Drucksache 16/12600
9.2
– 108 –
Was die Abgeltungssteuer mit der
Religionszugehörigkeit zu tun hat
Die umfangreiche Datenbank beim Bundeszentralamt für
Steuern (BZSt) wird um ein weiteres sensibles Datum, die
Religionszugehörigkeit, erweitert.
Ich habe mich unter Hinweis auf § 3a BDSG immer wieder
dafür eingesetzt, die bei der Errichtung neuer Datenverarbeitungssysteme zu nutzenden personenbezogenen Daten
auf ein Minimum zu beschränken und den Kreis der Zugriffsberechtigten so klein wie möglich zu halten. Beim
Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 zeigte sich, dass
diese Botschaft noch nicht überall angekommen zu sein
scheint. An den Beratungen zu dem Entwurf, vor allem zur
Einführung der Abgeltungssteuer und den damit zusammenhängenden Änderungen beim Kontenabrufverfahren,
habe ich mich intensiv beteiligt. Das Gesetz ist am
18. August 2007 in Kraft getreten (BGBl. I 2007, 1912).
Leider scheint die sich mit der Einführung der Abgeltungssteuer bietende Chance zur Verringerung des Umfangs der Verarbeitung personenbezogener Daten (vgl.
20. TB Nr. 7.3) weitgehend ungenutzt zu bleiben. Zudem
sehe ich jede Erweiterung der beim BZSt eingerichteten
Datenbank zur Steuer-Identifikationsnummer (vgl.
Nr. 9.1) kritisch, vor allem, weil zusätzliche besonders
geschützte Daten, wie die Religionszugehörigkeit, aufgenommen werden sollen (s. Nr. 9.3).
Nach § 51a EStG wird ab 2009 auf Kapitalerträge – bei
Kirchensteuerpflicht des Empfängers – Kirchensteuer als
Zuschlag zur Abgeltungssteuer erhoben. Bis Ende 2010
haben die Steuerpflichtigen ein Wahlrecht, ihre Religionszugehörigkeit freiwillig mitzuteilen. Sie können gegenüber der Bank erklären, dass ihre Kirchensteuer – wie
die Steuer auf Kapitalerträge – im Abzugsverfahren von
der Bank einbehalten und an das zuständige Finanzamt
abgeführt wird. Der Steuerabzug wird danach über das
für den Kirchensteuerabzug zuständige Finanzamt an die
Religionsgemeinschaft weitergeleitet. Die Alternative ist
– wie bisher – die Veranlagung durch das Finanzamt.
Ziel der Reform ist nach der Begründung zu § 51a
Absatz 2e EStG jedoch, auch bei der Erhebung der auf
die Kapitalerträge anfallenden Kirchensteuer den Steuerabzug grundsätzlich an der Quelle, d. h. bei den Kreditinstituten, vorzunehmen. Dieses Ziel lasse sich nur erreichen, wenn die zum Abzug verpflichtete Stelle in Zukunft
in die Lage versetzt werden könne, den Abzug entsprechend der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft
durchzuführen oder zu unterlassen, falls eine entsprechende Mitgliedschaft nicht vorliege. Dies soll, so die Begründung, durch eine elektronische Abfrage der Religionszugehörigkeit beim BZSt erreicht werden. Damit
werde den Kirchen das Aufkommen der Kirchensteuer
dauerhaft gesichert.
Obwohl § 51a Absatz 2e EStG vorsieht, dass die Bundesregierung zunächst über die Auswirkungen der Wahlmöglichkeiten berichtet und die Erfahrungen evaluiert, präjudiziert die Gesetzesbegründung ein Verfahren, das ich als
besonders kritisch betrachte. Ich bin der Auffassung, dass
auch weiterhin die Banken nur dann Kenntnis von der Religionszugehörigkeit ihrer Kunden haben sollten, wenn
diese damit einverstanden sind.
BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Letztlich ist zu befürchten, dass die Einführung der Abgeltungssteuer so zu einer umfangreicheren und nicht zu einer
reduzierten Verarbeitung personenbezogener Daten führt.
9.3
Jahressteuergesetz 2008 – Ablösung der
Lohnsteuerkarte durch ein
elektronisches Abrufverfahren
Mit dem Jahressteuergesetz 2008 wurde die rechtliche
Grundlage für die Ablösung des Lohnsteuerkartenverfahrens durch ein elektronisches Abrufverfahren geschaffen.
Hierzu wird die beim Bundeszentralamt für
Steuern (BZSt) errichtete Datei um weitere sensible Daten (Lohnsteuerabzugsmerkmale) ergänzt. Von der zunächst vorgesehenen Einführung des datenschutzrechtlich bedenklichen „Anteilsverfahrens“ wurde abgesehen.
Das am 8. November 2007 verabschiedete Jahressteuergesetz 2008 beinhaltet einige datenschutzrechtlich bedeutsame Neuregelungen. Mit § 39e EStG ebnet es den
Weg für die Ablösung des Lohnsteuerverfahrens mittels
Lohnsteuerkarte durch ein elektronisches Abrufverfahren
(ElsterLohn II) ab dem Jahre 2011. Der Arbeitgeber
erhält die Lohnsteuerabzugsmerkmale, die ihm die Berechnung der einzuhaltenden Lohnsteuer und der Kirchensteuer der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer ermöglichen, nicht mehr durch die Lohnsteuerkarte,
sondern elektronisch beim BZSt. Der Arbeitgeber (bei
Beschäftigungsbeginn) erhält die Möglichkeit, die in der
Steuer-Datenbank über den jeweiligen Arbeitnehmer
beim BZSt gespeicherten Lohnsteuerabzugsmerkmale
wie Steuerklasse, Religionszugehörigkeit (auch für
Ehepartner und Kinder einschließlich derer Steuer-Identifikationsnummern (Steuer-ID) sowie Höhe der Kinderfreibeträge abzurufen. Dazu hat sich der Arbeitgeber zu
authentifizieren und seine Wirtschafts- sowie die SteuerID (vgl. Nr. 9.1) und das Geburtsdatum des Arbeitnehmers mitzuteilen. Die Authentisierung erfolgt über das
ELSTER-Online-Portal mittels geheim zu haltendem Authentifizierungszertifikat und Passwort. Die Lohnsteuerabzugsmerkmale werden dann nach positiver Prüfung
durch das BZSt annähernd vier Millionen Arbeitgebern
bereitgestellt. Ein direkter Zugriff des Arbeitgebers auf
die Steuerdatenbank erfolgt nicht.
Die Speicherung dieser Daten in einer zentralen Datenbank wirft zusätzliche Fragen auf. So werden zahlreiche
Datensätze auf Vorrat angelegt, da auch Personen betroffen sind, die keine Arbeitnehmer sind. Der durch die Vergabe der Steuer-ID an alle Bundesbürger beim BZSt entstandene Datenpool wird damit noch erweitert. Die
Vereinbarkeit dieser riesigen Datensammlung mit dem
verfassungsrechtlich gebotenen Erforderlichkeitsgrundsatz erscheint zweifelhaft. Außerdem sehe ich die Gefahr,
dass die zentrale Datenbank Begehrlichkeiten bei anderen
Stellen weckt. So wären die dort gespeicherten Daten sicherlich auch für Sozialleistungsträger oder Strafverfolgungsbehörden von Interesse. Weiter ist zu befürchten,
dass diese Erweiterung der Datenbank beim BZSt nicht
den Schlusspunkt darstellt, weicht sie doch die erst beim
Jahressteuergesetz 2003 erreichte strikte Zweckbindung
auf (vgl. dazu 21. TB Nr. 8.1). Schließlich birgt das elektronische Abrufverfahren die Gefahr der missbräuchlichen Verwendung der Arbeitnehmerdaten.