Drucksache 17/13000

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(vgl. Kasten zu Nr. 9.7). Ich habe deshalb anlässlich der
Eingabe dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) als
Fachaufsichtsbehörde nahegelegt, den Betroffenen die für
die Sendung abschließend bearbeiteten Aufnahmen zur
Freigabe zur Kenntnis zu geben. Ein derartiges Verfahren
könnte sich an die gängige Praxis der Autorisierung von
Interviews anlehnen. Das BMF hat die BFD daraufhin angewiesen, Dreharbeiten in Reality-TV/DokutainmentFormaten künftig nur noch bei Vorliegen einer vorab erteilten, schriftlich dokumentierten Einwilligung zuzulassen. Aber auch ein solches Verfahren dürfte aufgrund der
bei den Dreharbeiten gegebenen Überraschungssituationen keinen wirksamen Schutz der Persönlichkeitsrechte

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

der betroffenen Privatpersonen garantieren. Denn in was
sollte ein Betroffener angesichts der ihn erwartenden Unvorhersehbarkeiten im Voraus einwilligen?
Auf meine Intervention hin hat das BMF schließlich entschieden, dass die Zollverwaltung unabhängig von den
rechtlichen Hintergründen die Mitwirkung an Dreharbeiten in Reality-TV/Dokutainment und ähnlichen Formaten
bis auf weiteres aussetzen werde. Meine Zweifel, dass bei
den betroffenen Privatpersonen der Schutz der Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist, konnten bislang nicht
ausgeräumt werden. Ich werde die weitere Entwicklung
aufmerksam verfolgen.

K a s t e n z u N r. 9 . 7
Entschließung der 78. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder 
vom 8./9. Oktober 2009
„Reality-TV“ – keine Mitwirkung staatlicher Stellen bei der Bloßstellung von Menschen
„Reality-TV“-Produktionen über behördliche Einsätze haben in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Justiz-,
Polizei- und Sozialbehörden scheinen mittlerweile wichtige „Lieferanten“ für solche Fernsehsendungen zu sein, die
einzelne Bürgerinnen und Bürger bloßstellen und dadurch erheblich in ihre Rechte eingreifen. Das Fernsehpublikum
ist dabei, wenn etwa eine Gerichtsvollzieherin versucht, einen Haftbefehl gegen einen Schuldner zu vollziehen – wobei auch schon einmal eine Wohnung zwangsgeöffnet wird – oder wenn die Polizei Verdächtige überprüft oder bei
Verkehrsdelikten zur Rede stellt. Es kann vom heimischen Fernsehsessel aus bequem mitverfolgen, ob Betroffene
glaubwürdig Einsicht zeigen, unbelehrbar bleiben oder gar ausfällig werden. Aufgrund des Erfolgs derartiger „Unterhaltungssendungen“ ist abzusehen, dass die Intensität und die Eingriffstiefe der gezeigten staatlichen Maßnahmen zukünftig immer weiter zunehmen werden.
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sind zwar grundsätzlich notwendig, um die behördliche Aufgabenerfüllung darzustellen und den Informationsanspruch der Öffentlichkeit zu erfüllen. Dabei muss aber das Persönlichkeitsrecht der
Betroffenen gewahrt werden, gerade wenn Unterhaltung und Befriedigung von Sensationslust im Vordergrund stehen.
Wird das Fernsehen durch zielgerichtete behördliche Unterstützung in die Lage versetzt, personenbezogene Filmaufnahmen anzufertigen, ist dies rechtlich als Datenübermittlung an private Dritte zu werten. Für einen solchen massiven
Eingriff in das Datenschutzgrundrecht der Betroffenen gibt es keine Rechtsgrundlage. Der Staat, der die Betroffenen
zur Duldung bestimmter Eingriffsmaßnahmen zwingen kann, ist grundsätzlich nicht befugt, Dritten die Teilnahme
daran zu ermöglichen. Auch das Vorliegen einer wirksamen vorherigen Einwilligung der Betroffenen wird regelmäßig zweifelhaft sein. Für eine solche Einwilligung ist es insbesondere notwendig, die betroffene Person rechtzeitig
über Umfang, Dauer und Verwendungszwecke der Aufnahmen aufzuklären und auf die Freiwilligkeit ihrer Einwilligung hinzuweisen. Angesichts der Überraschungssituation sowie der mit dem staatlichen Eingriff nicht selten verbundenen Einschüchterung ist hier eine besonders sorgfältige Prüfung geboten.
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder fordern deshalb alle Behörden auf, grundsätzlich von der
Mitwirkung an solchen „Reality“-Reportagen Abstand zu nehmen.

BfDI 24. Tätigkeitsbericht 2011-2012

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