Für Maßnahmen mit vergleichbarer Eingriffsintensität sollten vergleichbare Anforderungen
formuliert werden, jedenfalls sollten leichtere Maßnahmen nicht an höhere Anforderungen
gekoppelt werden.
Bei der Betrachtung der tatbestandlichen Anforderungen an die besonderen Auskunftsverlangen und den IMSI-Catcher ist zu berücksichtigen, dass nachrichtendienstliche Tätigkeit in
Wesen und Zweck Vorfeldaufklärung ist. Zahlreiche Maßnahmen dienen lediglich der Generierung von Vorinformationen („Puzzlestücke“), deren Relevanz im Vorhinein regelmäßig kaum
abgeschätzt werden kann und die sich im Nachhinein nicht selten für sich als wenig relevant
darstellt. Durch hohe Anforderungen gerade in formeller Hinsicht – etwa durch Anordnung des
G 10-Verfahrens – wird ein außerordentlicher Ressourceneinsatz bei der Informationserlangung abverlangt. Dieser Aufwand kann nach Aussage der Nachrichtendienste immer
wieder nicht geleistet werden, obschon der Tatbestand im Übrigen erfüllt ist. Entgegen dem
Charakter der Vorfeldaufklärung haben sich zudem die tatbestandlichen Anforderungen,
gerade was die Tatsachenlage betrifft, zunehmend denen polizeilicher Behörden angenähert,
obgleich bei letzteren aus der Natur der Gefahrenabwehr heraus die Sachverhalte klarer auf
der Hand liegen und sich in derselben Behörde zu robusten Maßnahmen über die Informationsgewinnung hinaus gegen den Betroffenen verdichten können. Teil einer konsistenten
Fassung der nachrichtendienstlichen Befugnisse und gerade auch der besonderen Auskunftsverlangen ist eine Regelung der Voraussetzungen entsprechend der Grundrechtsrelevanz,
zumal die Anordnung des G 10-Verfahrens auch bei wenig invasiven Maßnahmen nicht nur
Ressourcen der Nachrichtendienste, sondern auch der G 10-Kommission binden.
5.3.
Überlegungen zu den einzelnen Befugnissen
Im Folgenden werden die einzelnen Befugnisse im Kontext betrachtet.
5.3.1. § 8 Abs. 1 BVerfSchG (Bestandsdaten Teledienste)
Es erscheint systemwidrig, dass die materiellen Anforderungen bei der Abfrage von Bestandsdaten bei Telediensteanbietern höher sind, als solche bei der Abfrage von Bestandsdaten bei
Telekommunikationsunternehmen (TK), da die Eingriffstiefe sich als vergleichbar darstellt. Im
TK-Bereich genügt nach § 8d BVerfSchG i. V. m. § 113 TKG ein Bezug zur Aufgabenerfüllung,
§ 8a Abs. 1 BVerfSchG verlangt demgegenüber tatsächliche Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Gefahr für ein Schutzgut.
Zudem wurde inkonsequenterweise – und mit Blick auf die Grundrechtsrelevanz unnötigerweise – (nur) für die Abfrage von Bestandsdaten bei Telediensteanbietern, nicht jedoch für die
Abfrage von Bestandsdaten bei TK-Unternehmen eine Mitteilungspflicht vorgesehen.
Mit Blick auf das Verhältnis zu den teils deutlich eingriffsintensiveren Maßnahmen nach § 8a
Abs. 2 BVerfSchG und nach dem G 10 erscheinen die tatbestandlichen Anforderungen
insgesamt hoch und die Mitteilungspflicht nicht zwingend geboten. Gerade die Notwendigkeit,
dass die G 10-Kommission über eine endgültige Nichtmitteilung entscheiden muss, verwischt
den erheblichen Unterschied in der Freiheitsrelevanz zu echten G 10-Maßnahmen234.
234
Zudem würde die G 10-Kommission entlastet.
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