Drucksache 18/12585

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Im September und Oktober 2016 erreichten den BND mehrere Erkenntnisanfragen des marokkanischen Dienstes.
Die Anfragen gingen parallel an das BKA. In den Erkenntnisanfragen teilte der marokkanische Dienst u. a. mit,
dass AMRI IS-Sympathisant und Internet-Aktivist sei und bat um Informationen zu dessen vollständiger Identität,
seinen Aktivitäten und Kontakten im radikal-islamistischen Umfeld. Das parallel angeschriebene BKA beantwortete dem marokkanischen Dienst dessen Anfragen auch mit dem Verweis, dass AMRI als Gefährder geführt wird
und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Dem BND lagen nur polizeiliche Erkenntnisse vor, weshalb er
dem marokkanischen Dienst antwortete, dass er keine nachrichtendienstlichen Informationen zu AMRI habe.
Der BND nahm den marokkanischen Hinweis auf AMRIs Internet-Aktivitäten zum Anlass für eine Internetrecherche: Die Sichtung des Online-Profils von AMRI in einem Sozialen Netzwerk erbrachte eine Bestätigung
dessen islamistischen Interesses.
Nach dem Anschlag prüfte der BND eine Verlautbarung einer einschlägigen islamistischen Medienorganisation
und fragte wichtige ausländische Nachrichtendienste zu dort vorliegenden Erkenntnissen zu AMRI an. Am
21. Dezember 2016 kam der BND zu der Bewertung, dass es „[im] Vorfeld des Anschlages in Berlin […] keinen
nachrichtendienstlichen Hinweis auf ein entsprechendes zentral durch IS gesteuertes Anschlagsvorhaben [gab].“
Der BND war im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeit nur für auslandsbezogene Sachverhalte im Zusammenhang mit AMRI zuständig. Anhaltspunkte, dass AMRI vom BND als Quelle oder für andere Formen der
Kooperation geworben wurde oder dass es Überlegungen für ein solches Vorgehen gab, finden sich nicht.
Der BND wurde nicht mit allen auslandsbezogenen Sachverhalten zu AMRI befasst, weshalb Informationsmöglichkeiten ungenutzt blieben. Er ist in Zukunft stärker bei Auslandsbezügen in Zusammenhang mit
Gefährdern einzubeziehen, insbesondere von den verfahrensleitenden Behörden.
VII.

Exkurs: Rechtliche Behandlung AMRIs

a)

Ausländerrechtliche Behandlung

AMRI erhielt unter verschiedenen Identitäten – soweit bekannt – neun Bescheinigungen über die Meldung als
Asylsuchender (BüMA). Die BüMA ist ein Identitätsdokument und weist nach, dass sich der Inhaber in Deutschland befindet, um einen Asylantrag zu stellen, aber sich noch nicht im Asylverfahren befindet. Nach dem Erhalt
einer BüMA müssen sich die Asylbewerber unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche bei der in der BüMA
genannten Aufnahmeeinrichtung melden. Ab der Registrierung und der Ausstellung der BüMA haben die Betroffenen Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Seit dem Februar 2016
wird die BüMA schrittweise durch den Ankunftsnachweis ersetzt.
Nach der Einreise in das Bundesgebiet meldete sich AMRI am 6. Juli 2015 beim Polizeirevier Freiburg-Nord
unter dem Namen AMIR als Asylsuchender und wurde erkennungsdienstlich behandelt sowie in den polizeilichen
Datensystemen erfasst. In Karlsruhe erhielt er seine erste BüMA auf den Namen AMIR am 22. Juli 2015. In Berlin
wurde AMRI am 28. Juli 2015 abermals erkennungsdienstlich behandelt und ihm unter der Aliaspersonalie
HASSAN eine weitere BüMA ausgestellt, die ihn nach Dortmund verwies. Dort erhielt er am 3. August 2015
unter der Aliaspersonalie HASSA eine weitere BüMA. Nach mehreren Zwischenaufenthalten in zentralen Aufnahmeeinrichtungen wurde er schließlich der Stadt Emmerich zugewiesen und dort ab dem 13. August 2015 in
einer kommunalen Einrichtung untergebracht. AMRI meldete sich einige Zeit später erneut in Berlin unter der
Aliaspersonalie ZAGH(L)OUL als Asylsuchender und erhielt eine weitere BüMA. Am 1. Oktober 2015 erhielt er
dort einen Behandlungsschein für einen Arztbesuch. Am 28. Oktober 2015 suchte AMRI die Zentrale Ausländerbehörde in Dortmund auf und erhielt eine weitere BüMA unter der Aliaspersonalie ALMASRI. Unter diesem
Namen meldete er sich schließlich auch in Münster und erhielt dort die nunmehr sechste BüMA. Hierbei wurde
AMRI schließlich der Stadt Oberhausen zugewiesen, wo er bis 18. Mai 2016 gemeldet war und Sozialleistungen
erhielt. Nur wenige Tage später am 11. November 2015 meldete sich AMRI unter den Aliasnamen ZARZOUR
in Berlin und erhielt eine weitere BüMA, die ihn nach Hamburg verwies. Dort erhielt AMRI am 22. Februar 2016
unter dem Alias ZARZOUR eine weitere BüMA. Schließlich erhielt AMRI am 29. März 2016 wieder unter den
Aliasnamen ALMASRI eine sog. „Zweit-BüMA“. Insgesamt wurden AMRI unter im Wesentlichen fünf Aliaspersonalien neun BüMA erteilt, die Grundlage für den Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz boten.

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