Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
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sind. Zum Zeitpunkt meines Besuches hatte der GBA
keine für alle Mitarbeiter verbindlichen Richtlinien erlassen, wie die Unterlagen zu vernichten sind. Vielmehr entschied jeder Bearbeiter im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften nach eigenem Ermessen. Auch gab es keine
festen Fristen, innerhalb derer die Frage, ob Unterlagen
vernichtet werden sollen, zu prüfen war. Die Löschung
der Unterlagen aus der Telefonüberwachung erfolgte in
den Fällen, in denen es nicht zu einem gerichtlichen Verfahren kam, ca. sechs Monate nach Einstellung des Verfahrens. Ansonsten wurden die Unterlagen in der Regel
etwa sechs Monate nach Bestandskraft des Urteils
gelöscht, wobei allein die Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens – also ohne erkennbare Anzeichen –
nicht zum Anlass genommen wurde, die Löschung aufzuschieben.
Inzwischen hat der GBA – ebenfalls in Form einer Richtlinie – eine einheitliche Regelung für seinen Dienstbetrieb
entwickelt. Demnach ist nach Beendigung einer Maßnahme zu prüfen, ob die Unterlagen für das weitere
Ermittlungsverfahren benötigt oder umgehend vernichtet
werden können. Sofern eine Löschung noch nicht in Betracht kommt, ist die Prüfung im Abstand von drei
Monaten erneut vorzunehmen. Darüber hinaus soll die
Vernichtung sechs Monate nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens bzw. nach rechtskräftiger Entscheidung
erfolgen, sofern nicht ausnahmsweise eine weitere Aufbewahrung erforderlich ist.
Die Reglungen in den Richtlinien des GBA bewerte ich
positiv. Sie werden sowohl den strafprozessualen als auch
den datenschutzrechtlichen Anforderungen gerecht und
bieten gleichzeitig praktikable Lösungen. Die aufgezeigten Probleme verdeutlichen aber auch, dass eine Klarstellung des Begriffs „Beteiligter“ in § 101 Abs. 1 StPO durch
den Gesetzgeber wünschenswert ist, um zu einer angemessenen Interessenabwägung bei der Frage der Benachrichtigung zu gelangen und eine einheitliche Praxis der
Strafverfolgungsbehörden zu gewährleisten.
6.13
Veröffentlichung heimlicher Bildaufnahmen – Gesetzeslücke im
Strafgesetzbuch –
Im Strafgesetzbuch finden sich zahlreiche Straftatbestände, die die Verletzung des persönlichen Lebens- und
Geheimbereichs sanktionieren. So wird in § 201 StGB die
heimliche Aufnahme des nichtöffentlich gesprochenen
Wortes und dessen Veröffentlichung unter Strafe gestellt.
Vorschriften gegen das unbefugte Aufnehmen des Bildes
von Menschen und die Veröffentlichung solcher Aufnahmen existieren jedoch nicht. Dabei ermöglichen es vor allem die technischen Entwicklungen in der Videotechnik
und im Internet, Bilder von Menschen unbemerkt aufzunehmen und auch weltweit zu verbreiten, ohne dass der
Einzelne dies je wahrnimmt, geschweige denn seine Zustimmung geben könnte.
Vor diesem Hintergrund habe ich in letzter Zeit mit großer
Besorgnis immer öfter Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte von Bürgern festgestellt. So werden im Internet Fo-
Drucksache 14/5555
tos von Personen veröffentlicht, die weder von der Aufnahme noch von deren Veröffentlichung Kenntnis haben.
Dabei bewegen sich diese Personen nur zum Teil in der
Öffentlichkeit, zum Teil aber in Bereichen, wo sie sich bewusst der Öffentlichkeit entziehen wollen und deshalb
auch gar nicht mit der Aufnahme von Bildern rechnen
können bzw. müssen. Dazu zählen z. B. eine Privatwohnung, Umkleidekabinen in Schwimmbädern oder Geschäften. Es kann nicht angehen, dass so etwas weiterhin
straffrei ist. Dies bedarf aus meiner Sicht dringend einer
gesetzlichen Regelung. Es ist äußerst unbefriedigend,
wenn die Veröffentlichung von heimlichen Tonaufnahmen unter Strafe gestellt ist, während die mindestens einen ebenso tiefen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte
darstellende Nutzung oder Veröffentlichung von heimlichen Bildaufnahmen nur dann strafbar ist, wenn sie in
Verbindung mit anderen Delikten steht. Für diese unterschiedliche Behandlung sehe ich gerade mit Blick auf die
technischen Möglichkeiten keinen sachlichen Grund, so
dass es nur folgerichtig ist, im Strafgesetzbuch eine Regelung zumindest für die Fälle zu schaffen, in denen mittels
Bildaufnahme bzw. -veröffentlichung unbefugt in den
Kernbereich der Privatsphäre und in die Intimsphäre eingegriffen wird.
Das BMJ hat mir auf Nachfrage mitgeteilt, dass es diese
Problematik seit längerem aufmerksam beobachtet, über
das weitere Vorgehen jedoch noch nicht abschließend entschieden habe. Ich halte eine gesetzliche Regelung für unabweisbar und werde weiterhin darauf hinwirken.
6.14
Einsatz der Videotechnik im finanzgerichtlichen Verfahren
In meinem 17. TB (Nr. 6.5) hatte ich über die Einführung
der Videotechnik bei Zeugenvernehmungen im Strafverfahren berichtet. Inzwischen darf die Videotechnik auch
in der mündlichen Verhandlung des finanzgerichtlichen
Verfahrens eingesetzt werden. Mit dem Zweiten Gesetz
zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer
Gesetze (2. FGOÄndG, BGBl. 2000 I S. 1757, 1758) sind
in den neuen §§ 91a und 93a Regelungen in die Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgenommen worden, die es den
Finanzgerichten gestatten, Verfahrensbeteiligte nach § 57
FGO im Wege der Videokonferenz an der mündlichen
Verhandlung teilnehmen zu lassen, auf diese Weise Zeugen und Sachverständige zu vernehmen und darüber hinaus deren Aussagen auch aufzuzeichnen.
Im Regierungsentwurf des 2. FGOÄndG (BT-Drs. 14/4061)
war zur Videoaufzeichnung der Aussagen von Zeugen und
Sachverständigen lediglich vorgesehen gewesen, dass das
Gericht sie nach Ermessen anordnen kann. Wenn ein am
Verfahren Beteiligter dies wünscht, sollte die Aussage im
Regelfall aufgezeichnet werden.
Die Aufzeichnung von Zeugen- und Sachverständigenaussagen „in Bild und Ton“ (vgl. § 93a Sätze 2 und 3
FGO) ist ein Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen, für den es einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage bedurfte, die im Interesse des
Betroffenen die Voraussetzungen dafür festlegt und die