Drucksache 14/5555

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sentlicher Anwendungsfall das Durchgangsarztverfahren
ist. Im Berichtszeitraum hat mir der Vertrag mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur Stellungnahme
nach § 34 Abs. 3 Satz 2 SGB VII vorgelegen. Nach eingehender Überprüfung des Vertragsentwurfs habe ich
meine im 17. TB (vgl. Nr. 23.1.2) zum Vertrag mit der
Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung geäußerten
Bedenken gegen die Datenerhebung zu „Unfallhergang
und -zeitpunkt“ im Hinblick auf die besondere Interessenlage beim Durchgangsarztverfahren zurückgestellt.
In dem Durchgangsarztverfahren erfragt der Arzt von
dem Versicherten die Angaben zu Unfallhergang und
-zeitpunkt. Nach der gesetzlichen Regelung des § 193
SGB VII hat grundsätzlich der Arbeitgeber diese Angaben binnen drei Tagen mit einer Unfallanzeige mitzuteilen, wenn der Versicherte mehr als drei Tage arbeitsunfähig ist. Vor dem Hintergrund der vertraglichen
Gestaltung des Durchgangsarztverfahrens ist eine zusätzliche Erhebung dieser Daten durch den Arzt aber
nicht zwingend als unzulässige Mehrfacherhebung anzusehen. Nach dem Vertrag hat der Arzt sofort die Entscheidung zu treffen, ob bei dem Unfall des Verletzten
die Voraussetzungen eines Versicherungsfalls vorliegen,
für den ein Unfallversicherungsträger die Kosten zu
übernehmen hat. Diese Entscheidung über die Leistungsverpflichtung ist für den Unfallversicherungsträger solange verbindlich, bis er nachträglich eine – möglicherweise auf weiteren Tatsachen oder rechtlichen
Würdigungen beruhende – andere Entscheidung trifft.
Rückwirkend findet aber keine Änderung der Kostentragung statt. Wegen der weitreichenden Auswirkungen der
Entscheidung des Durchgangsarztes ist daher eine
schnellstmögliche Überprüfung der Leistungspflicht
durch den Unfallversicherungsträger unter Heranziehung
aller relevanten Angaben erforderlich.
Die schnelle Klärung, ob ein Versicherungsfall vorliegt,
liegt letztlich im Interesse des Versicherten. Im Einzelfall
kann davon der Ablauf des Heilverfahrens abhängen, da
für die Versicherten der Berufsgenossenschaften besondere Krankenhäuser bestehen und spezielle insbesondere
kostenintensive Behandlungsformen übernommen werden, mit denen gegebenenfalls ein vorteilhaftes Heilverfahren eingeleitet werden kann.
In dem Durchgangsarztverfahren ist es aber unerlässlich,
dass die Transparenz des Verfahrens sichergestellt ist und
der Versicherte die Möglichkeit hat, seine Angaben beim
Durchgangsarzt zu vervollständigen oder richtig zu stellen. Deshalb informiert der Durchgangsarzt den Versicherten über die Übermittlung des Arztberichts an die Berufsgenossenschaft und überreicht ihm auf Wunsch eine
Kopie des Berichts. In den Fällen, in denen der Durchgangsarzt Bedenken gegen die Angaben des Versicherten
bzw. gegen den Unfallhergang oder den Befund im Bericht äußert, wird dem Versicherten in jedem Fall eine
Durchschrift des Arztberichts ausgehändigt.
Gegen diese Handhabung des Durchgangsarztverfahrens
habe ich gegenwärtig keine datenschutzrechtlichen Bedenken. Durch stichprobenartige Überprüfungen in die-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

sem Bereich der Unfallverfahren werde ich mich darüber
vergewissern, ob man sich in der Praxis an die Vorgaben
des Gesetzgebers hält.

23.4

Datenschutz in Formularen

23.4.1 Verbesserungswürdige Vordrucke für
Eröffnungsschreiben
Die Umsetzung der bereichsspezifischen datenschutzrechtlichen Vorschriften des SGB VII lässt sich in den sog.
Massenverfahren der Berufsgenossenschaften am wirkungsvollsten anhand der Formulargestaltung beobachten
und überprüfen, weshalb ich in meinen Kontrollen einen
Schwerpunkt auf die Prüfung der aktuell verwendeten
Vordrucke in Feststellungsverfahren und bei einigen Berufsgenossenschaften auf aus datenschutzrechtlicher
Sicht bedeutsame Formulare gelegt habe. Eine einheitliche Bilanz zur Formulargestaltung lässt sich nicht ziehen,
da keine einheitlichen Vordrucke für alle Unfallversicherungsträger bestehen und die bestehenden kontinuierlich
überarbeitet werden. An die Vordrucke, die ein Formularausschuss beim HVBG den Berufsgenossenschaften zur
Verfügung stellt, sind die einzelnen Berufsgenossenschaften nicht gebunden. Deshalb und wegen vieler
jeweils spezifischer Einzelfragen, in denen datenschutzfreundlichere Formulierungen und die Aufnahme gesetzlicher Hinweise wünschenswert sind, ist besonders
hervorzuheben, dass die Berufsgenossenschaften überwiegend bereit sind, Verbesserungsvorschläge aufzugreifen und in der neuen Formulargestaltung umzusetzen.
Fast alle Berufsgenossenschaften übersenden den Versicherten zu Beginn des Feststellungsverfahrens ein sog.
Eröffnungsschreiben, mit dem sie die Versicherten über
den Verlauf des Verfahrens informieren und ihre Rechte
und Pflichten umfassend erläutern. Bei einer Berufsgenossenschaft fiel mir auf, dass sie wegen der besseren
Verständlichkeit vollständig auf die Nennung von gesetzlichen Vorschriften verzichtet. Zwar ist das Eröffnungsschreiben dieser Berufsgenossenschaft in einer bürgernahen Sprache abgefasst und daher gut verständlich. Ich
halte es aber im Sinne einer informierten Beteiligung des
Versicherten für erforderlich, dass nachvollziehbar ist,
aus welcher gesetzlichen Grundlage seine Rechte und
Pflichten resultieren. Ich habe daher empfohlen, wenigstens die wichtigsten Vorschriften zu nennen oder ihren
Text beizufügen.
23.4.2 Umsetzung des Ersterhebungsgrundsatzes
Bei der Kontrolle der Einbeziehung des Versicherten in
das Verfahren konnte ich in einem Fall feststellen, dass die
Berufsgenossenschaft den Ersterhebungsgrundsatz nach
Maßgabe des § 67a Abs. 2 Satz 1 SGB X i.V.m. § 60
Abs. 1 Nr. 1 zweite Alternative SGB I konsequent umsetzt. Der Versicherte wird darauf hingewiesen, dass die
Berufsgenossenschaft nach den gesetzlichen Vorschriften
des Sozialgesetzbuches verpflichtet ist, die für die Ermittlung erforderlichen Sozialdaten zunächst unter seiner

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