Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
– 121 –
Aufsichtszuständigkeit die bisherige Kontrollpraxis beibehalten wird.
Das BMAS hat inzwischen die Errichtung von sog.
ZAG (Zentren für Arbeit und Grundsicherung) aufgrund
einer bundesgesetzlichen Rahmenregelung als „Mischbehörde“ sui generis (also gemeinsame Bundes- und
Landesbehörde) zur Fortschreibung des bisherigen
ARGE-Modells vorgeschlagen. Das Grundgesetz soll so
geändert werden, dass durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates die Leistungsträger BA und
Kommunen verpflichtet werden können, ihre Aufgaben
einheitlich im ZAG wahrzunehmen. Datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde für die ZAG soll nach diesem
Konzept allein der BfDI sein. Fraglich ist allerdings,
wie meine Aufsichtszuständigkeit trotz der partiellen
Zuständigkeit der Länder/Kommunen rechtlich umgesetzt werden soll.
Die Länder haben sich gegen das vom BMAS erarbeitete Konzept ausgesprochen, insbesondere weil ausreichende Mitgestaltungsrechte der Länder fehlten. Mehrheitlich wird eine Regelung befürwortet, die eine
weitgehende Selbständigkeit der ZAG als verfassungsrechtlich abgesicherte Form der Mischverwaltung ermöglicht.
Angesichts dieser konträren Haltungen von Bund und
Ländern bleibt abzuwarten, wie und wann der Gesetzgeber den Neuregelungsauftrag des Bundesverfassungsgerichts umsetzt. Dabei wird es auch auf eine
eindeutige, sachgerechte Regelung der Aufsichtszuständigkeit im Interesse einer effizienten Datenschutzkontrolle ankommen. Hierzu biete ich gerne meine Mitarbeit an.
10.5.4 Einzelfälle
– Weitergabe von Gesundheitsdaten an potentielle Arbeitgeber durch die Agentur für Arbeit ohne Wissen
und Beteiligung der Kundin.
Einer bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldeten
Petentin war die Arbeitsaufnahme bei einer Zeitarbeitsfirma im Rahmen eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses gelungen. Die Petentin hatte dabei
weder der Zeitarbeitsfirma noch ihrem späteren Arbeitgeber mitgeteilt, dass sie schwer behindert ist.
Dies erfuhr der Arbeitgeber jedoch von der Agentur
für Arbeit, die der Petentin einen Eingliederungszuschuss für ältere besonders schwer behinderte Menschen bewilligt hatte. Die Agentur für Arbeit hatte
dies lediglich dem Arbeitgeber mitgeteilt. Die Petentin
hatte weder überhaupt einen Antrag gestellt, noch war
sie nachträglich von der Bewilligung informiert worden.
Hierin liegt ein schwerwiegender Datenschutzverstoß, da es sich bei Gesundheitsdaten um besonders
Drucksache 16/12600
schutzwürdige Daten handelt. Auf die Beschwerde der
Petentin hin räumte die Agentur für Arbeit ein, dass
zunächst der betroffene Arbeitslose darüber zu informieren ist, bevor dem jeweiligen Arbeitgeber gegenüber die Schwerbehinderung als mögliche Fördervoraussetzung mitgeteilt wird.
Die Agentur für Arbeit hat gegenüber der Petentin ihr
Bedauern zum Ausdruck gebracht und den Vorfall
zum Anlass genommen, ihre Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter dafür zu sensibilisieren, ohne Einwilligung der Betroffenen gegenüber Dritten keine Hinweise auf die Behinderten- bzw. Schwerbehinderteneigenschaft von Kunden zu geben. Daher habe ich von
einer förmlichen Beanstandung nach § 25 BDSG abgesehen.
– Befunde und Leistungsbild einer von der Agentur für
Arbeit veranlassten ärztlichen Untersuchung in Sachbearbeiterhand und elektronischer Akte.
Ein Petent beschwerte sich darüber, dass nach einer
Untersuchung durch den Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit neben seinem Leistungsbild auch seine
ärztlichen Befunde für seinen Vermittlungssachbearbeiter frei zugänglich waren.
Gesundheitsdaten sind besonders schutzbedürftig. Daher ist bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der
Übermittlung von Diagnosedaten ein strenger Maßstab anzulegen. Für die Vermittlung sind nur die
Auswirkungen bestimmter Erkrankungen auf die Leistungsfähigkeit bzw. Vermittlungsmöglichkeit eines
Kunden relevant. Welche Erkrankung zu der gesundheitlichen Einschränkung geführt hat oder wegen
welcher Krankheit ein Kunde in therapeutischer Behandlung ist, ist dagegen in der Regel nicht von Belang.
Die seit Dezember 2006 in der Agentur für Arbeit verwendeten neuen Formulare für die sozialmedizinischen Gutachten beinhalten dementsprechend eine
Unterteilung der gutachterlichen Aussage in einen
Teil A mit ausführlicher Darstellung des medizinischen Sachverhaltes mit Verbleib im ärztlichen Dienst
und in einen Teil B mit Beschreibung des Leistungsbildes für den Auftraggeber. Im vorliegenden Fall waren jedoch im Vermittlungsbereich zahlreiche nicht
zur Aufgabenerfüllung der Agentur für Arbeit erforderliche Daten aus dem Teil A wie z. B. Vorgutachten
und Behandlungen durch verschiedene Fachärzte enthalten.
Von einer förmlichen Beanstandung habe ich im vorliegenden Fall abgesehen, weil die BA meine Rechtsauffassung teilt und die Agentur für Arbeit angewiesen hat, eine Löschung der entsprechenden
Gesundheitsdaten des Petenten im Vermittlungsbereich vorzunehmen.
BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008