Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
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Das konnte mich jedoch nicht überzeugen, denn die Jahresberichte 2007 und 2008 einschließlich des Tabellenteils waren offensichtlich abgeschlossen, sodass hierüber
schon denklogisch keine Beratung mehr stattfand, die
noch hätte beeinträchtigt werden können. Dass es sich angesichts der fortwährenden Arbeit an diesem Thema und
der laufenden Berichterstattung notwendigerweise um einen Zwischenstand handelte, ändert nichts am Abschluss
dieses Berichts. Würde die Auffassung des Ministeriums
zutreffen, wären die Berichte so lange nicht zugänglich,
wie die Bundesregierung Korruptionspräventionsberichte erstellt – ein Zustand der viele Jahre, wenn nicht
Jahrzehnte, andauern dürfte. § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG kann jedoch nur so verstanden werden, dass
es um die Vertraulichkeit des Beratungsprozesses genau
derjenigen Vorgänge geht, die „unmittelbar“ Gegenstand
des Antrags auf Informationszugang sind. Hier kann kein
Zweifel bestehen, dass nach Abschluss dieses Prozesses
eine Beeinträchtigung der Beratungen nicht mehr möglich ist.
Diese Bewertung teilte ich dem BMI mit, verbunden mit
der Bitte, mir die Tabellenteile der Jahresberichte zur vorübergehenden Einsichtnahme vorzulegen, um mich
selbst vom möglichen Vorliegen von Ausnahmetatbeständen zu überzeugen. Dem kam das Ministerium nach. Um
eine Gewährung des Informationszugangs durch meine
Dienststelle zu verhindern, hatte es die Unterlagen nunmehr als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft.
Inhaltlich blieb es bei seiner Auffassung.
Die Verweigerung des Informationszugangs konnte ich
auch nach Prüfung der fraglichen Unterlagen nicht nachvollziehen. Das zentrale Argument war nach wie vor die
Befürchtung, dass durch das Bekanntwerden der Informationen die Begehung von Korruptionsstraftaten erleichtert
werden könnte, da sich aus den Informationen Erkenntnisse darüber ergäben, in welchen Ressorts noch Defizite
bei der Korruptionsprävention bestünden. Diese Befürchtung hielt ich für verfehlt. Eine höhere Transparenz an
dieser Stelle wäre im Gegenteil eher wünschenswert, da
sie zu verstärkten Anstrengungen bei der Beseitigung der
Defizite führen dürfte. Derartige Defizite sollten in einer
Demokratie kein „Tabuthema“ sein, sondern transparent
gemacht und – erforderlichenfalls unter dem Druck der
veröffentlichten Meinung – unverzüglich behoben werden. Der Zugang gerade auch zu solchen Informationen
ist deshalb einer der zentralen Zwecke des Informationsfreiheitsgesetzes.
Unabhängig davon beinhalten die Tabellenteile vor allem
statistische Angaben zur Feststellung und Analyse korruptionsgefährdeter Arbeitsgebiete sowie zu den personellen und organisatorischen Maßnahmen zur Korruptionsprävention. Ich habe erhebliche Zweifel, dass die
Begehung von Korruptionsstraftaten mithilfe dieser Zahlen erleichtert werden könnte. Dies ist schon deshalb sehr
unwahrscheinlich, weil die Zahlen innerhalb der obersten
Bundesbehörden oder Geschäftsbereiche nicht weiter
spezifiziert sind, sodass sich daraus nicht ablesen lässt,
wo konkret noch Handlungsbedarf besteht.
Drucksache 17/9100
Vom Verfahren her gewähre ich übrigens grundsätzlich
keinen Zugang zu Unterlagen, die ich zur Überprüfung
der Ablehnungsgründe der Behörde anfordere. Generell
lasse ich mir die Unterlagen nur zur vorübergehenden
Einsichtnahme vorlegen. Während meiner Prüfung stütze
ich im Falle eines Antrages auf Informationszugang bei
meiner Dienststelle die Ablehnung auf § 3 Nummer 3
Buchstabe b IFG. Unmittelbar nach Abschluss meiner
Prüfung gebe ich die Unterlagen an die Behörde zurück
oder lösche die Informationen im Falle der elektronischen
Übermittlung. So bin ich auch im vorliegenden Falle verfahren. Vor diesem Hintergrund war die Klassifizierung
der Dokumente als „VS-NfD“ nicht gerechtfertigt.
Die fortdauernde Verweigerung des Informationszugangs
durch das BMI hielt ich für so schwerwiegend, dass ich
sie förmlich beanstandet habe. Dies veranlasste das BMI,
seine ablehnende Meinung zu revidieren und dem Petenten den Informationszugang vollumfänglich zu gewähren.
5.4.3
Die E-Mail-Adressen von Mitarbeitern als
Geheimsache?
Die Bundespolizeidirektion (BPolD) Pirna schwärzte bei
Akteneinsicht die E-Mail-Adressen ihrer Mitarbeiter. Auf
meine Intervention hin änderte die Behörde ihre Meinung.
Bei der BPolD Pirna wurde Zugang zu Beschwerden begehrt, die Reisende mit tschechischer Staatsangehörigkeit
über gegen sie gerichtete „diskriminierende Maßnahmen“
der Bundespolizei eingelegt hatten. Der Petent erklärte,
nicht an persönlichen Daten interessiert zu sein, soweit
diese als Mitarbeiterdaten der Bundespolizei und anderer
beteiligter Stellen nicht § 5 Absatz 4 IFG unterfielen. Die
BPolD Pirna teilte ihm daraufhin mit, in ihrem Zuständigkeitsbereich liege nur eine einschlägige Beschwerde vor.
Diese wurde dem Petenten in Kopie übermittelt. Der
Name des Beschwerdeführers wurde geschwärzt, was mit
Blick auf das IFG keinen rechtlichen Bedenken begegnet.
Allerdings waren darüber hinaus auch die Namen und
dienstlichen E-Mail-Adressen der an der Bearbeitung des
Vorganges beteiligten Angehörigen der Bundespolizei
und des Auswärtigen Amtes unkenntlich gemacht, was
weder dem Petenten noch mir einleuchtete.
Die BPolD Pirna wies darauf hin, die Daten der Behördenmitarbeiter unterfielen nach ihrer Auffassung „im
konkreten Einzelfall einem Ausnahmetatbestand im
Sinne von § 5 Absatz 4 IFG i. V. m. § 78 Bundesbeamtengesetz (BBG)“.
§ 5 IFG trifft zum Schutz personenbezogener Daten Ausnahmeregelungen vom allgemeinen Informationsanspruch. Nach § 5 Absatz 4 IFG gilt dies allerdings nicht
für Name, Titel, akademischen Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung, Büroanschrift und -telekommunikationsnummer von Bearbeitern, soweit sie Ausdruck und
Folge der amtlichen Tätigkeit sind und kein Ausnahmetatbestand erfüllt ist. § 5 Absatz 4 IFG nimmt damit diese
personenbezogenen Informationen, die mit der dienstlichen Tätigkeit zusammenhängen, grundsätzlich vom
3. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit