Drucksache 14/5555
– 102 –
einer Personalie zur Verfügung stehen. Aus datenschutzrechtlicher Sicht wurden hiergegen bereits während der
Konzeptionsphase von INPOL-neu Bedenken geäußert,
weil durch die Erfassung dieses Merkmals eine stigmatisierende Wirkung im Kontakt zwischen Polizei und Bürger erzeugt werden könnte, die unter Umständen dazu
führt, dass der Bürger weitergehenden Kontrollen unterzogen wird. Rechtlicher Ansatzpunkt für derartige Überlegungen sind die engen Zweckbestimmungsregelungen
im DNA-Identitätsfeststellungsgesetz und in der Errichtungsanordnung für die DNA-Analyse-Datei beim BKA.
Zunächst zeichnete sich in den Beratungen eine Regelung
ab, wonach die Information nur über eine zweite Abfrage
zur Verfügung gestellt würde. Diese Abfrage sollte durch
flankierende Maßnahmen (Protokollaufzeichnung o. ä.)
für Zwecke einer datenschutzrechtlichen Kontrolle abgesichert werden. Das BKA hat mir dann später auf Nachfrage mitgeteilt, dass die Realisierung dieses Vorschlages
nur mit erheblichem Aufwand möglich sei und man deswegen diesem Vorschlag nicht folgen wolle. Hierbei
spiele auch eine Rolle, dass bereits im jetzigen KAN darauf hingewiesen wird, wenn es zu einer Person ein DNAMuster gibt. Auf den KAN könne im übrigen von jemanden, der berechtigt auf INPOL zugreifen darf, nicht direkt,
sondern nur im Zusammenhang mit bestimmten Abfragen
zugegriffen werden.
Diese Begründung ist für mich allerdings unbefriedigend,
sie lässt nicht zu, dass nachgeprüft werden kann, ob der
Zugriff, die Anfrage nach einem DNA-Muster erforderlich war. Darüber hinaus werden die vorstehend genannten engen Zweckbestimmungsregelungen in kleinen
Schritten aufgeweicht. Auch hier zeichnet sich kein für
mich gangbarer Kompromiss ab.
11.3
Ohne polizeiliche Erkenntnisse
Daten im KAN gespeichert!
Die herausragende Bedeutung des § 2 Abs. 1 BKAG habe
ich bereits oben (Nrn. 11.1, 11.2) ausführlich dargestellt.
Welche Auswirkungen sich jedoch für Betroffene aus einer unzutreffenden Anwendung dieser Norm ergeben,
zeigt der Fall eines in Burma geborenen Petenten, der
mittlerweile die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hat und seit vielen Jahren in Deutschland wohnt. Er
war bei der Einreise in die Vereinigten Staaten von der
dortigen Einwanderungsbehörde verhört worden, was
möglicherweise mit einem Eintrag in der „Black-List“ des
US-Immigration-Office zusammenhing. Meine Kontrolle
beim BKA ergab, dass Daten des Petenten im KAN für die
Dauer von 10 Jahren gespeichert waren, was auf einer Anfrage der amerikanischen Drogenbekämpfungsbehörde
(DEA) beruhte, die den Petenten im Verdacht hatte, mit
der „Mong Tay Army“ und deren Vorgängerorganisation
– einer kriminellen Organisation, die sich nahezu ausschließlich aus dem illegalen Handel mit Rauschgift finanzieren soll – in Verbindung gestanden zu haben. Ob
der Petent in den organisierten Drogenhandel involviert
war bzw. ist, konnte bisher nicht geklärt werden. Aus einem Vermerk eines Verbindungsbeamten des BKA in
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Bangkok war zu entnehmen, dass sich die amerikanische
Drogenbekämpfungsbehörde seinerzeit bemüht hatte, die
Einreise des Petenten in die Vereinigten Staaten zu verhindern. Es war wohl geplant, den Petenten in die „BlackList“ aufnehmen zu lassen. Dies ist offenbar
geschehen, da der Petent nach nunmehr fünf Jahren
Schwierigkeiten bei der Einreise in die Vereinigten Staaten bekommen hat. Das BKA hatte 1994 über das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein eine Abklärung zur Person des Petenten vornehmen lassen. Die Antwort des
Landeskriminalamtes Schleswig-Holstein, die die vollständigen Personalien und den Hinweis enthielt, dass der
Betroffene polizeilich nicht bekannt sei, wurde dem Verbindungsbeamten des BKA nach Bangkok übermittelt.
Dieser Vorgang, der keine polizeilich relevanten Erkenntnisse enthielt, ist vom BKA im KAN für die Dauer von
10 Jahren gespeichert worden.
Nachdem der Sachverhalt aufgeklärt war, habe ich das
BKA gebeten, die Zulässigkeit dieser Speicherung zu
überprüfen, da ich die Speicherkriterien des § 8 BKAG
mangels kriminalistischem Hintergrund für nicht erfüllt
ansehe. Nachdem das BKA zu der Auffassung gelangt
war, dass sich seit Eingang der Informationen aus dem
Jahre 1994 keine Anhaltspunkte ergeben hätten, die den
damaligen Verdacht erhärteten, und nachdem es auch
keine neuen Erkenntnisse über den Petenten gab, wurden
dessen Daten im KAN gelöscht und die zugrundeliegenden Unterlagen vernichtet.
Ich werde diesen Fall bei der Diskussion über die neugefasste Errichtungsanordnung für den KAN zum Anlass
nehmen, eingehend mit dem BMI und dem BKA die
Frage zu erörtern, inwieweit solche Sachverhalte die Zugangsvoraussetzungen für eine KAN-Speicherung überhaupt erfüllen können. Nach formaler Betrachtungsweise
ließe sich möglicherweise das Merkmal „internationale
Bedeutung“ im Sinne von § 2 Abs. 1 BKAG bejahen, jedoch lässt diese Betrachtungsweise außer acht, dass es
sich in derartigen Fällen ausschließlich um eine Erkenntnisanfrage einer ausländischen Stelle handelte, der offenbar weder ein konkreter Verdacht noch ein Ermittlungsverfahren zugrunde lagen. In derartigen Fällen darf eine
Speicherung im KAN auf Grund bloßer Erkenntnisanfragen ausländischer Polizeibehörden generell nicht erfolgen. Die KAN-Kriterien sind in der Errichtungsanordnung bzw. in einem Anhang zur Errichtungsanordnung
präzise zu umschreiben. Ich werde hierauf mein besonderes Augenmerk richten.
11.4
VICLAS-Datei
Das Kürzel „VICLAS“ steht für „Violent Crime Linkage
Analysis System“ und bedeutet „Analyse-System zur Serienzusammenführung von Gewaltverbrechen“. Das ursprünglich von der kanadischen Polizei entwickelte Datenbanksystem dient dazu, Angaben zu bestimmten
Serienstraftaten im Bereich der schweren Gewaltkriminalität zusammenzuführen, um sie effektiv analysieren zu
können. Das tatrelevante Verhalten des Straftäters wird
anhand des Einzelfalls analysiert, strukturiert abgebildet