Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
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– 19 –
Einführung
– Überblick und Ausblick –
Mit dem 18. Tätigkeitsbericht, den ich dem Deutschen
Bundestag vorlege, gebe ich einen Überblick über meine
Arbeit in den Jahren 1999 und 2000. Dieser Bericht, der
vierte in meiner Amtszeit als Bundesbeauftragter für den
Datenschutz, gibt zugleich einen Ausblick auf anstehende
wichtige Fragen und Probleme beim Umgang mit dem
Persönlichkeitsrecht, die in der nahen Zukunft dringenden,
zum Teil auch politischen Handlungsbedarf erfordern.
Den Mitgliedern des Deutschen Bundestages danke ich
vor allem für die vielfache Unterstützung und Aufgeschlossenheit. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
meiner Dienststelle danke ich für ihr besonderes Engagement; für ihren hohen Einsatz und Sachverstand ist auch
dieser 18. Tätigkeitsbericht ein nachhaltiger Beleg.
Wie der Tätigkeitsbericht an vielen Stellen aufzeigt, heißt
Datenschutzaufsicht im Zeitalter des Internet nicht mehr
nur, die klassische Kontrollaufgabe wahrzunehmen und
Datenschutzverstöße aufzudecken und zu beseitigen. Viel
stärker noch als früher sind heute die partnerschaftliche
Beratung und die Mitgestaltung von datenschutzfreundlichen Verfahren gefragt. Erfreulicherweise wird diese
Dienstleistung meines Hauses von Behörden und Unternehmen, für die ich zuständig bin, aber auch von Bürgerinnen und Bürgern intensiv in Anspruch genommen.
Auch in Zukunft wird ein Schwerpunkt meiner Arbeit in
dieser Art von Vorsorge liegen. Deshalb enthält dieser Bericht insbesondere für die Nutzung von Telediensten praktische Ratschläge, wie man selber etwas für den eigenen
Datenschutz tun kann (s. Nr. 8.5, Nr. 34 dort Nr. 8).
1.1
Datenschutz zu Beginn des
21. Jahrhunderts:
Eine Bestandsaufnahme
Nach rund einem Vierteljahrhundert seines Bestehens
steht der Datenschutz in Deutschland vor neuen Herausforderungen. Wurde er einstmals eher als Stiefkind betrachtet, hat er sich heute zu einem allseits akzeptierten
hohen Rechtsgut gewandelt. Der Weg dahin war allerdings von Vorurteilen und Skepsis begleitet. Datenschutz
begann als Abwehrrecht des selbstbestimmten Bürgers
gegenüber einem mächtigen, informationshungrigen
Staat. Inzwischen schützt er die Bürger auch mehr und
mehr vor einer ebenso informationshungrigen Wirtschaft.
Immens gestiegene Informationssammlungen und -verarbeitungen in privater Hand in Gestalt der neuen Technologien kennzeichnen die datenschutzrechtlichen Probleme
der heutigen Zeit. Die weltweit vernetzten Systeme auf
dem Informations- und Telekommunikationssektor schaffen völlig neue Möglichkeiten im Umgang mit personenbezogenen Daten. Nicht nur die Menge der Daten, sondern
auch deren Kombinierbarkeit und Nutzbarkeit sind die
neuen Gefahrenpotenziale für den Datenschutz der Bürger.
Ohne Frage haben die Technologien der Informations- und
Kommunikationsgesellschaft unseren privaten und beruflichen Alltag erleichtert und bereichert, zugleich liefern sie
aber eine Vielzahl von Daten über unser Verhalten.
Drucksache 14/5555
Während staatliche Datenerhebung und -verarbeitung einem relativ strengen Datenschutzregime unterworfen
sind, entwickeln sich die privatwirtschaftlich betriebenen
personenbezogenen Datenbanken beinahe unreglementiert. Bei Informations-, Finanz- oder sonstigen Dienstleistungsunternehmen oder bei großen Versandhändlern
werden Daten über Konsumgewohnheiten, über Bonität
oder sonstige, teilweise sehr private Sachverhalte systematisch gesammelt und unter verschiedenen Gesichtspunkten ausgewertet und genutzt. Nicht anonyme Kunden- und Haushaltsbefragungen gehören heute zum
Alltag. Der Gewinn des bei Beteiligung in Aussicht gestellten Preises ist hierbei ziemlich unwahrscheinlich, das
Abbild des Konsumverhaltens jedoch sicher. Seine Privatheit kann man gewissermaßen zum Preise eines Rabatts auch verkaufen, wie im Falle der „PAYBACKKarte“, mit deren Hilfe alle Käufe des Karteninhabers
ausgewertet werden können (s. Nr. 31.7.4).
Mit der komplexer gewordenen Datenverarbeitung in der
Wirtschaft ist das Datenschutzrecht der Betroffenen nicht
ausreichend gewachsen. Um mit diesen Entwicklungen
Schritt zu halten, geht es für den Datenschutz darum, die
immer undurchsichtiger werdende Informationsverarbeitung für die Betroffenen, die Bürger und Kunden, transparenter zu machen und ihnen so die Wahrnehmung ihrer
Rechte zu erleichtern oder gar erst zu ermöglichen. Dazu
muss auch die Wirtschaft ihren Beitrag leisten. Viele Unternehmen in der IT- und Telekommunikationsbranche
haben inzwischen bereits unter Beweis gestellt, dass ein
Produkt bei gleicher Qualität und gleichem Preis allein
Wettbewerbsvorteile dadurch hat, dass es datenschutzgerechter ist als andere, dass es anderen vorgezogen wird,
weil es mit möglichst wenig personenbezogenen Daten
seiner Benutzer auskommt und nicht jegliche Datenspuren aufzeichnet.
Auch dem Medieninteresse ist es zu verdanken, dass die
Sensibilität der Bürger für ihr Persönlichkeitsrecht gewachsen ist. Mehr und mehr ist festzustellen, dass der
Bürger in seiner Eigenschaft als Nutzer z. B. des Internet,
eines Handys oder einer Kredit- oder anderen Wertkarte
die Frage nach seinem persönlichen Datenschutz stellt
und gesteigertes Interesse daran hat, was aus seinen Daten wird, wo sie möglicherweise zwischengespeichert
werden, wer auf sie zugreifen kann und welche Missbrauchsmöglichkeiten bestehen.
Die Informationsgesellschaft hat den Datenschutz vor etliche neue Herausforderungen gestellt. Es ist jedoch nicht
ausschließlich eine Frage von neuen Gesetzen und Regelungen; vielmehr muss das Verständnis für die Notwendigkeit von Datensicherheit und Datenschutz in den Köpfen aller, die damit zu tun haben, wachsen. Ein
entsprechendes Verantwortungsbewusstsein muss geweckt und gestärkt werden – eine wichtige Aufgabe von
allen zum Schutze jedes Einzelnen.
1.2
Bundesdatenschutzgesetz:
Für die neuen Aufgaben gerüstet?
Mehr als fünf Jahre nach Verabschiedung der EG-Datenschutzrichtlinie steht deren Umsetzung in das deutsche