erhebli cher Bedeutung“. Diese gesetzlich geregelten Voraussetzungen sind allerdings im Lichte der Verhältnismäßigkeit auszulegen. Das verlangt weitere ungeschriebene Begrenzungen. Deshalb ist stets danach zu differenzieren,
auf welchem Weg die Fahndungsdaten veröffentlicht werden. Dies kann ein nur lokal begrenzter Aushang in
Tatortnähe sein oder aber die weltweit und dauerhaft abrufbare Öffentlichkeitsfahndung in sozialen Netzwerken. In der Praxis der Bundespolizei führte in einem Einzelfall bereits der Verdacht der Fundunterschlagung eines Mobiltelefons zu einer öffentlichen Fahndung im Internet. Informationen, die einmal im Netz sind, lassen
sich nicht wieder zurückholen. Es ist stets damit zu rechnen, dass einmal im Internet publizierte Daten von Dritten kopiert und weiter veröffentlicht werden. Wenn sich später ein Verdacht entkräften lässt, bleibt der Betroffene trotzdem als schon einmal gesuchte Person dauerhaft im Internetgedächtnis. Deshalb dürfte für eine Öffentlichkeitsfahndung im Internet oder in sozialen Netzwerken eine Straftat von erheblicher Bedeutung in der Regel
nicht mehr ausreichen, wenn die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben soll.
„Diskussionsforen“ können den Ruf einer Person ebenfalls nachhaltig beeinträchtigen. Sie gehören daher jedenfalls nicht auf Internetseiten der Strafverfolgungsbehörden. Mit der Kommentierungsfunktion in sozialen Netzwerken stellen die Strafverfolgungsbehörden jedoch ein solches öffentliches Diskussionsforum zur Verfügung.
Als erstes stellt sich hier - wie bei jedem Handeln einer Behörde - die Frage, ob die Maßnahme geeignet und erforderlich ist. Ich vermag nicht zu erkennen, wie eine von den Strafverfolgungsbehörden initiierte öffentliche
Diskussion für die Aufklärung eines Falles überhaupt dienlich sein kann. Allein der Hinweis, auf diese Weise
lasse sich unter Marketingaspekten ein großes Publikum am einfachsten erreichen, genügt nicht.
Aber selbst wenn dieses Mittel geeignet wäre, wäre die Maßnahme jedenfalls nicht erforderlich. Sachdienliche
Hinweise können Zeugen auch ohne öffentliche Diskussion der Strafverfolgungsbehörde mitteilen. Deswegen
kann es auch nicht darauf ankommen, wie stark das öffentliche Forum moderiert oder kontrolliert wird. Denn
ein Hinweis mag auf den ersten Blick als nicht personenbezogen gelten, kann sich aber nach gewisser Zeit aufgrund hinzugekommener Verknüpfungen - etwa durch weitere Leserkommentare - zunehmend auf eine Person
oder einen engeren Personenkreis beziehen (und sei es nur auf eine Personengruppe). Fatal wäre es beispielsweise, wenn Nutzer zunächst sehr abstrakt, dann aber immer weniger abstrakt eine Personengruppe umschreiben, die ohnehin Diskriminierungen ausgesetzt ist. An welcher Stelle dann die Polizei die Reißleine ziehen soll,
bleibt unklar.
Deswegen habe ich erhebliche Bedenken, die Dienstleistungen sozialer Netzwerke für Öffentlichkeitsfahndungen zu nutzen. Die Ermittlungsbehörden sind für die Fahndungsdaten datenschutzrechtlich verantwortlich. Deshalb dürfen sie es nicht unreglementiert einem Drittanbieter überlassen, diese Daten zu verarbeiten. Sie müssen
sich die Einwirkungsmöglichkeiten auf die Daten sichern, insbesondere zur Löschung. Auch müssen sie sicherstellen, dass die Daten auf einem Server im Geltungsbereich deutscher oder europäischer datenschutzrechtlicher
Vorschriften bereitgestellt werden. Hindernisse bei der Weitergabe sind zwar nicht schädlich, gleichwohl technisch fragwürdig und ändern nichts daran, dass die Öffentlichkeitsfahndung nur unter restriktiven Voraussetzungen zugelassen werden darf.
Die 87. Datenschutzkonferenz hat dazu eine Entschließung verabschiedet (vgl. Anlage 8). Diese Entschließung
habe ich ebenso wie meine vorgenannten Bedenken den innen- und rechtspolitischen Sprechern der Fraktionen
des Deutschen Bundestages schriftlich übermittelt.
6.3

Elektronische Akte im Strafverfahren

Die elektronische Akte im Strafverfahren verändert die datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen erheblich
und grundsätzlich und erhöht die Gefahren für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Der vorliegen-

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BfDI 25. Tätigkeitsbericht 2013-2014

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