Drucksache 17/9100
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keit oder die Aufgabenerfüllung des betreffenden Gremiums durch die Offenlegung des Beratungsinhalts in
unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird. Außerdem wäre
die Geheimhaltung auf die unbedingt schutzbedürftigen
Passagen der begehrten Unterlagen zu beschränken und
im Übrigen ein teilweiser Informationszugang gemäß § 7
Absatz 2 IFG zu gewähren.
5.10.2 Informationen über Anwendungsbeobachtungen von Arzneimitteln
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sieht Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der pharmazeutischen
Unternehmen betroffen und wirft grundsätzliche Fragen
zum Vorhandensein von Informationen sowie zur Wahl
der Zugangsart auf.
Eine Nichtregierungsorganisation beantragte bei der
KBV Zugang zu Informationen über sog. Anwendungsbeobachtungen. Als Anwendungsbeobachtungen bezeichnet man im Bereich der medizinischen Forschung
Studien, die dazu bestimmt sind, Erkenntnisse bei der Anwendung zugelassener oder registrierter Arzneimittel zu
sammeln. Auftraggeber einer Anwendungsbeobachtung
ist in der Regel der Hersteller des Arzneimittels. Die teilnehmenden Ärzte, die das Arzneimittel ihren Patienten
verordnen, erhalten eine Entschädigung. Der pharmazeutische Unternehmer ist gesetzlich verpflichtet, Anwendungsbeobachtungen u. a. bei der KBV anzuzeigen (§ 67
Absatz 6 des Arzneimittelgesetzes). Dabei sind Ort, Zeit,
Ziel und Beobachtungsplan der Anwendungsbeobachtung
anzugeben sowie die beteiligten Ärzte namentlich zu benennen. Sofern beteiligte Ärzte Leistungen zu Lasten der
gesetzlichen Krankenversicherung erbringen, sind auch
die Art und die Höhe der an sie geleisteten Entschädigungen anzugeben und Ausfertigungen der mit ihnen geschlossenen Verträge zu übermitteln.
Der Antragsteller sieht in Anwendungsbeobachtungen
eine Form „legalisierter Korruption“. Um einen Überblick über das Ausmaß der durchgeführten Anwendungsbeobachtungen zu erlangen, begehrte er bei der KBV
Akteneinsicht zu den Daten der Jahre 2008, 2009 und
2010. Anhand mehrerer näher spezifizierter Fragen bat er
u. a. um Zugang zu Informationen über die angewendeten
Arzneimittel und ihre Hersteller, über Ort und Dauer der
Anwendungsbeobachtungen, über die Anzahl der betroffenen Patienten und der beteiligten Ärzte, über die an die
Ärzte gezahlten Entschädigungen und über eventuelle
Missbrauchsfälle.
Die KBV hat den Zugangsantrag teilweise abgelehnt, da
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der pharmazeutischen Unternehmen betroffen seien. Einige der von ihr
nach § 8 Absatz 1 IFG beteiligten pharmazeutischen Unternehmen hätten vorgebracht, dass sie die Anwendungsbeobachtungen im Auftrag Dritter (Sponsoren) durchführten, denen gegenüber sie sich zur Geheimhaltung
hinsichtlich einzelner Vertragsbestandteile verpflichtet
hätten. Darüber hinaus hätten manche pharmazeutische
Unternehmer eingewendet, dass durch den Informationszugang der Schwerpunkt ihrer Forschungstätigkeit sichtbar würde. Aus Sicht der KBV könne das Bekanntwerden
3. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit
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von Informationen insbesondere dann zu einem wirtschaftlichen Schaden für das betroffene Unternehmen
führen, wenn Anwendungsbeobachtungen zu einem
neuen Wirkstoff, der zur Behandlung seltener Erkrankungen eingesetzt wird, durchgeführt würden. In diesem Segment seien jeweils nur wenige pharmazeutische Unternehmen tätig, da hiermit ein hohes Investitionsrisiko
verbunden sei, ohne dass die Wahrscheinlichkeit eines
hohen unternehmerischen Gewinns bestehe. Die Information über eine derartige Anwendungsbeobachtung könne
gegenüber anderen Wettbewerbern das Engagement eines
Unternehmens im jeweiligen Sektor transparent machen
und im Einzelfall geeignet sein, die wirtschaftlichen Interessen des durchführenden pharmazeutischen Unternehmens zu berühren.
Die Annahme von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
erscheint mir hier äußerst zweifelhaft. Erforderlich wäre,
dass das Unternehmen ein berechtigtes wirtschaftliches
Geheimhaltungsinteresse im Hinblick auf die begehrten
Informationen hat. Ein solches Interesse fehlt nach
höchstrichterlicher Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom
28. Mai 2009 – 7 C 18.08 –) insbesondere, wenn die Offenlegung der Information nicht geeignet ist, exklusives
technisches oder kaufmännisches Wissen den Konkurrenten am Markt zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (vgl. auch Nr. 3.3.1). Anders als etwa im
Zulassungsverfahren sind die betreffenden pharmazeutischen Produkte hier bereits auf dem Markt und ihre Hersteller (und damit auch deren Tätigsein im betreffenden
Sektor) bekannt. Wie dann durch die Information, dass zu
einem bestimmten Produkt Anwendungsbeobachtungen
durchgeführt werden, die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig beeinflusst werden soll, erschließt
sich mir nicht. Soweit die Unternehmen anführen, sie hätten sich gegenüber Sponsoren zur Geheimhaltung verpflichtet, halte ich eine entsprechende vertragliche Vertraulichkeitsabrede jedenfalls für die nach § 67 Absatz 6
des Arzneimittelgesetzes zu meldenden Angaben nicht
für möglich.
Die KBV beruft sich außerdem darauf, dass ihr die begehrten Daten teilweise gar nicht oder zumindest nicht in
aussagekräftiger Weise zur Verfügung stünden. Es trifft
zu, dass sich der Zugangsanspruch des IFG nur auf Informationen richtet, die bei der anspruchsverpflichteten
Stelle auch tatsächlich vorhanden sind. Sofern der KBV
also zu einzelnen Fragen des Antragstellers tatsächlich
keine oder keine vollständigen Angaben vorliegen, ist die
KBV nicht verpflichtet, diese zu beschaffen. Umgekehrt
gilt aber, dass sämtliche der KBV gemeldeten Angaben
grundsätzlich dem IFG unterliegen und – sofern keine
Ausnahmetatbestände nach §§ 3 bis 6 IFG bestehen – zugänglich zu machen sind. Auf deren Aussagekraft, Vollständigkeit, Nützlichkeit für den Antragsteller o. Ä.
kommt es dabei nicht an.
Im Hinblick auf die Art des Informationszugangs wandte
die KBV ein, dieser könne nicht in der begehrten Form
der Akteneinsicht gewährt werden, sondern solle im
Wege einer schriftlichen Zusammenstellung der Informa-