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Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Verbandsklagerecht bei Datenschutzverstößen
Die vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgeschlagene Stärkung der Verbandsrechte bei Verstößen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen nach dem Unterlassungsklagengesetz ist angesichts der staatlichen Datenschutzaufsicht nicht erforderlich und darf nicht zu deren Schwächung führen.
Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, sollen Verbraucherverbände künftig datenschutzrechtliche Verstöße abmahnen und Unterlassungsklage erheben können. Der im Juni 2014 vom Bundesministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz vorgelegte Entwurf eines „Gesetzes zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von
verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts“ sieht hierzu eine Erweiterung des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) vor. Datenschutzrechtliche Vorschriften, die die Datenverarbeitung personenbezogener
Daten eines Verbrauchers durch einen Unternehmer betreffen, sollen künftig als Verbraucherschutzgesetze im
Sinne des UKlaG gelten. Ein datenschutzwidriger Umgang mit „Verbraucherdaten“ berechtigt Verbraucherverbände und andere anspruchsberechtigte Stellen wie Wirtschaftsverbände und Industrie- und Handelskammern,
Unternehmen kostenpflichtig abzumahnen und gegebenenfalls Unterlassungsklage vor den Zivilgerichten zu erheben.
So sehr ich Initiativen zur Stärkung des Datenschutzes begrüße, halte ich doch die Erweiterung zivilrechtlicher
Verbandsrechte auf datenschutzrechtliche Verstöße für problematisch. Schon von seiner Konzeption her ist das
Datenschutzrecht kein Verbraucherschutzrecht. Im Gegensatz zum Verbraucherschutz schützt der Datenschutz
nicht die wirtschaftliche Handlungs- und Entscheidungsfreiheit von Verbrauchern, sondern die informationelle
Handlungs- und Entscheidungsfreiheit in Ausübung des (Grund-)Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.
Wo es um die Verarbeitung von „Verbraucherdaten“ geht, entfaltet das Datenschutzrecht zwar mittelbar verbraucherschützende Funktion, diese ist aber eine Nebenfolge und nicht eigentliches Regelungsziel des Daten schutzes. Diese auch in der Rechtsprechung anerkannten unterschiedlichen Zielrichtungen von Daten- und Verbraucherschutz negiert der Gesetzentwurf durch eine gesetzliche Fiktion, mit welcher die datenschutzrechtlichen Vorschriften kurzerhand zu Verbraucherschutzvorschriften gemacht werden.
Bedeutsamer ist jedoch, dass über die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften unabhängige staatli che Datenschutzbehörden wachen, an die sich jedermann unentgeltlich mit einer Beschwerde wenden kann. Im
Gegensatz zu den Verbänden nach dem UKlaG verfügen die Datenschutzbehörden über umfassende Ermittlungs- und Sanktionsbefugnisse. Den Aufsichtsbehörden der Länder stehen weitgehende Auskunfts-, Einsichtsund Prüfungsrechte sowie Anordnungs- und Untersagungsbefugnisse gegenüber den Daten verarbeitenden Stellen zu. In den ganz überwiegenden Fällen sind die Aufsichtsbehörden zuständige Bußgeldbehörden und strafantragsbefugt. Das verwaltungsbehördliche Instrumentarium ist für eine effektive Rechtsdurchsetzung notwendig,
aber auch ausreichend.
Zwingend erforderlich sind die Verbandsrechte bei datenschutzrechtlichen Verstößen daher nicht - im Gegenteil
birgt die geplante Parallelstruktur zivil- und verwaltungsrechtlicher Rechtsdurchsetzung Nachteile.
Zum einen besteht die Gefahr der Schwächung der behördlichen Datenschutzaufsicht, die nach den Vorgaben
der europäischen Datenschutzrichtlinie 95/46/EG institutionell über die Einhaltung der datenschutzrechtlichen
Vorschriften durch Behörden und Unternehmen zu wachen hat. Viele Unternehmen - aus meinem Zuständigkeitsbereich vor allem die Telekommunikationsbranche - nehmen bereits im Vorfeld Kontakt zu den Datenschutzbehörden auf, um ihre Verfahren und Geschäftsideen rechtssicher datenschutzkonform auszugestalten.
Der gesetzlich vorgesehene Beratungsauftrag der Aufsichtsbehörden (§ 38 Abs. 1 Satz 2 BDSG) würde erheblich geschwächt, wenn Vereinbarungen, die aus Sicht der Aufsichtsbehörden ein ausreichendes Datenschutzniveau gewährleisten, durch Abmahnungen und Verbandsklagen im Nachhinein in Frage gestellt würden. Unternehmen, die davon ausgehen müssen, ihre Verfahren würden ohnehin über das UKlaG einer gerichtlichen Prü-
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BfDI 25. Tätigkeitsbericht 2013-2014