Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
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bereits über die zugangsfreundliche Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main (u. a. Urteil vom
23. Januar 2008 – 7 E 3280/06(V) -) berichten. Nunmehr
liegen auch wegweisende, aus meiner Sicht grundsätzlich
positive, höherinstanzliche Entscheidungen vor.
So hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof (Beschlüsse
vom 2. März 2010 – 6 A 1684/08 –, 24. März 2010 –
6 A 1832/09 – und 24. August 2010 – 27 F 820/10 –) mit
begrüßenswerter Deutlichkeit klargestellt, dass die Regelung des § 3 Nummer 1 Buchstabe d IFG „nicht gleichsam als Freibrief dazu verwendet werden [darf], um ohne
nähere Prüfung der Sachlage unter bloßem Hinweis auf
eine die Verwirklichung des Behördenauftrags möglicherweise nachteilig berührende Weitergabe von Informationen Anträge auf Zugang zu unternehmensbezogenen Unterlagen und Daten abzulehnen“. Es muss vielmehr „die
konkrete Möglichkeit einer erheblichen und spürbaren
Beeinträchtigung der Aufgabenerfüllung durch die Behörde als Folge der Ermöglichung des Zugangs zu bestimmten unternehmens- oder drittbezogenen Informationen vorliegen“, was von der Behörde „in Form einer
nachvollziehbar begründeten, durch konkrete Fakten untermauerten Prognose darzulegen“ ist. Befürchtungen, die
(freiwillige) Kooperationsbereitschaft beaufsichtigter Unternehmen und Personen gegenüber der BaFin könne
nachlassen, reichten nicht aus.
Auch das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom
24. Mai 2011 – 7 C 6/10 –) hat ausdrücklich betont, dass
es sich bei der Regelung des § 3 Nummer 1 Buchstabe d
IFG nicht um eine Bereichsausnahme für die BaFin handelt. Auch das konkrete Aufgabenfeld der Wertpapieraufsicht rechtfertige nicht generell die Verweigerung des
Informationszugangs. Ob das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf die Tätigkeit der
BaFin haben könne, lasse sich nur bezogen auf den jeweiligen Sachbereich und Regelungskontext beurteilen, in
dem die Information stehe.
Ich begrüße, dass die Rechtsprechung damit die materiellen Voraussetzungen des § 3 Nummer 1 Buchstabe d IFG
präzise und überzeugend herausgearbeitet hat und an die
Darlegungslast der Behörde erhöhte Anforderungen
stellt. Von der BaFin erwarte ich insofern eine spürbare
Änderung ihrer Auskunftspraxis.
Die beiden Gerichte haben allerdings meine Auffassung
zu §§ 9 KWG, 8 WpHG nicht bestätigt und die entsprechenden Verschwiegenheitspflichten als spezialgesetzliche Geheimhaltungsvorschrift im Sinne des § 3 Nummer 4 IFG gewertet. In vielen Fällen – insbesondere wenn
und soweit der Schutz etwaiger Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in Frage steht – dürfte dies jedoch zu keinen
anderen Ergebnissen führen als die unmittelbare Anwendung der drittschützenden Ausnahmetatbestände der §§ 5
und 6 IFG. Denn für die Voraussetzungen eines Betriebsoder Geschäftsgeheimnisses und die Anforderungen an
die diesbezügliche Darlegungslast der Behörde kann es
keinen Unterschied machen, ob die entsprechende Prüfung im Rahmen von §§ 9 KWG, 8 WpHG oder von § 6
Satz 2 IFG erfolgt.
5.6.4
Drucksache 17/9100
Der Zoll muss dem Insolvenzverwalter
Auskunft geben
Einem lnsolvenzverwalter steht ein Anspruch auf Auskunft von den Hauptzollämtern nach den Vorschriften des
IFG regelmäßig zu. Ein Hauptzollamt, das entsprechende
Auskünfte zunächst abgelehnt hatte, konnte eines Besseren belehrt werden.
Ein Insolvenzverwalter hatte in mehreren Verfahren im
Auftrag diverser Gläubiger beim Hauptzollamt Aachen
Auskünfte zu den Vollstreckungshandlungen beantragt,
insbesondere von Sozialversicherungsträgern. Das Hauptzollamt war dem nicht nachgekommen.
Es lehnte im Ergebnis die Herausgabe von Sozialdaten
ohne Einwilligung der Betroffenen ab, es sei denn, es lägen dem Antragsteller höchstpersönliche Erklärungen der
lnsolvenzschuldner vor, mit denen z. B. Sozial- und
Finanzbehörden von ihrer Pflicht zur Verschwiegenheit
gegenüber dem lnsolvenzgericht und/oder dem lnsolvenzverwalter befreit worden seien.
Entsprechende Erklärungen hat der Insolvenzverwalter
unter Hinweis auf die Rechtsprechung nicht vorgelegt.
Das Hauptzollamt Aachen hat daraufhin den vom Antragsteller betreuten lnsolvenzschuldnern jeweils gemäß §§ 5
und 8 lFG Gelegenheit gegeben, zu dem Antrag auf lnformationszugang Stellung zu nehmen und mitzuteilen, ob
in die Herausgabe der Sozialdaten, hier Bekanntgabe der
durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen, eingewilligt
werde.
Dem Antrag des Insolvenzschuldners wurde nur in den
Fällen entsprochen, in denen die Betroffenen eingewilligt
hatten. In den anderen Fällen hat das Hauptzollamt mangels Einwilligung des Betroffenen den entsprechenden
Anträgen auf lnformationszugang (Herausgabe der Sozialdaten) nicht entsprochen.
Auf die Beschwerde des Antragstellers hin habe ich die
Behörde auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Rheinland-Pfalz vom 23. April 2010,
– OVG 10 A 10091/10 – und den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 20. Mai 2010
– 7 B 28.10 – hingewiesen. Danach steht dem lnsolvenzverwalter ein entsprechender Anspruch nach den Vorschriften des IFG regelmäßig zu, ohne dass das Sozialgeheimnis dem entgegensteht (vgl. auch Nr. 4.3.4 und
Nr. 5.10.3).
Nachdem sich das BMF der von dem OVG RheinlandPfalz, dem BVerwG und von mir vertretenen Rechtsauffassung angeschlossen und die Zollverwaltung mit Erlass
angewiesen hatte, in vergleichbaren Fällen den Informationszugang nach dem IFG zu gewähren, wurden dem
Antragsteller sämtliche noch ausstehende Auskünfte erteilt und seinem Antrag damit in vollem Umfang stattgegeben. Dies begrüße ich.
5.6.5
Keine Einsicht in Zollakten, die dem
Steuergeheimnis unterliegen
Das Hauptzollamt Potsdam berief sich zu Recht auf das
Steuergeheimnis als besonderes Amtsgeheimnis.
3. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit