Drucksache 16/12600
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Abgesehen davon, dass es sich bei meiner Anhörung
nicht um eine informatorische Beteiligung, sondern um
eine nach § 8 MADG i. V. m. § 14 Absatz 1
Satz 2 BVerfSchG institutionalisierte formale Anhörung
handelt, verstößt die Weigerung des BMVg gegen § 24
Absatz 4 BDSG. Nach dieser Vorschrift haben die öffentlichen Stellen des Bundes mich bei meiner Aufgabenerfüllung zu unterstützen und mir dabei Auskunft zu
meinen Fragen sowie Einsicht in alle Unterlagen zu gewähren. Zu diesen Unterlagen gehört auch die hier in
Rede stehende Vereinbarung zwischen dem MAD und
dem BND. Da mir das BMVg auch nach wiederholter
Bitte die Vereinbarung nicht zugänglich gemacht hat,
habe ich dies als schwerwiegenden Verstoß gegen die
Mitwirkungspflicht gemäß § 25 Absatz 1 BDSG förmlich
beanstandet.
In seiner Erwiderung vertritt das BMVg die Auffassung,
ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht liege nicht vor.
Gleichwohl hat es mir ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung eine Mustervereinbarung nach § 14
Absatz 6 MADG zur Zusammenarbeit von MAD und
BND bei besonderen Auslandsverwendungen der Bundeswehr übersandt. Dies ist jedoch nicht ausreichend, da
die datenschutzrechtlichen Regelungen von mir nur in
Bezug auf die konkret für den jeweiligen Auslandseinsatz
getroffene Vereinbarung bewertet werden können. Im Übrigen hat sich gezeigt, dass bereits die übersandte Mustervereinbarung entgegen der Behauptung des BMVg Regelungen zum Umgang mit personenbezogenen Daten
enthält bzw. darauf ausgerichtet ist. Das BMVg beharrt
dennoch auf seiner Weigerung.
Bei einem anderen Punkt dieser Dateianordnung habe ich
mit Blick auf das MADG verfassungsrechtliche Zweifel.
Die Dateianordnung sieht vor, dass eine Berichtigung,
Löschung oder Sperrung der in der Datei gespeicherten
Daten nur dann erfolgt, wenn die Daten im Inland erhoben worden sind oder sich auf deutsche Staatsangehörige
beziehen. Dies würde im Umkehrschluss bedeuten, dass
für im Ausland über Ausländer erhobene Daten keine sich
aus § 7 MADG (Berichtigung, Löschung und Sperrung
von Daten) ergebenden datenschutzrechtlichen Pflichten
ergeben. Da aber unzweifelhaft ist, dass auch die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung solcher Daten – unbeschadet des Wortlauts des § 14 Absatz 4 Satz 1 MADG –
einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellt, ist ein
differenzierter Grundrechtsschutz je nach dem Ort der
Datenerhebung oder der fremden Staatsangehörigkeit
nicht vertretbar. Die Regelung des § 14 Absatz 4
Satz 1 MADG würde bei dieser Auslegung einen grundrechts- und kontrollfreien Raum schaffen. Das BMVg
wendet dagegen ein, dass aus Gründen schutzeffektiver
Einsatzabschirmung eine weitergehende Möglichkeit zur
Erhebung und Verarbeitung von Daten – z. B. auch zu
Minderjährigen – bestehen müsse und nicht durch eine
über den Wortlaut des § 14 Absatz 4 Satz 1 MADG hinausgehende Anwendung des § 6 Absatz 2 MADG (Verbot der Speicherung von Daten Minderjähriger – vgl.
Kasten zu Nr. 4.7.2) ausgeschlossen werden dürfe. Diese
Argumentation, die zwar mit Blick auf die Gefährdungs-
BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
lage bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr verständlich
sein mag, lässt jedoch die verfassungsrechtlichen Schranken außer Betracht. Ich habe daher eine klarstellende Änderung des § 14 Absatz 4 Satz 1 MADG angeregt und das
BMVg darüber hinaus gebeten, die vorliegende Dateianordnung anzupassen.
4.7.3
Bundesnachrichtendienst
4.7.3.1 Überwachung von Journalisten
Eine über mehrere Jahre andauernde Überwachung eines
Journalisten durch den BND war rechtswidrig.
Im 21. TB (Nr. 5.7.2) hatte ich über die Eingabe eines
Journalisten berichtet, der sich über eine mehrere Jahre
andauernde Beobachtung durch den BND beklagt hatte.
Inzwischen kann ich über das Ergebnis meiner diesbezüglichen Prüfungen berichten. Die Überwachung dieses
Journalisten war rechtswidrig – anders als in den beiden
anderen Fällen, über die ich ebenfalls berichtet hatte. Der
Journalist war über mehrere Jahre aus Gründen, auf die
ich aus Geheimhaltungserwägungen nicht näher eingehen
kann, gezielt vom BND unter Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel beobachtet worden. Eine solche verdeckte,
also heimliche Informationsbeschaffung ist dem BND
nach § 3 BNDG nur erlaubt, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Diese vom Gesetzgeber geforderte
hohe Eingriffsschwelle, nämlich das Vorliegen von Tatsachen, war nach meinen Feststellungen im vorliegenden
Falle nicht erreicht. Der BND hat nach meiner Kontrolle
die zu Unrecht erhobenen und in Akten erfassten Daten
des Petenten gesperrt und zugesagt, künftig die Vorgaben
des § 3 BNDG einzuhalten und hierbei den in Artikel 5 GG gewährten Schutzbereich der Pressefreiheit uneingeschränkt zu gewährleisten.
4.7.3.2 Auskunftsverpflichtung des BND auch
bezüglich Akten
Trotz des nicht eindeutigen Gesetzeswortlauts ist der
BND auch zur Auskunftserteilung aus Akten verpflichtet. Das Bundesverwaltungsgericht hat meine Auffassung mit der Entscheidung vom 28. November 2007 bestätigt.
Ein Petent hatte sich im Jahre 2006 an mich gewandt,
weil der BND ihm auf sein Auskunftsersuchen hin lediglich Auskunft zur Speicherung personenbezogener Daten
in Dateien, nicht jedoch zu solchen in Akten erteilt hatte.
Ich hatte hierüber im 21. TB (Nr. 5.7.7) berichtet. Der
BND hatte seine Entscheidung auf den Wortlaut des
§ 7 BNDG gestützt, wonach Auskunft nur über die nach
§ 4 BNDG – also in Dateien – gespeicherten Daten zu erteilen sei. Da diese Auslegung des BND, die vom Bundeskanzleramt gestützt wird, nicht im Einklang mit der
verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung steht, hatte ich
den BND gebeten, die Vorschrift des § 7 BNDG verfassungskonform auszulegen und – ebenso wie beim BfV
und beim MAD – Auskunft auch aus Akten zu erteilen.