Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
– 103 –
und mit anderen in VICLAS gespeicherten Fällen verglichen. VICLAS verfolgt das Ziel, Serienzusammenhänge
zwischen besonders schweren Straftaten besser als bisher
und selbst bei divergierender Begehungsweise erkennen
zu können und ungeklärte Straftaten aufzuklären, falls der
Täter bei mindestens einer Tat der erkannten Serie bekannt ist. Die Philosophie von VICLAS ist aus der Erkenntnis geboren, dass jeder Gewalttäter eine „Handschrift“ hat und sie am Tatort oder am Opfer hinterlässt.
Wenn Verhaltens- und Vorgehensmuster des be- oder unbekannten Täters erfasst werden, wird es möglich, diese
„Handschrift“ zu identifizieren, und man erkennt weitere
tat- oder täterbezogene Zusammenhänge. Die Daten für
VICLAS werden mit einem teilstandardisierten Fragebogen von speziell ausgebildeten Polizeibeamten erhoben.
Seit dem 1. Juni 2000 wird eine VICLAS-Datei als Verbunddatei des polizeilichen Informationssystems des
Bundes und der Länder beim BKA geführt. In ihr werden
Vermisstenfälle, bei denen die Gesamtumstände auf ein
Verbrechen hindeuten, Tötungsdelikte sowie Straftaten
gegen die sexuelle Selbstbestimmung erfasst und analysiert. Das BKA geht jährlich von 10 000 bis 14 000 relevanten Straftaten aus, was ca. 0,1 % bis 0,2 % der gesamten in der polizeilichen Kriminalstatistik aufgezählten
Straftaten ausmacht .
Der Einführung neuer Ermittlungsansätze und -methoden, wie der VICLAS-Datenbank, stehe ich stets aufgeschlossen gegenüber, wenn sie der Verhinderung und Aufklärung schwerer Gewaltdelikte dienen. Bei VICLAS
kommt hinzu, dass im Ausland damit bereits positive Erfahrungen gesammelt werden konnten. Im Rahmen des
Anhörungsverfahrens vor Erlass der Errichtungsanordnung für die Datei habe ich aber im Interesse der Opfer
eine Änderung gefordert.
Nach der Konzeption von VICLAS wird neben den am
Tatort festgestellten Sachbeweisen das Opfer als „Spiegel
des Täterverhaltens“ stärker in das Blickfeld genommen,
indem Einzelheiten des Verhaltens des Täters gegenüber
dem Opfer in die Datenbankauswertung mit einfließen.
Dies hat zur Folge, dass u. a. eine Fülle von Daten aus den
intimsten Bereichen von Opfern VICLAS-relevanter
Straftaten, z. B. Angaben zum Lebensunterhalt und -stil,
sowie zum tatbezogenen Täter-Opfer-Verhalten Eingang
in die Datei finden. Das Erfordernis der Speicherung derartig detaillierter und sensibler Datenfelder ist im Hinblick auf die genannte Zielrichtung von VICLAS nachvollziehbar. Für problematisch halte ich hingegen die
Aufnahme der Personalien dieser Opfer in die Datei.
Um meinen Bedenken Rechnung zu tragen, sieht das
Dateistatut nunmehr die Aufnahme von Personalien der
Opfer nur vor, sofern diese hierin ausdrücklich und
schriftlich eingewilligt haben. Der Text der von den Opfern bzw. ihren gesetzlichen Vertretern abzugebenen Einwilligungsklärung ist mit mir abgestimmt worden. Er enthält neben Informationen zum Zweck der Datenbank
VICLAS sowie zum Erfordernis der Einwilligung als Voraussetzung für eine Speicherung vor allem auch den Hinweis auf die Möglichkeit des Widerrufs dieser Einwilligung, welcher die Löschung der Personalien in der Datei
Drucksache 14/5555
zur Folge hätte. Erteilt ein Opfer seine Einwilligung nicht,
wird auf die Speicherung aller Daten verzichtet, die zur
Identifikation des Opfers führen könnten.
Mit diesen Regelungen in der Errichtungsanordnung
trage ich den Betrieb der VICLAS-Datei beim BKA vorbehaltlich einer späteren datenschutzrechtlichen Kontrolle mit.
11.5
Geldwäsche-Datei
In meinem 17. TB (Nr. 11.7) hatte ich über die Bestrebungen der Polizeien von Bund und Ländern berichtet,
den gesetzlichen Regelungen zur Geldwäschebekämpfung dadurch mehr Wirksamkeit zu verschaffen, dass
beim BKA eine zentrale Datei zur bundesweiten Zusammenführung von Geldwäscheverdachtsanzeigen eingerichtet werden sollte. Mit dieser Maßnahme sollten die Erfolgsquoten von Verdachtsanzeigen wesentlich gesteigert
und die Auskunftsfähigkeit gegenüber dem Ausland erheblich verbessert werden.
Seit dem 29. Juni 2000 wird die Geldwäsche-Datei als
sog. Verbunddatei, die sowohl vom BKA als auch von den
Landespolizeibehörden genutzt werden kann, beim BKA
betrieben.
Anlässlich der Beratungen der Errichtungsanordnung zu
dieser Datei war es vor allem mein Anliegen, die „Treffsicherheit“ der Verdachtsanzeigen bei gleichzeitiger
deutlicher Reduzierung ihrer Zahl zu erhöhen, um eine
bundesweite Speicherung von „Verdachtsdaten“ Unschuldiger in der Geldwäsche-Datei möglichst zu vermeiden. Problematisch war deshalb vor allem, ob in der Datei auch Angaben zu Personen gespeichert werden sollten,
gegen die wegen Verdachtsanzeigen zunächst keine konkreten strafrechtlichen Ermittlungen eingeleitet werden.
Die Ermittlungstätigkeit bei Geldwäschedelikten wird im
Wege der Verdachtsanzeige zumeist seitens privatwirtschaftlicher Unternehmen initiiert. Dies macht es aus
Sicht der Strafverfolgungsbehörden erforderlich, neben
den aufgrund eines Anfangsverdachtes formal den Beschuldigtenstatus erhaltenden Personen auch jene zu erfassen, bei denen zwar im konkreten Einzelfall die Beweislage nicht ausreicht, bei denen aber immer noch
genügend Anhaltspunkte vorliegen, um den Verdacht einer Straftat zu bejahen. Zudem kann nach Auffassung der
Strafverfolgungsbehörden die Datei ihre Funktion als
Verdachtsgewinnungs- und -erhärtungsinstrument nur erfüllen, wenn auch die Daten der Personengruppe der insoweit „Verdächtigen“ darin aufgenommen werden.
§ 8 Abs. 2 BKAG erlaubt zwar neben der Speicherung
personenbezogener Daten Beschuldigter auch solche von
Verdächtigen in Dateien des BKA. Letztere setzt jedoch
voraus, dass aufgrund von Erkenntnissen über die Tat, die
Persönlichkeit des Betroffenen oder andere Umstände
Grund zu der Annahme besteht, dass zukünftig Strafverfahren gegen den Verdächtigen zu führen sein werden.
Geldwäscheverdachtsanzeigen, die durch gesetzliche
Mitteilungspflichten eines nach den Vorschriften des