Drucksache 17/13000
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Diese Tätigkeit wurde einem externen Beratungsunternehmen übertragen.
Eine Krankenkasse bot ihren Mitgliedern an, dass sie sich
rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche bei ihrem
Ärztezentrum „zu allen Fragen rund um Medizin und Gesundheit“ informieren könnten. Sie hatte hierzu mit einem Unternehmen eine Vereinbarung zur medizinischen
Beratung ihrer Mitglieder durch ärztliches Personal abgeschlossen und überließ dem Unternehmen die halbjährlich aktualisierten Stammdaten aller ihrer Mitglieder
(Name, Adresse, Geburtsdatum, Telefonnummer, E-MailAdresse). Die Angaben sollten zu Abrechnungszwecken
zwischen der Krankenkasse und dem Beratungsunternehmen erforderlich sein. Das Beratungsunternehmen wiederum meldete der Krankenversicherung, aus welchem
Grund das Mitglied angerufen hatte. Die automatisierte
Mitteilung enthielt Angaben darüber, ob das Mitglied einen Arzt/Zahnarzt oder ein Krankenhaus suchte oder eine
medizinische, pharmakologische oder eine Beratung aus
dem Bereich der Prävention wünschte. Weiterhin wurden
Datum, Uhrzeit und Art des Kontaktes sowie der Anlass
(versicherungsrechtliche oder medizinische Frage) mitgeteilt. Diese Informationen speicherte die Krankenkasse
sechs Monate lang. Die ratsuchenden Versicherten blieben jedoch bei ihrem Anruf im Unklaren darüber, dass sie
mit einem externen Unternehmen und nicht mit ihrer
Krankenversicherung telefonierten.
Ich habe zwar keine grundsätzlichen Bedenken, wenn die
Krankenkassen ihrer Verpflichtung aus § 1 SGB IX i. V. m.
§§ 13 und 14 SGB I sowie § 11 Absatz 4 SGB V zur Beratung und Aufklärung der Bevölkerung auch durch Einschaltung geeigneter ärztlicher Beratungsunternehmen
nachkommen. Dies darf aber nicht so weit gehen, dass die
externen Berater alle Stammdaten der Versicherten der
Krankenkasse jederzeit einsehen können.
Die gesetzliche Krankenkasse hat meiner Kritik an dem
Verfahren Rechnung getragen. Die beratenden Ärzte können jetzt nur noch auf die absolut notwendigen Stammdaten des jeweiligen Anrufers zurückgreifen. Die Angaben,
die der ärztliche Berater der Krankenkasse übermittelt,
müssen sich ebenfalls auf das unbedingt notwendige Maß
beschränken. Die Krankenkasse lässt sich nur noch Informationen dazu übermitteln, ob ein Rückruf des beratenden Arztes beim Versicherten erfolgte und ob das Krankenkassenmitglied eine versicherungsrechtliche oder eine
medizinische Frage hatte. Diese Informationen werden
getrennt von den allgemeinen Leistungsdaten zu Abrechnungszwecken mit dem Beratungsunternehmen gespeichert und nach sechs Monaten gelöscht. Angaben zu
gesundheitlichen Verhältnissen der Anrufer dürfen auf
keinen Fall weitergegeben werden.
Schließlich wird nun – auch auf meine Aufforderung hin –
der Anrufer darüber informiert, dass er mit einem externen Unternehmen und nicht mit seiner Krankenkasse telefoniert. Gleichzeitig wird auf die datenschutzrechtlichen
Gesichtspunkte hingewiesen, die auf der Internetseite der
Krankenkasse veröffentlicht sind. Damit wird sowohl von
Seiten der Krankenkasse als auch von Seiten des Unternehmens eine ausreichende Transparenz hergestellt, da-
BfDI 24. Tätigkeitsbericht 2011-2012
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
mit der Betroffene weiß, mit wem er telefoniert, welche
Daten gespeichert werden, wer Zugang zu diesen Daten
hat und welche Daten an die Krankenkasse übermittelt
werden.
11.1.7
Wird der Medizinische Dienst der
Krankenversicherung überflüssig?
Immer mehr Krankenkassen beauftragen externe Gutachterstellen mit Aufgaben, die das Sozialgesetzbuch dem
Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK)
zugewiesen hat.
In zahlreichen Eingaben, aber auch durch Hinweise von
Verbänden und von Kollegen aus den Bundesländern
wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass gesetzliche
Krankenkassen immer häufiger externe Beratungsdienste
damit beauftragen, Gutachten zu erstellen, die sie etwa
bei Entscheidungen über Leistungsanträge unterstützen.
Auch bei meinen Kontrollen im Berichtszeitraum habe
ich dies feststellen müssen (vgl. auch Nr. 11.1.6, 11.1.8
und 11.1.10).
Die gesetzlichen Krankenkassen berufen sich hierbei entweder auf eine „Datenverarbeitung im Auftrag“ nach
§ 80 SGB X oder eine Beauftragung nach § 197b SGB V
als Rechtsgrundlage. Bei einer „Datenverarbeitung im
Auftrag“ handelt es sich lediglich um eine „Hilfsfunktion“, die mit einem Auftragsverhältnis im Sinne der
§§ 662 ff. BGB nichts zu tun hat. Bei der Datenverarbeitung im Auftrag bleibt der Auftraggeber auch weiterhin
für den Umgang mit den Daten verantwortlich. Eine
Übermittlung findet nicht statt, da der Auftragnehmer
kein Dritter i. S. d. Gesetzes ist (§ 3 Absatz 8 Satz 3
BDSG, § 67 Absatz 7 Satz 3 SGB X). Das Wesen eines
Gutachters ist es aber gerade, dass er aufgrund der ihm
zur Verfügung gestellten Daten eigenverantwortlich
Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines
Geschehens oder Zustands ableitet. Dies geht also weit
über eine „Hilfsfunktion“ hinaus. Es handelt sich datenschutzrechtlich um eine Funktionsübertragung und damit
ist die Bekanntgabe personenbezogener Daten an einen
Gutachter eine „Übermittlung“ im Sinne von § 3 Absatz 4
Nummer 3 BDSG und § 67 Absatz 6 Nummer 3 SGB X.
Hiervon gehen auch das Bundesversicherungsamt (BVA)
und die staatlichen Aufsichtsbehörden der Länder aus.
Nach § 197b SGB V können gesetzliche Krankenkassen
ihnen obliegende Aufgaben grundsätzlich Dritten übertragen, wenn die Aufgabenwahrnehmung dadurch wirtschaftlicher ist, es im Interesse der Betroffenen liegt, die
Rechte der Versicherten nicht beeinträchtigt werden und
keine wesentliche Aufgabe zur Versorgung der Versicherten in Auftrag gegeben wird. Ich habe erhebliche Zweifel,
ob diese Voraussetzungen hier vorliegen. So fragt sich
schon, ob es wirtschaftlicher ist, eine zusätzliche Stelle
mit einem Gutachten zu beauftragten, obwohl mit dem
MDK eine Stelle vorhanden ist, die von den gesetzlichen
Krankenkassen im Umlageverfahren finanziert wird
(§ 281 Absatz 1 Satz 1 SGB V), zu deren gesetzlichen
Aufgaben es gehört, sozialmedizinische Gutachten zur
Klärung von Sachverhalten zu erstellen. Den Krankenkassen obliegt es zudem, den MDK so auszustatten, dass