Drucksache 17/13000

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Aus der Feststellung des Bundessozialgerichts, der Gutachtenbegriff sei eng auszulegen, zieht die BGHW – wie
auch andere Berufsgenossenschaften – den Schluss, dass
immer dann eine beratungsärztliche Stellungnahme vorliegt, wenn eine Auseinandersetzung mit einem Gerichtsgutachten, Gutachten, bzw. zu einer in der Akte
vorliegenden anderweitigen Beurteilung bezüglich der
Schlüssigkeit, der Überzeugungskraft und der Beurteilungsgrundlage eingeholt werden soll. Auch Äußerungen
zum Ursachenzusammenhang und die Erarbeitung prozessual verwertbarer Einwendungen können danach zu
beratungsärztlichen Stellungnahmen zählen. Allein die
Formulierung des Auftrags durch den Sachbearbeiter der
Berufsgenossenschaft an den beratenden Arzt soll darüber entscheiden, ob der Versicherte die in § 200 Absatz 2 SGB VII genannten Rechte erhält und von seinem
Mitwirkungsrecht Gebrauch machen kann. Dies ist nicht
im Sinne des gesetzlich vorgesehenen Gutachterwahlrechts für den Betroffenen.
Sofern die Berufsgenossenschaft nach Prüfung dieser diffusen Kriterien zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Gutachten von einem von der Berufsgenossenschaft bestimmten Sachverständigen nicht einzuholen sei, sondern
ein Gutachten von einem beratenden Arzt ausreichend
sei, wird die Anwendung von § 200 Absatz 2 SGB VII
vor Erteilung des Gutachtenauftrags verneint. Da der beratende Arzt aufgrund der vertraglichen Bindungen wie
ein Mitarbeiter des Unfallversicherungsträgers zu betrachten sei, finde keine Datenübermittlung an einen Dritten statt. Diese Handlungsanweisung findet sich nicht nur
in den internen Dienstanweisungen aller Berufsgenossenschaften, sondern auch in der Muster-Dienstanweisung der
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), obwohl in den zitierten Urteilen des Bundessozialgerichts
gar nicht über diesen Fall entschieden wurde.
Bereits in meinem 22. TB (Nr. 10.3.1) hatte ich eine gesetzliche Klarstellung des § 200 Absatz 2 SGB VII gefordert – leider bisher ohne Erfolg. Im Interesse der Versicherten ist diese mehr als überfällig. Die Klarstellung des
gesetzgeberischen Willens gehört so schnell wie möglich
auf die Agenda des Gesetzgebers. Zusätzlich zu der im
22. TB vorgeschlagenen Formulierung sollte im Gesetzestext klargestellt werden, dass es sich stets um ein Gutachten handelt, sobald der Sachverständige eine eigenständige Bewertung abgibt.
11.4.2

Kontrolle der Unfallkasse des Bundes

Themenbezogene Kontrollen können auch datenschutzrechtliche Probleme in anderen Bereichen zu Tage fördern.
Bei einem Beratungs- und Kontrollbesuch der Unfallkasse des Bundes (UK-Bund), der sich eigentlich auf den
Bereich Personalwesen konzentrierte (vgl. Nr. 13.4), bin
ich auch auf große Mängel beim Umgang mit Sozialdaten
der Versicherten gestoßen. So war von den Arbeitsplätzen
im Sachgebiet „Personal, Organisation“ generell ein automatisierter Zugriff auf Sozialdaten der Versicherten möglich. Dieser Zugang zu geschützten Sozialdaten ist für die
Aufgabenerfüllung dieses Sachgebietes nicht erforderlich

BfDI 24. Tätigkeitsbericht 2011-2012

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

und verstößt gegen das in § 35 SGB I normierte Sozialgeheimnis. Nach § 35 Absatz 1 Satz 2 SGB I umfasst dessen Wahrung auch die Verpflichtung, innerhalb des Leistungsträgers die Sozialdaten nur Befugten zugänglich zu
machen oder nur an diese weiterzugeben. Dies war nicht
gewährleistet.
Während des Besuches fand ich zudem das Eingangsportal zum Dienstgebäude offen vor, die Pförtnerloge war
unbesetzt, sodass keine Einlasskontrolle erfolgte. Hierdurch war mir ohne jegliche Kontrolle ein Zugang zu umfangreichen Versichertenakten der UK-Bund und den darin gespeicherten Sozialdaten möglich. Diese waren im
Erdgeschoss in einem für jedermann erkennbar offenen
Aktenlager abgelegt. Dessen Tür wurde dauerhaft offen
gehalten, damit die Beschäftigten das dort befindliche
Kopiergerät unproblematisch nutzen konnten. Jedermann
hätte die Versichertenakten mitnehmen oder kopieren
können. Ein derartiger „Datenklau“ wäre im Nachhinein
für die UK-Bund nicht mehr nachvollziehbar gewesen.
Dieser Umgang mit Sozialdaten der Versicherten stellt
ebenfalls einen Verstoß gegen das Sozialgeheimnis dar.
Die festgestellten erheblichen Mängel im Umgang mit
Sozialdaten der Versicherten habe ich nach § 81 Absatz 2
SGB X i. V. m. § 25 Absatz 1 BDSG gegenüber dem Vorstand der UK-Bund als einen Verstoß gegen § 35 Absatz 1 SGB I (Sozialgeheimnis) beanstandet.
Ich begrüße, dass die UK-Bund die von mir bereits während des Besuches empfohlenen Maßnahmen zur Wahrung des Sozialgeheimnisses inzwischen umgesetzt hat.
Meine stichprobenartige Nachkontrolle zum Zugriff auf
Versichertendaten (Sozialdaten) ergab keine negativen
Feststellungen.
11.5

Gesundheitswesen

11.5.1

Gesetz zur Verbesserung der Rechte von
Patientinnen und Patienten

Mit dem am 29. November 2012 vom Deutschen Bundestag
beschlossenen Patientenrechtegesetz sollen die Rechte der
Patientinnen und Patienten gestärkt werden. Wie weit
reicht die Verbesserung aus datenschutzrechtlicher Sicht?
Das „Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten“ (Bundestagsdrucksache 17/10488)
soll die Verfahrensrechte der Patientinnen und Patienten
im Zusammenhang mit Behandlungsfehlern verbessern.
Darüber hinaus werden die Rechte der Versicherten gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen gestärkt. Das
Gesetz sieht insbesondere vor, dass
– Patientinnen und Patienten verständlich und umfassend
informiert werden müssen, etwa über erforderliche Untersuchungen, Diagnosen, beabsichtigte Therapien, die
mit der Behandlung verbundenen Kostenfolgen sowie
unter bestimmten Voraussetzungen über einen Behandlungsfehler.
– grundsätzlich alle Patientinnen und Patienten umfassend über eine bevorstehende konkrete Behandlungsmaßnahme und über die sich daraus ergebenden Risiken aufgeklärt werden müssen.

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