cc) Unter Berücksichtigung seines gleichwohl erhöhten Eingriffsgewichts erfüllt §
113 Abs. 1 Satz 3 TKG die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgebot ergebenden Anforderungen an eine hinreichende Begrenzung der Verwendungszwecke für die zu
beauskunftenden Daten nicht.

174

(1) Soweit für die Zuordnung von IP-Adressen nicht nur auf die nach § 96 TKG erhobenen, sondern auch auf vorsorglich gespeicherte Verkehrsdaten zurückgegriffen
werden darf, müssen verfassungsrechtlich zwar nicht die für die unmittelbare Verwendung der Gesamtheit der vorsorglich gespeicherten Verkehrsdaten geltenden
besonders strengen Voraussetzungen gegeben sein (vgl. BVerfGE 125, 260 <340>).
Dem erhöhten Eingriffsgewicht muss gleichwohl durch hinreichend begrenzte Verwendungszwecke Rechnung getragen werden. Erforderlich sind grundsätzlich die
Reichweite des § 113 Abs. 1 Satz 3 TKG näher begrenzende Eingriffsschwellen sowie eine Beschränkung auf den Schutz oder die Bewehrung von Rechtsgütern von
hervorgehobenem Gewicht.

175

(a) Die Zuordnung dynamischer IP-Adressen bedarf - wie die allgemeine Bestandsdatenauskunft - begrenzender Eingriffsschwellen, die sicherstellen, dass Auskünfte
nicht ins Blaue hinein eingeholt werden können. Erforderlich sind daher grundsätzlich
qualifizierte Eingriffsschwellen, die einen Anfangsverdacht oder eine konkrete Gefahr
auf einzelfallbezogener Tatsachenbasis voraussetzen. Letzteres gilt für die Nachrichtendienste ebenso wie für alle zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit
und Ordnung zuständigen Behörden (vgl. BVerfGE 125, 260 <343 f.>).

176

(b) Zu den Anforderungen des Übermaßverbots gehört es zudem, dass die in § 113
Abs. 1 Satz 3 TKG eröffnete Bestandsdatenauskunft durch einen im Verhältnis zum
Grundrechtseingriff hinreichend gewichtigen Rechtsgüterschutz gerechtfertigt sein
muss. Zwar bedarf es hier grundsätzlich keiner begrenzenden Rechtsgüter- oder
Straftatenkataloge. Das maßgeblich aufgrund Art, Umfang und Verwendungsmöglichkeiten der verarbeiteten Daten erhöhte Eingriffsgewicht der Zuordnung von IPAdressen erlaubt es indessen nicht, diese allgemein und uneingeschränkt auch zur
Abwehr jeglicher Gefahren sowie zur Verfolgung oder Verhinderung jedweder Ordnungswidrigkeiten zuzulassen. Auch unter Berücksichtigung des gesteigerten Interesses an der Möglichkeit, Kommunikationsverbindungen im Internet zum Rechtsgüterschutz oder zur Wahrung der Rechtsordnung dem jeweiligen Akteur zuordnen zu
können und der angesichts der zunehmenden Bedeutung des Internets für die verschiedenartigen Bereiche des täglichen Lebens erhöhten Gefahr seiner Nutzung für
Straftaten und Rechtverletzungen vielfältiger Art, bedarf die Aufhebung der Anonymität des Internets zumindest einer Rechtsgutbeeinträchtigung, der von der Rechtsordnung auch sonst ein hervorgehobenes Gewicht beigemessen wird. Dies schließt
Auskünfte zur Verfolgung oder Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten nicht vollständig aus. Es muss sich insoweit aber um - auch im Einzelfall - besonders gewichtige Ordnungswidrigkeiten handeln, die der Gesetzgeber zudem ausdrücklich benennen muss (vgl. BVerfGE 125, 260 <344>). Im Bereich der Gefahrenabwehr kann
dementsprechend nicht jede Gefahr für ein Schutzgut als Eingriffsschwelle genügen

177

65/92

Select target paragraph3