Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

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Im Rahmen der Beratungen des Entwurfes des Jahressteuergesetzes 2013 habe ich darauf hingewiesen, dass
die vorgesehene Regelung (vgl. § 51a Absatz 2c und 2e
Einkommensteuergesetz – EStG) nicht den datenschutzrechtlichen Anforderungen im Umgang mit den besonders sensiblen personenbezogenen Merkmalen der
Religionszugehörigkeit gerecht wird. So hat nach § 51a
Absatz 2c Nummer 3 EStG der Kirchensteuerabzugsverpflichtete unter Angabe der Steueridentifikationsnummer
(Steuer-ID) des Schuldners der Kapitalertragsteuer einmal jährlich im Zeitraum vom 1. September bis 31. Oktober beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) anzufragen, ob der Betroffene am 31. August des betreffenden
Jahres (Stichtag) kirchensteuerpflichtig war (Regelabfrage). Da die Regelabfrage nur für den Zeitraum vom
1. September bis 31. Oktober vorgesehen ist, wird eine
Änderung (z. B. Kirchenaustritt), die danach eintritt,
nicht erfasst. Es wird weiterhin ein Kirchensteuerabzug
vorgenommen und die steuerliche Belastung dauert somit
fort. Auch besteht nicht die Möglichkeit der Anlassabfrage, denn diese ist nach § 51a Absatz 2c Nummer 3
Satz 3 EStG nicht für alle die Religionszugehörigkeit betreffenden Änderungen vorgesehen, sondern nur für Kapitalerträge (vgl. § 51a Absatz 2c Nummer 3 Satz 2
EStG).
Die Regelung berücksichtigt damit nicht ausreichend die
höchstpersönliche Entscheidung des Steuerpflichtigen. So
hat es bereits das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erachtet, wenn im Falle eines Kirchenaustritts
der Steuerpflichtige noch bis zum Ende des laufenden
Steuerjahres zur Kirchensteuer herangezogen wird (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 1977, 1 BvR 329/71).
Diese Wertung ist auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar, sodass hier dringender Anpassungsbedarf besteht. Der bloße Verweis auf die Einkommenssteuererklärung reicht nicht aus, um einen ausreichenden Schutz zu
gewährleisten.
Ich werde das zum Redaktionsschluss noch nicht abgeschlossene Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2013 weiterhin kritisch begleiten und darauf
drängen, dass das automatisierte Verfahren für den Kirchensteuerabzug datenschutzkonform ausgestaltet wird.
9.4

Darf ich Steuerakten nur im Finanzamt
prüfen?

Die Finanzverwaltung darf mein Prüfungsrecht nicht auf
Einsichtnahme vor Ort beschränken – Grund für eine Beanstandung.
Aufgrund einer Eingabe habe ich unter Hinweis auf
meine Kontroll- und Prüfbefugnisse nach § 24 Absatz 1
i. V. m. Absatz 4 BDSG eine Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit (BA) um Übersendung einer Kindergeldakte zur Prüfung gebeten. Die mit der Gewährung
des Kindergeldes nach dem Einkommensteuergesetz
(EStG) betraute Familienkasse der BA lehnt dies auf Weisung des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) bis
heute ab. Es bestehe lediglich ein Anspruch auf Akteneinsicht vor Ort, nicht aber auf Übersendung der konkreten

Drucksache 17/13000

Akte. Wegen eines finanzgerichtlichen Verfahrens könne
meiner Bitte aber auch tatsächlich nicht nachgekommen
werden.
Ich habe deshalb eine Verletzung meiner Kontroll- und
Prüfbefugnisse nach § 24 Absatz 1 i. V. m. Absatz 4
BDSG nach § 25 Absatz 1 Nummer 1 BDSG beanstandet. Denn es besteht eine umfassende Unterstützungspflicht der zu kontrollierenden öffentlichen Stellen, um
eine effektive Kontrolle im Interesse des Schutzes des betroffenen Bürgers zu ermöglichen. Diese Unterstützungspflicht schließt auch die konkrete Durchführung mit ein,
die meinem Ermessen obliegt.
Auch nach der Beanstandung habe ich das BMF wiederholt zur kurzfristigen Vorlage der bei der Familienkasse
der BA geführten vollständigen Kindergeldakte auffordern müssen. Sollte die Akte der Familienkasse weiterhin
aufgrund der benannten finanzgerichtlichen Auseinandersetzung nicht verfügbar sein, besteht für die Beteiligten
nach § 78 Absatz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) ein
Akteneinsichtsrecht sowie nach § 78 Absatz 2 FGO ein
Recht auf Erteilung von Abschriften und daher die Möglichkeit, mir den betreffenden Akteninhalt zukommen zu
lassen. Im Interesse der Petentin habe ich anlässlich einer
Kontrolle bei der entsprechenden Familienkasse der BA
die Kopie der Kindergeldakte vor Ort eingesehen.
Eine dem § 24 Absatz 1 i. V. m. Absatz 4 BDSG entsprechende Wahrung meines Einsichtsrechts werde ich aber
weiterhin beim BMF einfordern.
9.5

Immer mehr Kontenabrufe

Das automatisierte Kontenabrufverfahren wird ständig
erweitert. Dies betrifft den Kreis der Abrufberechtigten
ebenso wie die Anzahl der getätigten Anfragen. Dies steht
mit der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers nicht in
Einklang.
Die Nutzung des automatisierten Kontenabrufverfahrens
nach § 93 Absatz 7 und 8 i. V. m. § 93b Abgabenordnung
(AO) nimmt stetig zu, wie ein Blick auf die Statistiken
des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) zeigt. Lag im
Jahr 2010 die Anzahl der Kontenabrufe noch bei 57 933,
waren es im Jahr 2012 bereits 72 578 Kontenabrufe, das
entspricht einer Zunahme um ein Viertel im Berichtszeitraum. Insgesamt wurden seit Beginn des Kontenabrufverfahrens im Jahr 2005 bis zum 31. Dezember
2012 333 652 Kontenabrufe verzeichnet (vgl. Kasten a
und b zu Nr. 9.5).
Auch der Kreis der Berechtigten, die eine Abfrage von
Bankkundendaten vornehmen können, ist in den letzten
Jahren zunehmend erweitert worden. Mittlerweile können
etwa die Gemeinden in den Fällen des § 1 Absatz 2 AO
die Kontenabfrage ebenso nutzen wie die Behörden, die
zuständig sind für Grundsicherung für Arbeitssuchende
nach dem SGB II, für Sozialhilfe nach dem SGB XII, für
Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, für Aufstiegsfortbildungsförderung nach
dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz und für Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz. Der Gesetzgeber hat mit

BfDI 24. Tätigkeitsbericht 2011-2012

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