Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
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Drucksache 17/9100
vom Bundestag geteilten Rechtsauffassung einem späteren Verfahren vorbehalten.
könnte den Informationszugang deutlich beschleunigen
und effektivieren.
5.7
5.7.2
5.7.1
Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie
Delegationsreise unter Ausschluss der
Öffentlichkeit?
Die Namen der Teilnehmer von Wirtschaftsdelegationen
unterliegen nach meiner Rechtsauffassung dem Transparenzgebot. Hier besteht ein überwiegendes öffentliches
Interesse am Informationszugang. Über eine klarstellende Gesetzesänderung sollte nachgedacht werden, um
Streitfälle und eine Verzögerung des Informationszuganges zu vermeiden.
Ein Journalist beantragte beim Bundesministerium für
Wirtschaft und Technologie, ihm Listen zu übermitteln,
wer den Bundeswirtschaftsminister seit dessen Amtsantritt auf Auslandsreisen in der jeweiligen Wirtschaftsdelegation begleitet hat. Darin sollten jeweils die Namen dieser Teilnehmer sowie die vertretene Firma aufgeführt
werden. Das Ministerium sah dadurch die Belange Dritter
i. S. d. § 5 IFG betroffen und bat den Antragsteller zur
Durchführung eines Drittbeteiligungsverfahrens nach § 8
Absatz 1 IFG um eine Begründung. Der Antragsteller
wandte sich daraufhin mit der Bitte um Überprüfung an
mich.
Die beteiligten Dritten haben im hier geschilderten Fall
letztlich einer Weitergabe zugestimmt. Der Antragsteller
hat deshalb die gewünschten Angaben bekommen.
Auch wenn hier ein befriedigendes Ergebnis im Sinne des
Informationszugangs erreicht werden konnte, wirft dieser
Fall grundlegende rechtspolitische Fragen auf. Nach derzeitiger Rechtslage müsste gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1
IFG in jedem Einzelfall zwischen dem Informationsinteresse und dem Interesse des beteiligten Dritten am Ausschluss des Informationszugangs abgewogen werden,
wenn dieser seine Einwilligung verweigert.
Auch wenn es sich bei den Namen von Delegationsteilnehmern um personenbezogene Daten handelt, kann ein
schutzwürdiges individuelles Geheimhaltungsinteresse
hier jedoch grundsätzlich in Frage gestellt werden, da die
Betroffenen an den Delegationsreisen nicht als Privatpersonen, sondern als „offizielle“ Vertreter teilgenommen
haben. Die Teilnahme an der Reise betrifft daher nicht die
besonders geschützte Privat- oder Intimsphäre, sondern
vielmehr die weniger geschützte Sozialsphäre (so VG Berlin, Urteil vom 7. April 2011 – 2 K 39.10 – für die Gästeliste
eines von der Bundeskanzlerin ausgerichteten Abendessens
unter Hinweis auf den Kammerbeschluss des BVerfG vom
14. September 2010 – 1 BvR 1842/08, 1 BvR 2538/08 und
1 BvR 6/09 – zur personenbezogenen Wortberichterstattung privater Presseorgane; vgl. Nr. 5.2.1).
Eine Abwägung durch den Gesetzgeber, nach der für solche Fallgestaltungen ein überwiegendes Informationsinteresse „im IFG festgeschrieben“ würde, wäre im Hinblick auf das Transparenzgebot wünschenswert. Dies
Gaspipeline als Geheimsache?
Auch das Regierungshandeln bei der Vorbereitung neuer
Versorgungswege unterfällt dem IFG. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), das entsprechende Anträge bisher abgelehnt hat, muss seine
Auskunftspraxis ändern.
Ein Informationsantrag war auf Akteneinsicht in den
Schriftverkehr des BMWi mit Wingas bzw. der OPAL
NEL Transport GmbH gerichtet. Das Pipelinesystem der
WINGAS-Transportgesellschaften verbindet die Gasreserven Sibiriens mit den wachsenden Absatzmärkten in
Westeuropa. Diese Gaspipeline ist eine der beiden Anbindungsleitungen der Ostseepipeline, die zur langfristigen
Sicherung der deutschen und europäischen Erdgasversorgung dienen soll.
Das Ministerium lehnte den Informationszugang ab.
Auch der Widerspruch des Petenten blieb erfolglos. Das
Ministerium berief sich darauf, bei der politischen Begleitung des Projektes nicht als Behörde im Sinne des § 1
Absatz 1 Satz 1 IFG gehandelt, sondern „Regierungstätigkeit im Sinne politischer Staatslenkung“ ausgeübt zu
haben. Die in diesem Zusammenhang zu treffenden politischen Entscheidungen beträfen die langfristige Sicherung der Rohstoffversorgung der Bundesrepublik
Deutschland ebenso wie die Gestaltung der auswärtigen
Beziehungen. Bei der Begleitung dieses energiepolitisch
bedeutsamen Projektes sei es „mithin unmittelbar um die
Sorge für Bestand und Leben des Staates und damit um
Handlungen im Kernbereich der politischen Staatsführung“ gegangen. Die politische Begleitung des Vorhabens
durch das BMWi sei – anders als die raumordnungs- oder
planungsrechtliche Umsetzung – kein materielles Verwaltungshandeln und unterliege deshalb nicht dem Informationszugang nach dem IFG.
Das BMWi stützte seinen Widerspruchsbescheid dabei
auf zwei – inzwischen durch die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) überholte – Urteile des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. Oktober 2007 – VG 2 A 101.06 – und vom 16. Januar 2008
– VG 2 A 68.06 –, nach denen das IFG nicht auf „Regierungstätigkeit“ anwendbar sei.
Das BVerwG hat mit Urteil vom 3. November 2011
– BVerwG 7 C 3.11 – allerdings klargestellt, dass auch
Ministerien grundsätzlich zu den nach § 1 Absatz 1
Satz 1 IFG zur Gewährung des Informationszuganges
verpflichteten Behörden gehören. Der – mehr oder weniger pauschale – Hinweis auf „Regierungstätigkeit“ kann
nach dieser nachdrücklichen Klarstellung also nicht mehr
zur Begründung einer Verweigerung des Informationszuganges herangezogen werden. (vgl. Nr. 3.2.1) Wie das
Gericht mit dieser Entscheidung deutlich gemacht hat,
kann auch der Schutz des Kernbereiches exekutiver Eigenverantwortung der Bundesregierung nicht zu einer
„quasi automatischen“, weitgehenden Ausnahme führen.
Die (laufende, noch nicht abgeschlossene) Beratung und
3. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit