Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
– 183 –
schutzaufsichtsbehörde, der Landesbeauftragte für den
Datenschutz Niedersachsen, vertritt die – von der überwiegenden Zahl der anderen Datenschutzaufsichtsbehörden jedoch nicht geteilte – Rechtsauffassung, dass das
Bundesdatenschutzgesetz in seiner zur Zeit geltenden
Fassung auf das umstrittene Projekt nicht anwendbar ist,
da die Voraussetzungen des Dateibegriffs nach § 3 Abs. 2
BDSG nicht vorliegen.
Dieses für die Betroffenen wenig befriedigende Ergebnis
zeigt die besondere Notwendigkeit für den Gesetzgeber,
einer Entwicklung von Datenmacht in privater Hand, wie
sie sich an dem Projekt „City-Server “ beispielhaft zeigt,
klare rechtliche Vorgaben zu geben und die Rechtsgrundlage für deren Beurteilung zu präzisieren. Dementsprechend habe ich dem Gesetzgeber konkrete Vorschläge für
die Novellierung des BDSG unterbreitet und hoffe auf
eine schnellstmögliche Realisierung.
Bis dahin bleibt den betroffenen Bürgern nur, einen Widerspruch gegen die Bildaufnahme ihres Gebäudes gegenüber der Firma Tele-Info einzulegen. Dessen Beachtung beruht jedoch auf freiwilliger Basis.
31.4
Neue Methoden zur Kundenwerbung
und Kundenbindung:
Data Warehouse und Data Mining
Data Warehouse und Data Mining, sind Schlagworte, die
seit einigen Jahren durch die Computerszene geistern. Im
Data Warehouse werden alle verwendbaren Daten in einem
einheitlichen Datenpool losgelöst von ihrer ursprünglichen
Verwendung zusammengeführt. Data Mining bietet Werkzeuge, die die scheinbar zusammenhanglosen Daten nach
noch nicht bekannten, wissenswerten Zusammenhängen
durchsuchen, Daten aufspüren, kombinieren und neue
Informationen zur Verfügung stellen (s. auch 17. TB
Nr. 8.2.4).
Während die werbenden Unternehmen den Vorteil dieser
Methoden für den Kunden herausstellen, seinen Briefkasten von unerwünschter Werbung zu entrümpeln und ihm
gezielt das Produkt anzubieten, an dem er – angeblich – interessiert ist, werden die Gefahren für das informationelle
Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger vielfach unterschätzt. Als Reaktion auf diese Entwicklung fasste die 59. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 14./15. März 2000 hierzu eine
Entschließung (s. Anlage 27). Ohne die Entschließung
vollständig wiederzugeben, ist festzuhalten, dass die Verfahren so auszugestalten sind, dass die Bürger hinreichend
Kenntnis über sie haben. Wer persönliche Daten preisgibt,
muss wissen, welche Risiken er eingeht, und in der Lage
sein, seine Rechte wahrzunehmen. Datensammlungen dürfen nicht für beliebig wechselnde Zwecke verwandt und
vorgehalten werden. Zweckändernde Verwendungen setzen eine wirksame Einwilligung der Betroffenen voraus.
Die anstehende Umsetzung der Europäischen Datenschutzrichtlinie im Bundesdatenschutzgesetz stärkt den
Grundsatz der Zweckbindung auch und gerade im Bereich der Privatwirtschaft (§ 28 Entwurf BDSG; insbe-
Drucksache 14/5555
sondere Absatz 1, Satz 2, wonach bereits bei der Erhebung
personenbezogener Daten die Zwecke, für die die Daten
verarbeitet oder genutzt werden sollen, konkret festzulegen sind; s. auch oben Nr. 2.1).
Wo die Grenze von der kundenorientierten Werbung hin
zur Bildung von Persönlichkeitsprofilen überschritten
wird, ist der Kern des informationellen Selbstbestimmungsrechtes berührt. Auf die Gefahr der Erstellung partieller oder weitgehend vollständiger Persönlichkeitsbilder,
ohne dass der Betroffene deren Richtigkeit und Verwendung zureichend kontrollieren kann, hat bereits das Bundesverfassungsgericht in seinem Grundsatzurteil zum
Volkszählungsgesetz vom 15. Dezember 1983, BVerfGE
65, 1 ff., hingewiesen und daraus folgend den notwendigen
Schutz für die freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2
Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs.1 GG abgeleitet. Das künftige
BDSG bietet über die Einführung einer anlassfreien Kontrolle in § 38 BDSG-Entwurf und die erwähnte Umsetzung
des strengen Zweckbindungsgrundsatzes der Europäischen
Datenschutzrichtlinie die Handhabe für eine verstärkte
Kontrolle der Aufsichtsbehörden. Auch der vom Bundesrat
in das noch laufende Gesetzgebungsverfahren eingebrachte
Änderungsvorschlag für eine Überarbeitung des Bußgeldkataloges in § 44 Abs. 2 BDSG-Entwurf, der die Sanktionierung von Verstößen gegen den Zweckbindungsgrundsatz ermöglichen würde, weist in diese Richtung und wird
von mir unterstützt.
31.5
Datenschutz auch im Medienbereich
Das Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz auf der
einen und Presse- und Rundfunkfreiheit auf der anderen
Seite hat im geltenden Recht zum sog. Medienprivileg des
§ 41 BDSG geführt, durch das datenschutzrechtlich weitreichende Ausnahmeregelungen für die Medien begründet werden. Art. 9 der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz
natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr vom 24. Oktober 1995 sieht hingegen für die Verarbeitung personenbezogener Daten allein zu journalistischen, künstlerischen
oder literarischen Zwecken Abweichungen und Ausnahmen von den einschlägigen Vorschriften der Richtlinie
nur insofern vor, als dies notwendig ist, um das Recht auf
Privatsphäre mit den für die Freiheit der Meinungsäußerung geltenden Vorschriften in Einklang zu bringen. Dementsprechend sah der ursprüngliche Gesetzentwurf der
Bundesregierung in § 41 vor, dass zahlreiche Vorschriften
des BDSG künftig von den Ländern auch für die Datenverarbeitung von Unternehmen oder Hilfsunternehmen
der Presse zu ausschließlich eigenen journalistisch-redaktionellen Zwecken angewandt werden sollten, so insbesondere Regelungen zum internen Datenschutzbeauftragten und zu Auskunftsrechten der Betroffenen. Hiergegen
erhob sich in den Medien heftiger Widerstand, die hierin
eine Beschränkung der vom Grundgesetz gewährleisteten
Pressefreiheit sahen, obwohl auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung Verfassungsrang hat und
es lediglich um einen Ausgleich gleichrangiger Grundrechte gehen kann. Der schließlich im Mai 2000 gefundene Kompromiss sieht vor, dass zum einen das BDSG