Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
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BKA-Gesetz nicht hinreichend. Eine Konkretisierung der
Datenkategorien und des Datenumfangs in Verbunddateien wird zwar üblicherweise in den nach § 34 BKAG zu
erlassenen Dateierrichtungsanordnungen vorgenommen.
Bei diesen Errichtungsanordnungen handelt es sich jedoch nicht um Gesetze im materiellen Sinne, sondern nur
um interne Verwaltungsvorschriften. Während die
Rechtsverordnung gemäß § 7 Absatz 6 BKAG der Zustimmung des Bundesrates und damit eines Verfassungsorganes des Bundes bedarf, unterliegen Errichtungsanordnungen von Verbunddateien lediglich der Zustimmung
der Landesinnenverwaltungen. Zudem sind sie häufig als
vertraulich eingestuft und damit für die Öffentlichkeit
nicht zugänglich. Schließlich bestimmt auch § 13
Absatz 1 BKAG, dass eine Datenübermittlung der Länder
an die Zentralstelle BKA nach Maßgabe der Rechtsverordnung gemäß § 7 Absatz 6 BKAG zu erfolgen hat.
Sollte das BMI auch vor dem Hintergrund des Urteils des
niedersächsischen OVG an seiner Position festhalten und
auf den Erlass einer Rechtsverordnung verzichten, riskiert es damit, dass letztlich die Gesamtheit der in Verbunddateien stattfindenden polizeilichen Datenverarbeitung durch Gerichte für rechtswidrig erklärt wird.
4.4
Bundespolizei – Noch mehr
Videoüberwachung
Nach einer Änderung des Bundespolizeigesetzes darf die
Bundespolizei Daten aus Videoüberwachungsanlagen bis
zu einem Monat speichern. Auch auf Flughäfen soll der
Einsatz von Videotechnik zu Überwachungszwecken ausgeweitet werden.
Das Thema Videoüberwachung ist ein datenschutzrechtlicher Dauerbrenner. Seit geraumer Zeit wird die Überwachung insbesondere auch öffentlicher Räume sukzessive
ausgedehnt. Bereits in früheren Tätigkeitsberichten (zuletzt 21. TB Nr. 4.2 f.) habe ich mich wiederholt mit diesem Thema beschäftigt.
Der durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Bundespolizeigesetzes (BPolG) neu formulierte § 27 BPolG gestattet es nun, Daten aus der Videoüberwachung von Objekten, die dem Schutz der Bundespolizei unterliegen,
wie z. B. Flughäfen oder Bahnhöfe, bis zu 30 Tage zu
speichern. Bisher waren die Aufzeichnungen unverzüglich zu löschen. In der Praxis bedeutete dies, dass die Daten nach maximal 48 Stunden gelöscht wurden.
Damit fällt bei der anlasslos durchgeführten Videoüberwachung durch die Bundespolizei, die große Bereiche des
öffentlichen Verkehrs (Bahnanlagen, Flughäfen u. a.) abdeckt, nun das datenschutzrechtliche Korrektiv einer kurz
bemessenen Speicherfrist weg. Die Änderung des
§ 27 BPolG folgte nach Vorlage eines Berichtes des Unterausschusses Führung, Einsatz, Kriminalitätsbekämpfung (UA FEK) des Arbeitskreises II „Innere Sicherheit“
der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK), der sich – auch vor dem Hintergrund der strafverfolgungs- und polizeiermittlungsmäßigen Erfahrungen mit den Kölner „Kofferbombern“ – mit
Drucksache 16/12600
„Videoaufzeichnungen öffentlicher und nicht-öffentlicher
Stellen“ beschäftigte und im Ergebnis eine Ausdehnung
der zulässigen Speicherdauer auf „mindestens zehn Tage“
empfohlen hatte. Ich habe daher weiterhin erhebliche
Vorbehalte gegenüber der nun pauschal festgelegten Speicherungshöchstdauer von einem Monat.
Bereits vor der Gesetzesänderung hatte ich stets für ein
differenziertes Vorgehen plädiert, orientiert insbesondere
am Gefährdungsgrad der überwachten Örtlichkeiten. Leider wurde diese Anregung bei der in aller Eile, ohne angemessene parlamentarische Beratung, beschlossenen
Gesetzesänderung nicht aufgegriffen.
Allerdings begrüße ich es, dass die Bundespolizei meine
Anregungen insoweit aufgegriffen hat, als nach den Mustererrichtungsanordnungen für die dateimäßige Verarbeitung von Daten aus der Videoüberwachung von Bahnanlagen oder Flughäfen grundsätzlich eine nur zehntägige
Speicherfrist erfolgen soll, die nur bei besonderen Anlässen auf 30 Tage ausgedehnt werden darf.
Der Einsatz von Videokameras durch die Bundespolizei
soll auch auf Flughäfen erweitert werden. Dabei soll die
Bundespolizei – ähnlich wie bei Anlagen der Deutschen
Bahn AG (vgl. 21. TB Nr. 4.2.2) – auf die Überwachungskameras der privaten Betreibergesellschaft zurückgreifen, wofür eine besondere Nutzungsvereinbarung
nötig ist.
Ich begrüße auch die Zusicherung des BMI, dass neu zu
beschaffende Videokameras die Anforderungen des von
meiner Dienststelle und dem Bundesamt für Sicherheit in
der Informationstechnik entwickelten datenschutzrechtlichen Profils „Common Criteria Protection Profile Software zur Verarbeitung von personenbezogenen Bilddaten“ erfüllen sollen (s. auch Nr. 8.1).
4.5
Ermittlungsverfahren der Generalbundesanwaltschaft
Bei Ermittlungsverfahren der Generalbundesanwaltschaft stellte sich die Frage der Rechtmäßigkeit des Vollzugs von Postbeschlagnahmen sowie der Durchführung
der Telekommunikationsüberwachung.
Im Zusammenhang mit einer Postbeschlagnahme war zu
klären, inwieweit Polizisten als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft mit dem Vollzug des Beschlagnahmebeschlusses beauftragt werden dürfen. Dabei hatte das
Postunternehmen die der Postbeschlagnahmeanordnung
unterliegenden Postsendungen in seinen Räumen ausgesondert und Polizeibeamten zur weiteren äußerlichen Inaugenscheinnahme vorgelegt. Ein dabei beschlagnahmter
Brief wurde in Anwesenheit eines Staatsanwaltes von den
Polizeibeamten geöffnet.
Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage habe ich in der
Angelegenheit keinen datenschutzrechtlichen Verstoß
festgestellt und mich der Auffassung der Generalbundesanwaltschaft angeschlossen, dass diese Maßnahme in
Einklang mit den §§ 99, 100 StPO stand. Die Beschlagnahmeanordnung betraf ausschließlich solche Postsen-
BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008