5.3.2. § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BVerfSchG (Flugdaten)
Bei Flugdaten zeigen sich auf tatbestandlicher Ebene wie auch bei den Mitteilungspflichten
Inkonsistenzen. Es werden hohe materielle Anforderungen und das G 10-Verfahren angeordnet, obschon kein Eingriff in Art. 10 GG vorliegt und eine eher geringe Eingriffsintensität
besteht.235
Mit Blick auf die Beteiligung der G 10-Kommission soll an dieser Stelle auch dem teils pauschal
vorgebrachten Argument entgegengetreten werden, dass praktisch jeder heimliche Eingriff
einer unabhängigen verfahrensmäßigen Kontrolle bedürfe. Zweifelsohne ist der Rechtsschutz
bei heimlichen Maßnahmen deutlich erschwert, doch erfordert dies nicht per se eine präventive
unabhängige Kontrolle. Vielmehr hat das BVerfG insoweit dargelegt, dass „eingriffsintensive[n]
Überwachungs- und Ermittlungsmaßnahmen, bei denen damit zu rechnen ist, dass sie auch
höchstprivate Informationen erfassen, und gegenüber den Betroffenen heimlich durchgeführt
werden, (…) grundsätzlich einer vorherigen Kontrolle durch eine unabhängige Stelle
[bedürfen]“236; hier ist auf die Kumulation auf der Eingriffsseite hinzuweisen (höchstprivat und
heimlich), die bei Flugdaten gerade mangels besonderer Privatheit nicht gegeben ist. Im
Übrigen müssten sonst alle geheimen Maßnahmen der Sicherheitsbehörden unter eine
präventive unabhängige Kontrolle gestellt werden. Schließlich stellen sich die Anforderungen
als vergleichbar mit denen von G 10-Maßnahmen dar, obschon die Flugdatenabfrage eine
deutlich geringe Freiheitsbeschränkung mit sich bringt. Hier erschiene eine Anordnung durch
das Ministerium als verfahrensrechtliche Absicherung mittlerer Reichweite (gegenüber Anordnung durch Sachbearbeiter bzw. G 10-Kommission) naheliegend, um der freiheitsrelevanten
Stufung gerecht zu werden.
Bezüglich der Mitteilungspflicht ist bei Flugdaten237 systemwidrig keine endgültige Nichtmitteilung nach § 12 Abs. 1 S. 5 G 10 möglich, obschon dies bei (grundrechtsrelevanteren)
Maßnahmen nach dem G 10, aber auch nach § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und 5 BVerfSchG vorgesehen ist. Dies lässt sich aus Konsistenzperspektive nicht rechtfertigen. Auch das im WolffGutachten vorgebrachte Argument, dass ansonsten an keiner Stelle eine unabhängige Stelle
beteiligt wäre238, greift nicht mehr, da erstens derzeit jedenfalls für die Maßnahmen nach § 8a
Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 BVerfSchG die G 10-Kommission beteiligt ist und zweitens in jedem
Fall die G 10-Kommission über die endgültige Nichtmitteilung zu entscheiden hätte. Besonders
virulent wird der Widerspruch dort, wo durch die Mitteilung der Flugdatenerhebung der Betroffene indirekt von einer parallel gegen ihn durchgeführten G 10-Maßnahme erfahren würde.
Auch wenn er insoweit keine Details erfahren würde, wäre der Sinn der endgültigen Nichtmitteilung der G 10-Maßnahme unterminiert.
Hauptargument für die Verschärfung der tatbestandlichen Anforderungen bei den Flugdaten
war 2011 die Herstellung einer inneren Konsistenz durch Angleichung an die Anforderungen
des IMSI-Catchers239 (§ 9 Abs. 4 BVerfSchG). Dies vermag für sich nicht zu überzeugen. Zum
einen wäre eine Angleichung „nach unten“ ebenso möglich gewesen (da auch der IMSI-

235

So jedenfalls Wolff, Verfassungsrechtliche Bewertung des Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetzes (TBEG) und seiner Anwendung, Rechtsgutachten, 2011, S. 56, das im Vorfeld der Novellierung 2011 eingeholt wurde.
236 BVerfG, Urteil vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09, Rn 117.
237 Wie auch bei Konto-Maßnahmen nach Nr. 2 und Abs. 2a.
238 Wolff, Verfassungsrechtliche Bewertung des Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetzes (TBEG)
und seiner Anwendung, Rechtsgutachten, 2011,S. 86.
239 Wolff, Verfassungsrechtliche Bewertung des Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetzes (TBEG)
und seiner Anwendung, Rechtsgutachten, 2011,S. 57.

140

Select target paragraph3