Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 15 –
Drucksache 18/12585
Das BAMF führte AMRIs Asylverfahren in Abstimmung mit den Sicherheitsbehörden innerhalb eines Monats
nach Antragsstellung durch. Anlass für die beschleunigte Bearbeitung waren die Anhaltspunkte für Anschlagsplanungen AMRIs, auch wenn diese im Ergebnis als eher auszuschließen bewertet wurden. Am 28. April 2016
erschien AMRI nach Ladung beim BAMF, stellte seinen Asylantrag, wurde erneut erkennungsdienstlich behandelt und erstbefragt. Die Anhörung AMRIs erfolgte am 17. Mai 2016. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016, der am
11. Juni 2016 bestandskräftig wurde, wurde der Asylantrag in allen rechtlichen Gesichtspunkten (u. a. auch
Flüchtlingseigenschaft, subsidiärer Schutz etc.) abgelehnt und AMRI zur Ausreise aufgefordert sowie die Abschiebung angedroht.
Für den Vollzug der Abschiebung AMRIs waren die Ausländerbehörden in Nordrhein-Westfalen zuständig. Bei
Stellung des Asylantrags war noch die Ausländerbehörde in Oberhausen zuständig. Nachdem die Ausländerbehörde in Kleve als erste in Nordrhein-Westfalen mit AMRI befasst war, wies das Innenministerium NordrheinWestfalen den Fall erneut Kleve zu. Hieraus ergab sich die Zuständigkeit der Ausländerbehörde in Kleve für eine
mögliche Antragstellung zur Sicherungshaft gem. § 62 Absatz 3 AufenthG, als AMRI am 30. Juli 2016 bei dem
o. a. Ausreiseversuch Richtung Schweiz festgenommen wurde. Nach Rücksprache mit dem Innenministerium
Nordrhein-Westfalen erfolgte keine Antragstellung auf Sicherungshaft, weshalb AMRI am Folgetag aus der JVA
Ravensburg entlassen wurde.
Die AG Status des GTAZ (am 19./20. Juli und am 28. September 2016) und die Sicherheitskonferenz NordrheinWestfalen behandelten mehrfach AMRI als dringlichen Abschiebefall. Mit Schreiben vom 25. August 2016 beantragte die zuständige Zentrale Ausländerbehörde Köln beim tunesischen Generalkonsulat die Ausstellung von
Passersatzpapieren für AMRI. In diesem Zuge wurden auch die in der JVA Ravensburg erstmalig genommenen
Handflächenabdrücke AMRIs übermittelt. Die mögliche und zweimal angebotene Unterstützung der Bundesbehörden bei auftretenden Schwierigkeiten bei Beschaffung der PEP wurde nicht in Anspruch genommen. Am
16. August 2016 erteilte die Ausländerbehörde in Kleve AMRI (unter dem Aliasnamen ALMASRI) eine bis zum
15. September 2016 befristete Duldungsbescheinigung.
Die Ausländerbehörde Kleve veranlasste eine mehrfache, jedoch erfolglose polizeiliche Nachschau der Anwesenheit AMRIs in Emmerich. Ohne Ergebnis blieb auch die Bitte an Mitarbeiter der Einrichtung, ein Erscheinen
AMRIs der Polizei mitzuteilen. Nach der ersten erfolglosen Nachschau am 10. Oktober 2016 erwirkte das Polizeipräsidium Kleve einen Beschluss zur polizeilichen Fahndung nach AMRI und schrieb ihn mit dem Zusatz
„foreign fighter“ in den polizeilichen Informationssystemen aus. Eine gezielte Personenfahndung war weder in
Berlin noch in Nordrhein-Westfalen feststellbar.
Am 20. Oktober 2016 lehnte das tunesische Generalkonsulat die Ausstellung von Passersatzpapieren für AMRI
ab, nachdem er nicht als tunesischer Staatsangehöriger identifiziert werden konnte. Am 24. Oktober 2016 teilte
das BKA die Bestätigung durch Interpol Tunis mit, dass AMRI tunesischer Staatsangehöriger sei – die tunesischen
Behörden sagten die Übermittlung einer Kopie der Geburtsurkunde zu. Unter Hinweis auf diese Mitteilung beantragte die Zentrale Ausländerbehörde Köln am 27. Oktober 2016 erneut PEP beim tunesischen Generalkonsulat.
Nach dem Anschlag am 21. Dezember 2016 erhielt die Zentralen Ausländerbehörde in Köln per Telefax die Zusage des Generalkonsulats, entsprechende Papiere ausstellen zu wollen.
Die Ausländerbehörden in Nordrhein-Westfalen trafen keine weiteren aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen, wie
Meldeauflagen oder Beschränkungen des Aufenthaltsbereichs. Auch nachdem das BKA im Oktober 2016 die
Identifizierung AMRIs durch tunesische Behörden mitteilte, wurde kein Antrag auf Sicherungshaft gestellt.
Von den Instrumenten des Ausländerrechts machten die örtlichen Ausländerbehörden letztlich nur unzureichend Gebrauch. So hätte auch vor der Identifizierung ein Antrag auf Abschiebehaft zumindest gestellt
werden können, zumal AMRI selbst durch seine Identitätstäuschungen die Beschaffung von Passersatzpapieren erschwert hat. Dies hätte zum Beispiel im Zusammenhang mit der vorläufigen Sicherungshaft nach
dem Ausreiseversuch in Richtung Schweiz geschehen können. Nachdem Tunesien die Staatsangehörigkeit
AMRIs am 24. Oktober 2016 bestätigt hatte, wäre die Stellung eines Antrages auf Abschiebehaft angezeigt
gewesen, da die Beschaffung der Passersatzpapiere absehbar war. Die derzeitigen Mechanismen der Information der kommunalen Ausländerbehörden über Gefährder, Entscheidungsverantwortung und Kompetenzen sowie die entsprechenden Zusammenarbeitsformen mit den Sicherheitsbehörden sind für Gefährdungslagen dieser Dimension nicht ausreichend.