Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

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Datenschutzrechtlich problematisch ist die in dem
Gesetzentwurf enthaltene Regelung der Erhebung in sensiblen Sonderbereichen. Damit sind Gemeinschaftsunterkünfte gemeint, bei denen allein die Information über die
Zugehörigkeit für die Betroffenen die Gefahr einer sozialen Benachteiligung hervorrufen könnte, wie etwa bei
Justizvollzugsanstalten. Die Zensuserhebungen in Sonderbereichen gehören im Verfahren des registergestützten
Zensus 2011 zu den ergänzenden Primärerhebungen.
Auskunftspflichtig sind für Personen in sensiblen Sonderbereichen die Anstaltsleitungen, soweit ihnen die Daten
bekannt sind. Die Betroffenen werden über Art und Inhalt
der Auskunftserteilung informiert. Anders als bei der
Volkszählung von 1987 sollen nach dem ZensG 2011 die
Daten auch in sensiblen Sonderbereichen in personenbezogener Form erhoben werden. Zwar sollen hier nur wenige Merkmale erhoben und die identifizierenden Merkmale nach einem Abgleich mit den bereits bei den
statistischen Ämtern vorhandenen Meldedaten sofort gelöscht werden. Dennoch bleibt die personenbezogene Erhebung in diesen Bereichen bedenklich. Das BVerfG
hatte im Volkszählungsurteil ausgeführt, dass in den Bereichen, in denen für den Betroffenen die Gefahr der
sozialen Abstempelung bestehe, vorzugsweise eine anonymisierte Erhebung stattfinden sollte, um eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zu vermeiden. Deshalb war
die Zählung in Gemeinschafts- und Anstaltsunterkünften
bei der Volkszählung 1987 anonym durchgeführt worden.
Die neue Regelung für den Zensus 2011 wird damit begründet, dass das anonymisierte Verfahren zu unzureichenden Ergebnissen geführt habe. Für den registergestützten Zensus sei diese Methode vollends ungeeignet,
da das Verfahren auf verschiedenen personengenauen Datenabgleichen im Bereich der amtlichen Statistik beruhe.
Es würden sowohl Datenabgleiche zwischen den Daten
aus den verschiedenen für den Zensus genutzten Verwaltungsregistern als auch zwischen Meldedaten und Daten
der primärstatistischen Erhebungen vorgenommen. Um
die notwendige Qualität der Abgleichsergebnisse sicher
zu stellen, müssten die Daten auch in den sensiblen Sonderbereichen personenbezogen erhoben werden. Dem ist
jedoch entgegenzuhalten, dass anerkanntermaßen der
registergestützte Zensus ebenso wie die herkömmliche
Volkszählung ohnedies keine „perfekten“ Einwohnerzahlen liefern kann. Jedenfalls sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren sorgfältig geprüft werden, ob die
statistikfachlichen Bedürfnisse eine personenbezogene
Erhebung in sensiblen Sonderbereichen wirklich rechtfertigen.
Als zentrales Instrument für die Durchführung des
registergestützten Zensus wird seit Frühjahr 2008 beim
Statistischen Bundesamt nach den Vorschriften des Zensusvorbereitungsgesetzes das Anschriften- und Gebäuderegister (AGR) aufgebaut, in dem alle Gebäude mit Wohnraum in Deutschland einschließlich aller bewohnbaren
Unterkünfte erfasst werden sollen. Mit seiner Hilfe sollen
im Zensus 2011 vor allem die vorgesehenen primärstatistischen Erhebungen (Gebäude- und Wohnungszählung,
Stichprobenerhebung, Erhebung in Sonderbereichen) gesteuert werden. Darüber hinaus soll das Register aber auch

Drucksache 16/12600

zur Zusammenführung der verschiedenen Datenquellen
und zur Vollständigkeitsprüfung genutzt werden.
Die Daten für das AGR werden von den Landesvermessungsbehörden über das Bundesamt für Kartografie und
Geodäsie, von den Landesmeldebehörden über die statistischen Landesämter und von der Bundesagentur für Arbeit an das Statistische Bundesamt übermittelt. Die erstmalige Übermittlung dieser Daten ist bereits im
April 2008 erfolgt. Sie werden in den Jahren bis zur
Durchführung des Zensus jeweils zu bestimmten Stichtagen durch weitere Datenübermittlungen aktualisiert.
5.5.2

Stand der Vorbereitungen

Ich habe mich im November 2008 beim Statistischen
Bundesamt über den Stand der Zensusvorbereitung und
insbesondere über den Aufbau des AGR informiert. Mein
Besuch fiel in die Phase der Aufbereitung der Melderegisterdaten durch die Statistischen Landesämter, die in
deren alleiniger Verantwortung vorgenommen wird. Das
Statistische Bundesamt hatte daher noch keinen Zugriff
auf Originaldatensätze. Der Zugriff soll erst nach der
Freigabe durch die Landesämter freigeschaltet werden,
voraussichtlich im Frühjahr 2009. Danach werden die
Melderegisterdaten vom Statistischen Bundesamt mit den
Daten der Vermessungsbehörden und der Bundesagentur
für Arbeit zusammengeführt und zu anschriftenbezogenen Gruppen zusammengefasst.
Die für den Aufbau des AGR benötigten personenbezogenen Daten dürfen nur vorgehalten werden, solange und
soweit sie für die Aufgabenerfüllung der Behörde erforderlich sind. Hierzu sieht das Zensusvorbereitungsgesetz
vor, dass die anschriftenbezogenen Familiennamen und
die von der Bundesagentur für Arbeit übermittelten Daten
bereits nach der Registerzusammenführung und Plausibilisierung gelöscht werden. Das gesamte AGR soll dann
zum frühest möglichen Zeitpunkt nach Abschluss der
Zensusauswertung, spätestens sechs Jahre nach dem Zensusstichtag gelöscht werden.
Bei meinem Besuch im Statistischen Bundesamt habe ich
mich auch über die für den Zensus geplante IT-Architektur informiert. Die gesamte Datenverarbeitung zum
Zensus 2011 soll in einem besonders abgeschotteten Bereich stattfinden, zu dem nur die mit dem Zensus befassten Mitarbeiter Zugang haben, und dass alle Teilsysteme
des Zensus nur über ein Zugangsportal genutzt werden
können. Ich werde die Vorbereitung des Zensus weiterhin
aufmerksam beobachten und auf die Einhaltung der vom
BVerfG im Volkzählungsurteil von 1983 aufgezeigten
Grundsätze hinwirken.
5.6

Novellierung des Bundesarchivgesetzes

Die Übernahme laufend aktualisierter digitaler Daten in
staatliche Archive wirft schwierige datenschutzrechtliche
Fragen auf.
Archive verkörpern – mehr als alle anderen Institutionen –
das gesellschaftliche Langzeitgedächtnis. Öffentliche
Stellen des Bundes haben ihre nicht mehr benötigten Ak-

BfDI 22. T��tigkeitsbericht 2007-2008

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