Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

14.3

– 117 –

Einsichtsrecht der Verwaltungsgerichte in geheimhaltungsbedürftige
Unterlagen

Auf die Verfassungsbeschwerde eines Bürgers, der sich
zuvor auch an mich gewandt hatte, hat das BVerfG mit
seinem Beschluss vom 27. Oktober 1999 (BVerfGE 101,
106) eine weitere Entscheidung von datenschutzrechtlicher Bedeutung gefällt.
Der Beschwerdeführer hatte die Geschäftsführung einer
Landeseinrichtung übernommen, die Aufträge der öffentlichen Hand, u. a. der Bundeswehr und weiterer sicherheitsrelevanter Einrichtungen, vermittelt und die der
Rechtsaufsicht eines Landes-Wirtschaftsministeriums untersteht. Das zuständige Landesamt für Verfassungsschutz kam im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung zu
dem Ergebnis, dass Bedenken gegen eine Ermächtigung
des Beschwerdeführers zum Umgang mit Verschlusssachen bestünden. Die Landesauftragstelle erklärte daraufhin dem Beschwerdeführer, eine Weiterbeschäftigung
komme aus diesem Grund nicht in Betracht. Der Beschwerdeführer kündigte das Dienstverhältnis selbst, um
Nachteile bei späteren Bewerbungen möglichst gering zu
halten. Seine anschließenden Bewerbungen um gehobene
Positionen sollen gleichwohl erfolglos geblieben sein, da
er die eilige Kündigung nicht plausibel erklären konnte.
Der Beschwerdeführer begehrte vom zuständigen Landesamt für Verfassungsschutz Auskunft über die Daten,
die dem negativen Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung
zugrunde lagen. Dies wurde abgelehnt mit der Begründung, eine Auskunft würde „die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigen“. Auch
gegenüber den angerufenen Verwaltungsgerichten gab
der Verfassungsschutz kaum mehr Informationen preis. In
letzter Instanz bestätigte das oberste Verwaltungsgericht
des Landes die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verweigerung der Auskunft. Dagegen legte der Beschwerdeführer wegen Verstoßes gegen das Grundrecht der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4
GG Verfassungsbeschwerde ein, die zum Erfolg führte.
Nach dem Beschluss des BVerfG müssen Verfassungsschutzbehörden zumindest dem prüfenden Verwaltungsgericht die Akten und Unterlagen, die einer Beurteilung
und Entscheidung in Angelegenheiten einer Sicherheitsüberprüfung zugrunde liegen, aushändigen. Dies ist
jedoch auf die zuständige Kammer des Gerichts beschränkt (in-camera-Verfahren). Ist auch diese der Auffassung, dass es im Staatsinteresse liegt, den Vorgang geheim zu halten, wird dem Kläger der Inhalt der Vorgänge
nicht zur Kenntnis gegeben. Anders liegt der Fall, wenn
das Gericht keine einer Offenlegung entgegenstehende
Gründe erkennen kann.
Das BVerfG hat dem Gesetzgeber den Auftrag erteilt, § 99
VwGO bis Ende 2001 neu zu regeln. Bis dahin müssen die
Behörden die Akten an die Verwaltungsgerichte weitergeben, allerdings ohne dass ein Verfahrensbeteiligter von
deren Inhalt Kenntnis erhält. Ich begrüße diese Entscheidung des BVerfG. Von der Änderung der VwGO erwarte
ich eine größere Transparenz bei Gerichtsverfahren im
Anschluss an eine Sicherheitsüberprüfung.

14.4

Drucksache 14/5555
BfV verlangt Herausgabe von E-MailAdressen bei Zugangsprovidern

Durch eine Eingabe erhielt ich Kenntnis, dass das BfV einen Betreiber interaktiver Online-Dienste um die Herausgabe der Inhaberdaten zu einer bestimmten E-MailAdresse ersucht hatte. Die Behörde stützte ihr Ersuchen
auf § 3 Abs. 1 BVerfSchG. Diese Regelung definiert den
Aufgabenbereich des BfV; sie verleiht dem BfV aber
nicht die Befugnis zu derartigen Ersuchen. Weil in diesem
Fall eine nicht-öffentliche Stelle – ein Telediensteanbieter –
Daten übermitteln sollte, habe ich die Eingabe an die örtlich zuständige Aufsichtsbehörde des Landes abgegeben.
Diese teilte dem Petenten mit, es bestehe keine Auskunftspflicht gegenüber dem BfV, da es sich bei Einrichtung und Betrieb eines E-Mail-Account um einen Teledienst im Sinne des TDG handele. Es bestehe weder eine
Berechtigung noch eine Verpflichtung von Telediensteanbietern zur Herausgabe von Bestandsdaten im Sinne
des § 5 TDDSG an diese Sicherheitsbehörde.
Ich habe danach das BfV in dieser Angelegenheit kontrolliert und darauf hingewiesen, dass ich Einrichtung
und Betrieb eines E-Mail-Account für einen Teledienst
im Sinne des TDG halte (vgl. zu dieser strittigen Frage
17. TB Nr. 10.1.2) und die Übermittlung von Daten im
Sinne des § 5 TDDSG an diese Sicherheitsbehörde nicht
zulässig sei. Insbesondere sei auch § 3 BVerfSchG als
Rechtsgrundlage für ein solches Auskunftsbegehren
nicht geeignet. Nach langem Zögern teilte mir das vom
BfV eingeschaltete BMI mit, Rechtsgrundlage für Auskunftsersuchen gegenüber E-Mail-Adresseninhabern sei
§ 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 BVerfSchG. Die entsprechende Auskunftspflicht des Providers ergebe sich
aus § 89 Abs. 6 TKG. Wegen der strittigen Anwendbarkeit des TKG auf solche Fälle sei jedoch das federführende BMWi um grundsätzliche Klärung gebeten
worden. Bis Redaktionsschluss lag mir dessen Reaktion
nicht vor.
Meines Erachtens handelt es sich im vorliegenden Fall um
einen Zugangsprovider, der jedenfalls auch Teledienste
im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 3 TDG anbietet, zumal die
Verwaltung von E-Mailadressen in der Regel nicht der alleinige Geschäftszweck solcher Unternehmen ist. Ich
folge insoweit der Auffassung der zuständigen Aufsichtsbehörde. Somit ist das TDDSG einschlägige Rechtsgrundlage, das in § 2 Nr. 1 auch den Zugangsprovider als
„Diensteanbieter im Sinne dieses Gesetzes“ ansieht. Das
Gesetz enthält keine Auskunftsverpflichtung der Provider
gegenüber den Sicherheitsbehörden. Eine solche Verpflichtung war noch im Regierungsentwurf zum IuKDG
vorgesehen, wurde jedoch in den parlamentarischen Beratungen nicht zuletzt auf Betreiben der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder nicht mehr aufrechterhalten. Auch in dem Novellierungsentwurf zum
TDDSG, der derzeit vorbereitet wird (s. u. Nr. 8.1), ist eine
solche Verpflichtung nicht vorgesehen; insbesondere datenschutzrechtliche Gründe sprechen dagegen, neben der
derzeitigen Regelung, die Übermittlungen an die Straf-

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