Drucksache 17/13000

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Zu meinen Erwartungen an die bDSB gehört die uneingeschränkte Wahrnehmung ihrer internen Kontrollbefugnis.
Hierunter fällt u. a. die Durchführung von Stichproben
bei der Verarbeitung der elektronisch und in Akten gespeicherten Sozialdaten und die Prüfung der datenschutzgerechten Ausgestaltung in den Kundenbereichen (Eingangsbereiche und Mitarbeiterbüros). Zu ihren Aufgaben
im Jobcenter zählen ebenso Schulungen, insbesondere für
neue Mitarbeiter (§ 4g Absatz 1 Satz 4 Nummer 2
BDSG).
Gerade in der Anfangsphase konnte ich noch viele Unsicherheiten beim Datenschutz feststellen. So wurden zahlreiche Anfragen von bDSB zu unterschiedlichen Datenschutzsachverhalten von mir beantwortet.
12.1.1.3 Nicht nur die Kunden der Jobcenter
haben Mitwirkungspflichten
Nicht alle Jobcenter unterstützten mich bei meiner Kontrolltätigkeit im Rahmen der Eingabenbearbeitung.
Jedermann, der sich mit einer Eingabe an mich wendet
(§ 81 Absatz 1 Nummer 1 SGB X), darf auf eine umfassende und objektive Prüfung seiner Angelegenheit vertrauen. Dazu gehört, dem von der Beschwerde betroffenen Jobcenter die Möglichkeit zur Stellungnahme und zur
Darlegung der Sach- und Rechtslage einzuräumen. Die
Verpflichtung des Jobcenters, mich bei der Erfüllung meiner Aufgaben umfassend zu unterstützen, hat der Gesetzgeber in § 50 Absatz 4 Satz 3 SGB II i. V. m. § 24 Absatz 4 BDSG normiert.
Leider ist das Interesse einiger Jobcenter an der Aufklärung eines Sachverhalts merklich geringer als das der betroffenen Petenten. Wenn einzelne Jobcenter grundsätzlich erst auf meine Erinnerungsschreiben oder sogar erst
nach Androhung einer Beanstandung gemäß § 25 BDSG
reagiert haben, wurde der Datenschutz dort noch nicht als
Grundrecht der Bürger begriffen. Aufgrund meiner Hinweise wurde der bislang mangelnden Kooperationsbereitschaft aber entweder durch Wechsel in der Person des behördlichen Datenschutzbeauftragten oder durch deren
hinreichende Entlastung inzwischen abgeholfen.
Ich erwarte, dass künftig alle meiner Kontrollzuständigkeit unterliegenden Einrichtungen ihren Unterstützungspflichten mit der gebotenen Sorgfalt und in angemessener
Zeit nachkommen. Diese Forderung werde ich auch weiterhin gegenüber allen Jobcentern durchsetzen.
12.1.2 Neues Leistungsgewährungsverfahren
der Bundesagentur für Arbeit:
„ALLEGRO“ soll „A2LL“ ablösen
Wiederholt musste ich über datenschutzrechtliche Mängel
des von der BA zentral verwalteten Erhebungs- und Leistungssystems „A2LL“ berichten (vgl. 22. TB Nr. 16.6).
Inzwischen hat die BA mit der Entwicklung eines neuen
IT-Verfahrens „ALLEGRO“ (ALg II LEistungsverfahren
GRundsicherung Online) begonnen.
Die BA hat mir das neue Verfahren „ALLEGRO“ im
April 2012 erstmals vorgestellt. Dabei konnte ich mich

BfDI 24. Tätigkeitsbericht 2011-2012

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

über die neuen Funktionalitäten, die Schnittstellen zu anderen zentralen Verfahren der BA, die Datenmigration
und die weiteren Projektschritte bis zur geplanten Einführung in den Jobcentern (voraussichtlich Ende 2013) unterrichten. Bei dieser Gelegenheit habe ich meine datenschutzrechtlichen Erwartungen an das neue Verfahren
deutlich gemacht. Dazu gehören umfassende Protokollierungsfunktionen, ein Berechtigungskonzept, das sich an
den Tätigkeits- und Kompetenzprofilen für Mitarbeiter
im SGB II-Bereich orientiert, individuelle Löschfunktionalitäten, die sich nach den gesetzlichen Speicherfristen
bestimmen, und eine verbindliche Arbeitshilfe, die als
Dienstanweisung sicherstellen muss, dass in Freitextfeldern nur die erforderlichen Daten eingetragen werden.
Ich sehe es positiv, dass keine Datenmigration aus
„A2LL“ nach „ALLEGRO“ vorgesehen ist und bei jedem
Neu- oder Weiterbewilligungsantrag die notwendigen
Daten nur in das neue Verfahren eingegeben werden.
Gleichzeitig wird der Leistungsfall im alten Verfahren
„A2LL“ eingestellt und die Daten können nach einer
Übergangsfrist gelöscht werden. Damit ist sichergestellt,
dass keine Übernahme von – teilweise datenschutzrechtlich problematischen – Altdaten in „ALLEGRO“ erfolgt.
Die BA hat zugesagt, mich fortlaufend bei der weiteren
Entwicklung des IT-Verfahrens „ALLEGRO“ zu beteiligen und meine Anregungen aufzunehmen.
12.1.3 Einzelfälle
Im Berichtszeitraum haben mich zahlreiche Eingaben von
Bürgerinnen und Bürgern erreicht, denen ich nachgegangen bin.
12.1.3.1 Hausbesuch mit Erfassung des
Wohnungsinventars aufgrund einer
anonymen Anzeige
Häufig haben sich Betroffene an mich gewandt, weil Mitarbeiter des Jobcenters im Außendienst (§ 6 Absatz 1
Satz 2, 2. Halbsatz SGB II) Hausbesuche durchgeführt
haben.
In einem Einzelfall hat sich eine Leistungsberechtigte bei
mir über einen unangekündigten Hausbesuch beschwert.
Anlass war eine anonym beim Jobcenter eingegangene
Anzeige, die Petentin würde sich nur sporadisch in ihrer
Wohnung aufhalten. Während der Außendienst den von
der Petentin vorgetragenen Indizien für ihre regelmäßige
Nutzung der Wohnung wenig Beachtung schenkte, protokollierte er umso gewissenhafter die gesamte in der Wohnung vorhandene Einrichtung in einer Inventarliste. Im
Schriftwechsel zwischen der Petentin und dem Jobcenter
gab dieses später an, die Inventarliste als vorsorgliche
Maßnahme bei eventuell späteren Anträgen auf finanzielle Leistungen für Einrichtungsgegenstände gefertigt
zu haben.
Mit der Durchführung des unangekündigten Hausbesuchs
sowie der Erhebung und Speicherung des Wohnungsinventars in einer Liste hat das Jobcenter gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen. Bereits der
Hausbesuch stellte einen unverhältnismäßigen Eingriff in

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