Drucksache 16/12600

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in welchen Fällen ein Unfallversicherungsträger einen
Beratungsarzt mit dem Gutachten beauftragt oder einen
externen Gutachter.
Ich halte eine gesetzliche Klarstellung der Regelung des
§ 200 Absatz 2 SGB VII für überfällig. Dies gilt insbesondere für die Streitfrage, ob ein Gutachten auch dann in
den Anwendungsbereich des § 200 Absatz 2 SGB VII
fällt, wenn es von einem beratenden Arzt einer Berufsgenossenschaft erstattet wird. Dies gilt insbesondere für die
Feststellung, dass die genannten Rechte stets zu gewähren sind, unabhängig davon, welche vertraglichen Beziehungen zwischen dem Unfallversicherungsträger und
dem Gutachter bestehen und auch unabhängig davon, in
welchem Verfahrensstadium der Unfallversicherungsträger das Gutachten in Auftrag gibt. Nur so lässt sich das
mit der Gutachterregelung des § 200 Absatz 2 SGB VII
verfolgte Ziel erreichen, die Mitwirkungsrechte der Versicherten zu stärken und die Transparenz der unfallversicherungsrechtlichen Feststellungsverfahren zu erhöhen
(s. Kasten b zu Nr. 10.3.1).
Zu meinem Bedauern ist das zuständige Ministerium meinen Vorschlägen bisher nicht gefolgt. Wegen der besonderen Bedeutung der Angelegenheit werde ich mich auch
weiterhin dafür einsetzen, dass § 200 Absatz 2 SGB VII
in dem von mir vorgeschlagenen Sinne geändert wird.
K a s t e n b zu Nr. 10.3.1
Vorschlag für eine geänderte datenschutzfördernde
Fassung des § 200 Absatz 2 SGB VII: (die Änderungen
zur geltenden Fassung sind kursiv hervorgehoben)
Vor Erteilung jedes Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; der Betroffene ist außerdem
auf sein Widerspruchsrecht nach § 76 Absatz 2 des
Zehnten Buches hinzuweisen und über den Zweck des
Gutachtens zu informieren. Der Versicherte hat das
Recht, selbst einen Gutachter vorzuschlagen. Von dem
Vorschlag des Versicherten kann nur aufgrund einer
nachvollziehbaren Begründung abgewichen werden.
Bei Nichtbeachtung der vorstehenden Regelungen ist
das Gutachten zu löschen.
10.3.2 Einschränkung des Auskunftsverlangens bei Krankenkassen
nach § 188 Satz 2 SGB VII
Wird die Einschränkung des Auskunftsverlangens nach
§ 188 Satz 2 SGB VII nicht beachtet, werden die gesetzlich festgelegten Verantwortungsregelungen verschoben.
Unfallversicherungsträger haben mir gegenüber mehrfach
die Auffassung vertreten, medizinische Daten über Vorerkrankungen eines Versicherten, die den Unfallversicherungsträgern von einer Krankenkasse in einem über ihre
Erhebungsbefugnis hinausgehendem Umfang übermittelt

BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

wurden, müssten erst nach einer von ihnen vorzunehmenden Prüfung gelöscht werden. Die Unfallversicherungsträger nutzen die ihnen unrechtmäßig übermittelten Daten
für ihre Ermittlungen und löschen sie erst dann, wenn sie
nach ihrer Auffassung zur Bearbeitung eines konkreten
Einzelfalles nicht benötigt werden.
Diese von den Unfallversicherungsträgern vertretene
Auffassung hat in mehreren Einzelfällen dazu geführt,
dass eingeholte Gutachten unter Verwendung unzulässig
erhobener Informationen über Vorerkrankungen erstattet
wurden und sich damit möglicherweise auf nicht zu verwendende Daten stützten. Dies widerspricht der gesetzgeberischen Wertung des § 188 Satz 2 SGB VII, nach der
bereits bei der Datenerhebung der Grundsatz der Erforderlichkeit zu beachten ist. Die Unfallversicherungsträger
sollen bereits ihr Auskunftsverlangen auf solche Erkrankungen oder Krankheitsbereiche beschränken, die mit
dem Versicherungsfall in einem ursächlichen Zusammenhang stehen können. Ausnahmen von Sollvorschriften
sind nur in atypischen Ausnahmefällen zulässig. Sollte
daher eine Berufsgenossenschaft grundsätzlich alle Vorerkrankungen erheben und erst nach Erhalt des gesamten
Vorerkrankungsverzeichnisses entscheiden, welche Daten
sie für die Bearbeitung eines konkreten Einzelfalles für
erforderlich hält, steht dies nicht im Einklang mit der gesetzlichen Regelung des § 188 Satz 2 SGB VII. Mit der
Speicherung aller Vorerkrankungen und der Übermittlung
dieser gesamten Daten an einen Gutachter wird die Regelung unterlaufen.
Ich werde weiterhin auf die korrekte Gesetzesanwendung
bei der Erhebung der Vorerkrankungsdaten durch die Unfallversicherungsträger hinwirken.
10.4

Gesetzliche Rentenversicherung
Der ärztliche Entlassungsbericht in der
medizinischen Rehabilitation – wer darf
ihn bekommen?

Der Reha-Entlassungsbericht der Deutschen Rentenversicherung ist ein ärztlicher Brief mit besonderer Bedeutung. Aber nicht jeder, der ein Interesse daran hat, darf
ihn erhalten. (s. Kasten zu Nr. 10.4)
Da der Entlassungsbericht sensible personenbezogene
Daten enthält, ist es von besonderer Bedeutung, wer den
Bericht oder Teile desselben bekommen darf und unter
welchen Voraussetzungen er Kenntnis erhält. Zu dieser
Thematik liegen mir mehrere Beschwerden vor. Bis 2008
wurde der betroffene Rehabilitand vom Arzt der RehaEinrichtung beim Abschlussgesprächs gefragt, ob er damit einverstanden sei, dass der Bericht oder Teile desselben an den behandelnden Arzt, die Krankenkasse oder
den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK)
übermittelt würden. Die Übermittlung erfolgte dann oft
routinemäßig an die verschiedenen Stellen, ohne dass im
jeweiligen Einzelfall geprüft wurde, ob die Kenntnis aller
Daten aus dem Bericht für den jeweiligen Empfänger
auch erforderlich war.

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