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Ausschuss für Arbeit und Soziales
Arbeitsverwaltung SGB II
In den Jobcentern konnten in vielen Bereichen Verbesserungen des Datenschutzes und eine höhere Sensibilität
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Umgang mit Sozialdaten erreicht werden. Dennoch gilt es weiterhin,
durch intensive Beratungen und Kontrollen das Datenschutzniveau zu erhalten und weiter zu steigern.
9.1.1 Vorlage von Kontoauszügen durch Verfügungsberechtigte
Jobcenter müssen sorgfältig prüfen, welche Mitwirkung von den Leistungsberechtigten nach Durchführung eines Kontenabrufs verlangt werden darf.
Jobcenter können nach § 93 Absatz 8 Satz 1 Nummer 1 der Abgabenordnung (AO) das Bundeszentralamt für
Steuern (BZSt) um Durchführung eines Kontenabrufs bitten. Das BZSt teilt im Ergebnis dem anfragenden Jobcenter mit, welche Konten der Leistungsberechtigte bei welchen Banken unterhält oder zuletzt unterhalten hat.
Außerdem erhält das Jobcenter Informationen zu Konten Dritter, über die der Leistungsberechtigte verfügungsberechtigt ist. Betroffene haben sich mit der Frage an mich gewandt, ob sie nach Aufforderung ihres Jobcenters
verpflichtet sind, diesem über einen Zeitraum von mehreren Monaten oder Jahren Kontoauszüge von Konten
vorzulegen, über die sie lediglich verfügungsberechtigt sind. Dies betraf hauptsächlich Kontoauszüge von nahen
Angehörigen, in einem Fall allerdings auch die eines Vereins, in dem der Petent Vorstandsmitglied war.
Die geforderte Vorlage der Kontoauszüge durch das Jobcenter war in den von mir geprüften Fällen nicht erfor derlich i. S. d. § 67a Absatz 1 Satz 1 SGB X und verstieß insbesondere gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Eine solche Erhebung der Kontoauszüge kann nur dann ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn der
konkrete Verdacht eines Leistungsmissbrauchs vorliegt. Besteht ein solcher Verdacht nicht, sind Kontoauszüge
von Konten Dritter regelmäßig nicht geeignet, die Hilfebedürftigkeit eines Leistungsberechtigten zu prüfen. Die
Auszüge enthalten im Wesentlichen Angaben zum Kontensaldo sowie zu den getätigten Umsätzen. Angaben
zur Person, die den Geschäftsvorgang ausgelöst hat, ergeben sich aus ihnen nicht. Somit kann nicht geprüft wer den, ob die Buchung vom Kontoinhaber selbst oder vom Verfügungsberechtigten vorgenommen wurde. In den
von mir untersuchten Fällen konnten die betroffenen Jobcenter keine belastbaren Verdachtsmomente dafür vorbringen, die jeweiligen Leistungsempfänger hätten zum Zwecke des Leistungsmissbrauchs Gebrauch von den
ihnen eingeräumten Verfügungsberechtigungen gemacht.
Die beabsichtigte Erhebung von Kontoauszügen über Konten Dritter war in den geprüften Fällen auch nicht an gemessen. Das Jobcenter hätte dadurch einen nicht unerheblichen Einblick in die private Lebensführung der
Dritten oder in geschäftliche Aktivitäten juristischer Personen hinsichtlich des Ausgabeverhaltens, vorhandener
Einkommenspositionen und Vermögenswerte erhalten, obwohl diese Dritten in keinem Bezug zum Jobcenter
standen.
Weiter verstieß das Vorgehen auch gegen den Grundsatz der Datenerhebung beim Betroffenen. Betroffene sind
hier die jeweiligen Kontoinhaber, denn bei den Angaben auf den Kontoauszügen handelt es sich um Einzelangaben über ihre persönlichen und sachlichen Verhältnisse bzw. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Selbst wenn
Leistungsberechtigte im Rahmen ihrer Verfügungsberechtigung den gleichen Zugriff auf die Kontoauszüge haben wie die Kontoinhaber selbst, bleiben sie bei diesem Erhebungsvorgang datenschutzrechtlich Dritte (§ 67
Abs. 10 Satz 2 und 3 SGB X), soweit von ihnen die Vorlage der Kontoauszüge verlangt wird. Eine Rechtsgrundlage für die Abweichung vom Grundsatz der Datenerhebung beim Betroffenen (§ 67a Abs. 2 Satz 2
SGB X) lag in den von mir geprüften Fällen nicht vor.
BfDI 25. Tätigkeitsbericht 2013-2014
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