Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

– 215 –

Drucksache 14/5555
Anlage 12 (zu Nr. 6.6)

Entschließung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
vom 16. August 1999 zu:
Angemessener Datenschutz auch für Untersuchungsgefangene

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
begrüßen, dass die Bundesregierung den Entwurf eines
Gesetzes zur Regelung des Vollzuges der Untersuchungshaft vorgelegt hat. Damit wird die seit Jahren erhobene
Forderung der Datenschutzbeauftragten nach einer bereichsspezifischen gesetzlichen Regelung aufgegriffen.
Diese Regelung muss das Strafverfolgungs- und Sicherheitsinteresse des Staates im Rahmen des gesetzlichen
Zwecks der Untersuchungshaft berücksichtigen. Gleichzeitig sind jedoch das Persönlichkeitsrecht der Gefangenen sowie die Unschuldsvermutung und der Anspruch auf
wirksame Verteidigung im Strafverfahren angemessen
zur Geltung zu bringen.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung trägt diesem Anliegen durch differenzierende Vorschriften teilweise
Rechnung, läßt allerdings noch Raum für datenschutzrechtliche Verbesserungen. Die Stellungnahme des Bundesrates betont demgegenüber einseitig das staatliche
Vollzugsinteresse und entfernt sich damit deutlich vom
Ziel einer sorgfältigen Güterabwägung.
Nach Auffassung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder muss die gesetzliche Regelung insbesondere folgenden Anforderungen genügen:
– Entgegen dem Vorschlag des Bundesrates, von einer
inhaltlichen Überwachung nur ausnahmsweise nach
dem Ermessen des Gerichts abzusehen, sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren an der Konzeption der
Bundesregierung festgehalten werden. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung differenziert bei der Überwachung der Unterhaltung mit Besucherinnen und
Besuchern sowie bei der Kontrolle des Textes von
Schriftstücken sachgerecht nach Haftgründen. Nur im
Falle der Untersuchungshaft wegen Verdunkelungsgefahr sollten diese Maßnahmen unmittelbar und generell durch Gesetz vorgeschrieben werden, während sie

bei Vorliegen anderer Haftgründe (z. B. Fluchtgefahr)
nur im Einzelfall aufgrund richterlicher Anordnung
erfolgen dürfen. Darüber hinaus sollte im weiteren
Gesetzgebungsverfahren die Möglichkeit unüberwachter Kontakte der Gefangenen zu nahen Angehörigen mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft
auch in Fällen der Untersuchungshaft wegen Verdunkelungsgefahr erwogen werden. Stichprobenartige
Überprüfungen von Schriftstücken durch die Vollzugsanstalt anstelle einer Textkontrolle sollten nicht
den gesamten Schriftverkehr einzelner Gefangener
umfassen. Dies könnte sich im Ergebnis als verdachtsunabhängige Totalkontrolle ohne richterliche Entscheidung auswirken.
– Das Recht auf ungehinderten und unüberwachten telefonischen Kontakt zwischen Verteidigung und Beschuldigten muss auch in der Untersuchungshaft gewährleistet sein. Mit dem rechtsstaatlichen Gebot
wirksamer Strafverteidigung wäre es nicht vereinbar,
diesen Kontakt von einer besonderen Erlaubnis des
Gerichts abhängig zu machen, wie vom Bundesrat befürwortet.
– Bei Datenübermittlungen an öffentliche Stellen außerhalb der Vollzugsanstalt (z. B. Sozialleistungsträger,
Ausländerbehörden) und an Forschungseinrichtungen
müssen die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen im Rahmen einer Abwägung berücksichtigt werden. Auch die Erteilung von Auskünften an die Verletzten der Straftat sollte der Gesetzgeber unter
Beachtung der Unschuldsvermutung regeln.
– Die vom Bundesrat vorgeschlagene erhebliche Einschränkung des Auskunfts- und Akteneinsichtsrechts
von Gefangenen im Hinblick auf den Zweck der Untersuchungshaft würde wesentliche Datenschutzrechte in einem besonders sensiblen Bereich weitgehend entwerten und ist daher abzulehnen.

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