9.1.5 Unzulässiger Zugriff auf ein kommunales Wohngeldverfahren
Ein kommunaler Träger musste den Mitarbeitern des gemeinsam mit der Agentur für Arbeit geführten Jobcenters den Zugriff auf Daten des städtischen Wohngeldverfahrens wieder entziehen.
Durch den Hinweis eines Landesbeauftragten für den Datenschutz (LfD) wurde ich darauf aufmerksam, dass
Mitarbeiter eines Jobcenters Zugriff auf ein IT-Verfahren des kommunalen Trägers zur Berechnung und Auszahlung von Wohngeld eingeräumt wurde. Ein kurzfristig durchgeführter Kontrollbesuch vor Ort hat die Hinweise bestätigt. Der Zugriff ermöglichte den Jobcenter-Mitarbeitern einen umfassenden automatisierten Abruf
personenbezogener Daten von Wohngeldempfängern, der weit über den für die Bewilligung von SGB II-Leistungen erforderlichen Umfang hinausging. Auf meine Forderung hin wurde den Mitarbeitern des Jobcenters der
unzulässige Zugriff auf das Wohngeldverfahren wieder entzogen.
Öffentliche Stellen i. S. d. § 35 SGB I haben die in § 79 SGB X festgelegten gesetzlichen Voraussetzungen vor
der Einrichtung eines solchen automatisierten Abrufverfahrens zu erfüllen. Die Kommune als datenliefernde
und das Jobcenter als abrufende Stelle hätten ihren jeweils zuständigen Datenschutzkontrollbehörden unter Mitteilung der schriftlichen Festlegungen nach § 79 Absatz 2 SGB X rechtzeitig über die Einrichtung des Abrufverfahrens unterrichten müssen (§ 79 Abs. 3 SGB X). Nur die betroffene Kommune ist ihrer Unterrichtungspflicht
gegenüber dem zuständigen LfD nachgekommen. Das Jobcenter als abrufende Stelle hat die Unterrichtung meiner Behörde unterlassen und somit eine Vorab-Kontrolle der Zulässigkeit dieses Verfahrens unmöglich gemacht. Bereits aus diesem Grund war das Abrufverfahren rechtswidrig.
Auch die weiteren Voraussetzungen eines automatisierten Zugriffs auf Daten des städtischen Wohngeldverfahrens fehlten. Im Sozialrecht gilt der Ersterhebungsgrundsatz. Danach sind Sozialdaten grundsätzlich beim Betroffenen zu erheben (§ 67a Abs. 2 Satz 1 SGB X). Die Datenerhebung über den zusätzlichen Informationszugriff auf das Wohngeldverfahren wäre nur dann datenschutzrechtlich gerechtfertigt gewesen, wenn die Ausnahmetatbestände des § 67a Absatz 2 Satz 2 SGB X vorgelegen hätten. Dies war aber nicht der Fall. Die Datenerhebung bei den Betroffenen verursachte keinen unverhältnismäßigen Aufwand und es konnte nicht ausgeschlossen
werden, dass überwiegende Interessen der Betroffenen beeinträchtigt werden. Die schutzwürdigen Interessen
der Betroffenen an einem Selbst-Nachweis ihrer Kosten für Unterkunft und Heizung haben hier überwogen.
Nur aufgrund der guten Kooperation des Jobcenters und einer sofortigen Einstellung des automatisierten Abrufs
von Wohngelddaten beim kommunalen Träger habe ich von einer Beanstandung abgesehen.
9.1.6 Videoüberwachung in Jobcentern
Ansteigende Gewaltbereitschaft und Sachbeschädigungen an Gebäuden sowie Angriffe auf Mitarbeiter und
Handgreiflichkeiten unter Kunden haben zum stärkeren Einsatz von Videoüberwachungstechnik im Außen- und
Innenbereich von Jobcentern geführt.
In den letzten zwei Jahren haben die Jobcenter verstärkt auf die Videoüberwachungstechnik zum Schutz vor
Übergriffen gegenüber Mitarbeitern und Kunden in den Räumen der Liegenschaften und vor Sachbeschädigungen im oder am Gebäude gesetzt.
Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen richtet sich
nach § 6b BDSG. Die Beobachtung ist danach zulässig, wenn sie zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen
oder zur Wahrung des Hausrechts erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Inter essen Betroffener überwiegen. Schutzwürdige Interessen der Betroffenen sind im besonderen Maße berührt bei
permanenter und lückenloser Überwachung, der sich die Betroffenen nicht entziehen können, der Möglichkeit
einer automatisierten Auswertung der Bilddateien, der Erfassung einer Vielzahl von Personen, die ohne konkre -
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BfDI 25. Tätigkeitsbericht 2013-2014