Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Drucksache 14/5555
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Der G10-Entwurf enthält zur Evaluierung zwar erfreuliche Verbesserungen; sie reichen aber noch nicht aus.
Ein wichtiger Fortschritt ist die Aufnahme aller Maßnahmen, auch der Individualmaßnahmen nach § 2 G10,
in die Berichtspflicht an den Deutschen Bundestag.
Hierüber wurde auf mein Drängen erst spät eine Einigung erzielt.
Entgegen der Regelung des § 100e StPO, wonach in
den Bericht Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und
Kosten der Maßnahmen aufzunehmen sind, enthält
der G10-Entwurf im Gesetzestext nur die Vorgabe,
dass in den jährlichen Bericht an den Deutschen Bundestag über die Durchführung der G10-Maßnahmen
auch deren Art und Umfang aufzunehmen sind. Die
frühere Fassung der Begründung lautete auf meinen
Vorschlag hin noch: „Um eine effektive parlamentarische Kontrolle dieser mit intensiven Grundrechtseingriffen verbundenen Maßnahmen zu gewährleisten,
sind in den Bericht Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis
und Kosten der Maßnahmen aufzunehmen“. Diese
Formulierung enthielt damit in Anlehnung an § 100e
StPO die Voraussetzungen der von mir immer wieder
geforderten Evaluierung. Die Bundesregierung ist der
Auffassung, der öffentliche Bericht an den
Deutschen Bundestag dürfe aus Gründen des § 5 Abs. 1
des PKG-Gesetzes, d. h. aus Geheimhaltungsgründen,
nicht alle diese Angaben enthalten. Sie ist mit mir allerdings – dies ist nunmehr der Begründung zum Gesetzentwurf zu entnehmen – der übereinstimmenden
Auffassung, dass es in erster Linie auf die zugrundeliegenden Berichte des BMI an das Parlamentarische
Kontrollgremium ankommt:
Diese Institution ist die kompetente Stelle, die auf der
Grundlage der halbjährlichen Berichte des BMI, die
die o. a. Aussagen hinsichtlich der G10-Maßnahmen
enthalten müssen, im Hinblick auf die verfassungsmäßigen Kriterien der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit eine effiziente Evaluierung durchführen
müsste. Erkenntnisse der G10-Kommission aus ihrer
Kontrolltätigkeit sollten gegebenenfalls in die Überprüfung einbezogen werden. Das Parlamentarische
Kontrollgremium müsste im Ergebnis die Frage beantworten, ob die Erwartungen des Gesetzgebers an die
Eignung der Maßnahmen und deren Verhältnismäßigkeit bestätigt werden. Dies erfordert als eine der
Grundlagen für die Evaluierung eine Rechtstatsachensammlung, wie sie in Ansätzen beim BKA für Maßnahmen der polizeilichen und strafprozessualen Eingriffbefugnisse eingerichtet worden ist (auch wenn
sich dort Probleme zeigen – s. o. Nr. 11.8). In die Auswertung könnten Fachleute aus Bund und Ländern,
ebenso wie unabhängige Sachverständige einbezogen
werden. Ergebnis müsste eine umfassende, ergebnisoffene und gegebenenfalls wissenschaftlich begleitete
Erfolgskontrolle sein. Der darauf aufbauende, dem
Deutschen Bundestag zu erstattende jährliche Bericht
könnte, ohne Geheimhaltungsvorschriften zu verletzen, das Ergebnis dieser Erfolgskontrolle auch für die
Öffentlichkeit zugänglich machen.
3. Wiedereinführung der 5-Jahresfrist:
Die Benachrichtigung Betroffener über Beschränkungsmaßnahmen nach dem G10-Gesetz war 1987
aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 30,1 ff.) in das Gesetz aufgenommen worden. Die in § 5 Abs. 5 G10 geltende Ausschlussfrist – eine Benachrichtigung des Betroffenen
konnte endgültig unterbleiben, wenn nach Ablauf von
5 Jahren nicht absehbar war, ob eine Benachrichtigung
ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme möglich
war – ist mit dem Inkrafttreten des Verbrechensbekämpfungsgesetzes 1994 entfallen.
Durch das Volkszählungsurteil von 1983 wurde die
grundsätzliche Pflicht zur Unterrichtung des Betroffenen nach Wegfall der Zweckgefährdung für Informationseingriffe generell bestätigt. Mit der vorgesehenen
Neuregelung würde die Rechtsposition des Betroffenen, d. h. auch seine Möglichkeit, gegen die Maßnahme Gegenvorstellungen zu erheben, verschlechtert
bis hin zum Ausschluss rechtlicher Möglichkeiten.
Denn nach der aktuellen Fassung des G10 steht dem
Betroffenen nach Mitteilung über die erfolgte G10Maßnahme der Rechtsweg offen. Würde die Mitteilungspflicht nach 5 Jahren entfallen, wäre ihm diese
Möglichkeit aber genommen, auch wenn die Mitteilung ohne Gefährdung des Zweckes der Maßnahme
möglich wäre. Ich halte es für verfrüht, nach so relativ
kurzer Zeit nach Wegfall der Frist zu behaupten,
die Änderung von Dezember 1994 habe sich nicht
bewährt. Vom BMI vorgetragene praktische Erwägungen – Vorhaltung der Vorgänge auf unabsehbare
Zeit – beeinträchtigen die Rechtsschutzgarantie des
Art. 19 Abs. 4 GG m. E. doch unangemessen.
Da die Bundesregierung an der geplanten Neuregelung
grundsätzlich festhalten will, habe ich mich mit einer
Alternativlösung einverstanden erklärt, die mir als ein
datenschutzrechtlich tragbarer Kompromiss erscheint:
Danach bedarf es einer Mitteilung an den Betroffenen
nicht, wenn die G10-Kommission festgestellt hat, dass
n
n
eine Mitteilung an den Betroffenen den Zweck der
Beschränkungsmaßnahme auch nach fünf Jahren
noch gefährdet und
diese Gefährdung des Zwecks der Beschränkungsmaßnahme mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft besteht.
Liegen die Voraussetzungen dafür vor, dass eine Benachrichtigung unterbleiben kann, gleichwohl aber die
über den Betroffenen erhobenen Daten weder bei der
erhebenden Stelle noch beim Empfänger weiterhin
benötigt werden, sind diese tatsächlich zu löschen. Ich
habe darauf gedrängt, dies in die Begründung des Gesetzentwurfs aufzunehmen. In Anbetracht der auch mit
diesem Kompromiss verbundenen Beeinträchtigungen
der Rechtsschutzgarantie halte ich die Wiedereinführung der 5-Jahresfrist jedoch nach wie vor für problematisch.